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Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko stellt neue Saison vor

Kirill Petrenko stellt seine vierte Saison in Berlin vor. Dabei äußert er sich überraschend offen. Warum er keinen Breitwand-Sound à la Karajan möchte. Und wie sehr er sich wünscht, eines Tages wieder in seiner russischen Heimat konzertieren zu können.

Kirill Petrenko, Chefdirigent der Berliner Symphoniker. | Bildquelle: EuroArts/Stephan Rabold

Bildquelle: EuroArts/Stephan Rabold

Es ist seine vierte Spielzeit, die Kirill Petrenko vorstellt, seit er 2019 sein Antrittskonzert als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker gab. Der 51-jährige wirkt so energetisch und konzentriert wie immer, aber ruhiger und gelassener, oder, wie er es selbst formuliert, etwas weniger hektisch. Dabei nicht jubelnd, sondern Zweifel zulassend, denn Selbstlob passt nicht in Petrenkos Charakter. In den vier Jahren habe er mit dem Orchester einiges erreicht, aber die Reise sei eine längere. Ein Drittel des Weges in Richtung seiner Klangvorstellungen hätten sie erfolgreich gemeinsam zurückgelegt.

Ich wollte, dass das Orchester mehr singt.
Kirill Petrenko

"Ich wollte, dass das Orchester mehr singt", sagt er. Manchmal habe er das Gefühl, dass das schon gelungen sei, "dass das Orchester die Bögen ein bisschen weiter schwingen lässt, ein bisschen mehr aussingt." Bei der Klassik sei ihm aber wichtig gewesen, "dass wir nicht den Brahms-, Schumann-Sound, den Breitwand-Sound à la Karajan herstellen. Das wäre mir zu intransparent". Da könne man bei Mendelssohn oder dem frühen Schumann ansetzen, dass man das zwar phrasiere, aber das durchaus verbindet mit einem "Ausschwingen und mit unterschiedlichen Vibrato-Techniken."

Klassik-Blockbuster fehlen. Dafür Strauss, Schönberg und Reger

Die kommende Spielzeitplanung ist mutig. Die Klassik-Blockbuster fehlen. Kein Mozart, Beethoven oder Schubert stehen auf dem Spielplan, dafür präsentiert Petrenko mit den Philharmonikern Werke von Richard Strauss, Max Reger oder, besonders anspruchsvoll: Arnold Schönbergs "Jakobsleiter". Bei Schönberg reizt Petrenko dessen Spiritualität, erst die Abwendung vom Judentum, dann der Weg zurück mit allen Fragen. