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"Così fan tutte" an der Bayerischen Staatsoper Ist Untreue menschlich?

Diese Oper ist nur scheinbar eine Komödie. Das Lachen bleibt einem spätestens im zweiten Teil im Hals stecken. In "Così fan tutte" wird gnadenlos betrogen – eine nur allzu menschliche Schwäche. Das müssen auch die Figuren im Verlauf der Geschichte schmerzhaft erkennen. Und um genau diesen Lernprozess geht es Regisseur Benedict Andrews. Er inszeniert "Così fan tutte" an der Bayerischen Staatsoper. Premiere ist am 26. Oktober. BR-KLASSIK überträgt live – im Radio und als Videostream.

"Così fan tutte" an der Bayerischen Staatsoper in der Inszenierung von Benedict Andrews | Bildquelle: W. Hösl

Bildquelle: W. Hösl

Vorbericht

"Così fan tutte" an der Bayerischen Staatsoper

Wer in eine Komödie geht, will sich amüsieren. Haut leider so nicht hin bei "Così fan tutte". Da bleibt dem Dirigenten Vladimir Jurowski – und nicht nur dem – das Lachen im Hals stecken: "Es ist ein Stück über Betrug. Und auch als Zuschauer wird man betrogen. Es fängt zwar als Komödie an, endet aber nicht wie eine." Kurz: "Così fan tutte" ist eine Mogelpackung, von vorne bis hinten. Ziemlich raffiniert hat sich Mozart diese "Komödie" ausgeheckt. Bis heute bringt er damit Regisseure, Opernsängerinnen und Dirigenten ins Schwitzen. Denn diese Oper ist einfach kein Stück, das man verschlingt wie Lachsbrötchen und Gummibärchen.

Oper im Radio und Videolivstream

BR-KLASSIK überträgt die Premiere von "Così fan tutte" aus der Bayerischen Staatsoper am 26. Oktober 2022 ab 19 Uhr live im Radio und als Videolivestream.

"Problematisch ist sie, weil sie ein Thema behandelt, das uns alle so oder so angeht", sagt Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski. "Das Thema der menschlichen Beziehungen und der Treue, des Versprechenhaltens und der menschlichen Wandelbarkeit." Also ein Thema, das den bestens florierenden Berufszweig der Paartherapeutinnen und -therapeuten hervorgebracht hat.

Diese Oper stellt eine seltsame Melange dar aus Künstlichkeit und Natürlichkeit.
Christian Gerhaher

"Così fan tutte" an der Bayerischen Staatsoper in der Inszenierung von Benedict Andrews; zu sehen: Christian Gerhaher als Don Alfonso | Bildquelle: W. Hösl Bildquelle: W. Hösl Die Geschichte von "Così fan tutte" – zu Deutsch "So machen es alle (Frauen)" – ist simpel: Ein Kauz namens Don Alfonso schließt mit seinen zwei jungen Freunden eine Wette ab: Er, der erfahrene Alfonso wird es schaffen, dass die Bräute der Freunde innerhalb von nur einem Tag untreu werden. Die Männer halten das für Unsinn und schlagen siegesgewiss ein. Damit beginnt sie, diese merkwürdige Verwechslungsshow, an der nur sechs Personen und ein Orchester beteiligt sind.

Bariton Christian Gerhaher hält als Alfonso die Fäden in der Hand. Er findet das Stück enorm spannend, "weil diese Oper so eine seltsame Melange aus Künstlichkeit und Natürlichkeit darstellt." Das Künstliche sei offensichtlich, erklärt Gerhaher. Vieles sei schon sehr unwahrscheinlich. "Vor allem, dass die beiden Schwestern ihre Liebhaber nicht erkennen."

