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Neue Saison 2020/21 an der Bayerischen Staatsoper Oper am Wendepunkt

Der Corona-Krise zum Trotz: Am Sonntagvormittag hat Staatsintendant Nikolaus Bachler die Saison 2020/21 an der Bayerischen Staatsoper vorgestellt. Nicht wie geplant im Großen Haus, sondern im überschaubaren Rennert-Saal – zugelassen waren nur Mitarbeitende des Hauses und die Presse. Die Präsentation wurde im Video-Stream auch live übertragen. BR-KLASSIK war für Sie dabei und stellt die Highlights der neuen Spielzeit vor.

Bayerische Staatsoper am Max-Joseph-Platz | Bildquelle: colourbox.com

Bildquelle: colourbox.com

In der kommenden Saison 2020/21 muss sich das Münchner Publikum endgültig von liebgewonnenen Sehgewohnheiten verabschieden. Denn Nikolaus Bachler bricht ein Tabu – und produziert einen neuen "Rosenkavalier". Fast fünfzig Jahre lang stand Otto Schenks legendäre Inszenierung in der Nymphenburger Kulissenpracht von Jürgen Rose auf dem Spielplan der Bayerischen Staatsoper. Oper dürfe kein Museum sein, meint Bachler im Gespräch, sondern müsse sich immer weiterentwickeln. Und er ist sich sicher, für den "Rosenkavalier" die richtigen Partner gewonnen zu haben: Marlis Petersen gibt ihr Rollendebüt als Feldmarschallin, Barrie Kosky inszeniert und der designierte Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski steht am Pult des Bayerischen Staatsorchesters. Kennenlernen kann man den künftigen GMD auch bei Bergs "Wozzeck" und in einem Akademiekonzert.

Golda Schultz | Bildquelle: Dario Acosta Sopranistin Golda Schultz debütiert als Agathe | Bildquelle: Dario Acosta Opernfans können sich auf weitere Leckerbissen freuen. Denn Nikolaus Bachler frischt in seiner letzten Saison vor allem das populäre Opern-Repertoire auf – und versammelt dazu noch einmal seine Lieblingsregisseure, deren Entwicklung er über die Jahre begleitet hat. Bekannte Namen für das Münchner Publikum wie Dmitri Tcherniakov, der die Abgründe in Webers "Freischütz" auslotet. Antonello Manacorda feuert am Pult ein hochkarätiges Ensemble an: Golda Schultz, die an der Staatsoper groß geworden ist, debütiert als Agathe, Anna Prohaska ist das Ännchen, Pavel Černoch stemmt den Max.

Petrenko kommt zurück

Und Bachler holt den dann nicht mehr amtierenden GMD Kirill Petrenko ans Haus zurück, der hier seine Auseinandersetzung mit Wagner fortsetzt und zum Auftakt der Opernfestspiele eine Neuproduktion von "Tristan und Isolde" dirigiert. Das Münchner Traumpaar Anja Harteros und Jonas Kaufmann erobert sich erstmals die beiden Titelpartien. Spannend dürfte auch werden, welche seelischen Untiefen Krzysztof Warlikowski in der tödlichen Dreiecksgeschichte aufspürt. Außerdem ist Petrenko bei den Festspielen 2021 mit den "Meistersingern" und der "Salome" zu erleben.

Zweite Premiere bei den Festspielen ist Mozarts "Idomeneo" im Prinzregententheater. Am Pult steht der Mozart-erfahrene Constantinos Carydis, die mythologische Story um ein im letzten Moment verhindertes Menschenopfer inszeniert Antú Romero Nunes. Matthew Polenzani verkörpert den Titelhelden, Hanna-Elisabeth Müller und Olga Kulchynska debütieren als Elettra und Ilia.

Castorf kommt nach München

Christian Gerhaher | Bildquelle: Jim Rakete Christian Gerhaher singt den König Lear in der Saison 2020/21 | Bildquelle: Jim Rakete Nicht nur "Tristan" und "Idomeneo" sind Münchner Heimspiele. Uraufgeführt wurde hier auch 1920 die damals sehr erfolgreiche Oper "Die Vögel" von Walter Braunfels. Das Libretto hatte sich der als "Halbjude" diffamierte Komponist nach der Komödie des Aristophanes selber geschrieben: Die Vögel wagen den Aufstand gegen die Götter, ergreifen die Macht – und müssen ihren Hochmut mit der totalen Zerstörung ihres Wolkenkuckucksheims bezahlen. Genau hundert Jahre später eröffnet Bachler damit seine Premierenserie. Das Produktionsteam vereint Spezialisten für hochpolitische Stoffe und kühne Klänge: Frank Castorf und Ingo Metzmacher.

Aribert Reimanns "Lear" ist längst ein Klassiker der zeitgenössischen Oper, uraufgeführt 1978 – richtig! – in München. Zum ersten Mal an der Staatsoper inszeniert der Schweizer Theatermacher Christoph Marthaler in den Bühnenbildern seiner bewährten Partnerin Anna Viebrock. Nach seinem Amfortas wagt sich Christian Gerhaher jetzt an den tragischen König – die mörderische Partie ist sicher ein Grenzfall für den gefeierten Liedsänger. Lears Töchter verkörpern Angela Denoke, Aušrine Stundyte und Hanna-Elisabeth Müller, Jukka-Pekka Saraste dirigiert.

Nagano mit Shakespeare-Interpretation und Ballett-Jubiläum

Die Münchner Uraufführungsserie schreibt Bachler in die Gegenwart fort mit einem Auftragswerk, das der italienische Avantgardist Luca Francesconi beisteuert. Auch sein Libretto basiert auf Shakespeare, auf der selten gespielten Tragödie "Timon of Athens". In seinem Musiktheater lässt Francesconi den verschwenderischen Menschenfreund Timon vom Tenor Toby Spence singen, den zum rachedurstigen Menschenhasser mutierten Titelhelden von einer Schauspielerin sprechen. Die Bilder dazu erfindet Andreas Kriegenburg, und ans Dirigentenpult kehrt der frühere GMD Kent Nagano zurück, der nach dem Amtsantritt von Bachler 2013 entnervt das Handtuch geworfen hatte. Eine Versöhnungsgeste? Mittlerweile sei man in gutem Kontakt, versichert Bachler.

Das von Konstanze Vernon gegründete Bayerische Staatsballett feiert sein 30-jähriges Bestehen mit einer Neukreation des russischen Hauschoreografen Andrey Kaydanovskiy. Für sein erstes abendfüllendes Handlungsballett hat er sich Puschkins Novelle "Der Schneesturm" als Vorlage ausgesucht. Außerdem präsentiert Direktor Igor Zelensky wieder ein familienfreundliches Ballett von Christopher Wheeldon – seine "Cinderella"-Version von 2012 bietet zu Prokofjews brillanter Musik jede Menge fürs Auge! Und das erfolgreiche Format mit zeitgenössischen Choreografien wird unter neuem Namen fortgesetzt: "Heute ist Morgen".

Abschiedsabend voller Stars

Anna Netrebko | Bildquelle: Marco Brescia / Rudy Amisano Anna Netrebko singt beim Abschiedsabend für Bachler | Bildquelle: Marco Brescia / Rudy Amisano Nikolaus Bachlers Saison-Thema "Der wendende Punkt" ist ein Zitat aus Rilkes Orpheus-Sonetten, das laut Bachler "die Kunst als einen Prozess beschreibt, der oft mit dem Anfang schließt und mit dem Ende beginnt". Denn es geht ja weiter mit einem neuen Team um Serge Dorny und Vladimir Jurowski. Und so ist Bachlers letzter Spielplan für München eine Hommage an die Stadt, in der er dann 13 Jahre gelebt und gearbeitet hat. Am 30. Juli 2021 nimmt er Abschied mit einem musikalisch-literarischen "Abend über Ende und Anfang". Die Namen "seiner" Künstlerinnen und Künstler, die ihm da nochmal die Ehre geben, muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Anja Harteros, Anja Kampe, Anna Netrebko, Marlis Petersen, Nina Stemme, Pavol Breslik, Christian Gerhaher, Jonas Kaufmann, Wolfgang Koch und Bryn Terfel.

Das Programm der neuen Spielzeit finden Sie auf der Homepage der Bayerischen Staatsoper.

Sendung: Allegro am 16. März 2020 ab 06.05 Uhr auf BR KLASSIK.

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