Es gibt keine richtigen Gewinner und Verlierer.
Sebastian Kolhepp

"Così fan tutte" an der Bayerischen Staatsoper in der Inszenierung von Benedict Andrews; zu sehen: Sebastian Kohlhepp und Louise Alder | Bildquelle: W. Hösl Sebastian Kohlhepp (Ferrando) und Avery Amerau (Dorabella) | Bildquelle: W. Hösl Offiziell ziehen die Liebhaber nämlich in den Krieg. Ist aber eine Lüge. Stattdessen stellen sie in exotischer Verkleidung ihren eigenen Bräuten nach. Und das mit Erfolg. Der junge Tenor Sebastian Kolhepp singt den Ferrando, einen der beiden Verführer: "Man will weder die Männer noch die Frauen als Vollidioten am Ende stehen lassen. Es gibt keine richtigen Gewinner und Verlierer. Da einen Weg zu finden, ist sehr sehr schwer." Das sei ein Grund, weshalb diese Oper von Lorenzo Da Ponte so selten auf die Bühne kommt, meint Kolhepp.

"In dem Stück ist eine Menge Seelenforschung drin", sagt die Sängerin Louise Alder. Sie begibt sich in der Rolle der Fiordiligi auf eine Entdeckungsreise in ihr Innerstes. Ein Grund, weshalb sie die Probenarbeit als so spannend empfindet. Sandrine Piau spielt in der Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper die Kammerzofe Despina. Sie sieht in Mozarts "Così fan tutte" Rollenklischees, die damals galten, die bis heute existieren, und mit denen endlich aufgeräumt werden muss. Zu viele Frauen träumten immer noch wie kleine Mädchen vom Supermann, der alles kann. "Ich glaube, es ist wirklich nicht gut, wenn die jungen Mädchen mit Prinz und Prinzessin und Barbie und Puppe spielen", sagt Piau. "Das ist kein Leben. Das funktioniert so nicht."

Regisseur Benedict Andrews setzt auf morbide Ästhetik

"Così fan tutte" an der Bayerischen Staatsoper in der Inszenierung von Benedict Andrews; zu sehen: Sebastian Kohlhepp, Avery Amereau, Louise Alder, Konstantin Krimmel | Bildquelle: W. Hösl Sebastian Kohlhepp, Avery Amereau, Louise Alder, Konstantin Krimmel | Bildquelle: W. Hösl An der Bayerischen Staatsoper setzt der australische Regisseur Benedict Andrews die Mozartoper aus dem Jahr 1790 in Szene. Für ihn ist "Così fan tutte" ein menschlicher, allzumenschlicher Lernprozess. Er hüllt die Geschichte in eine morbide Ästhetik, wie man sie aus Filmen von David Lynch kennt. Andrews macht aus Don Alfonso einen, der die Liebenden wie mit Hormonen vollgestopfte Laborratten behandelt. Den Untertitel der Oper "Schule der Liebe" nimmt Andrews wörtlich: "Durch diese Spiele haben sie plötzlich ganz andere Seiten an sich selbst kennen gelernt, haben neue Rollen gespielt, das aber quasi im echten Leben. Und sie haben damit viel Neues ausprobiert!"

Durch dieses Spiel lernen sie neue Seiten an sich selbst kennen.
Benedict Andrews über die Opernfiguren

"Così fan tutte" ist eine Ode auf das Neue, auf die Erfahrung. Sowas wie Sex, Drugs and Sextett. Zum "cosy" zurücklehnen im Samtsessel eignet sich Mozarts Cosi hingegen nicht. Sie ist Mozarts selbständigste und problematischste unter den da Ponte-Opern. Sie ist die modernste und philosophischste. Und vielleicht genau deshalb auch die schönste und menschlichste. "Es gibt keinen Gott, es gibt keine metaphysische Macht, die sie erlösen wird", sagt Vladimir Jurowski. "Sie können sich nur sich selber erlösen. Ob sie das können, ist die große Frage!"

Sendung: "Allegro" am 24. Oktober 2022, ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Sonntag, 06.November, 15:21 Uhr

Beate Schwärzler

Die "Cosi..." an der Bayerischen Staatsoper.

Ach Gott, Sandrine Piau, wer hat ihnen denn von solchen Rollenklischees von Frauen erzählt..?
Meine Kumpels haben mir, als ich 20 war, den Ehrennamen "Mutti" verpaßt. Obwohl ich gar nicht der "Mutti"-Typ war; eher dünn, fröhlich und hübsch.. Das bringt Pflichten mit sich. Und Erwartungen.
"Mutti" ist prima. Besser noch ist "Mutti" mit Bett. Echt !
Wer, bitte, hat da denn geträumt ?

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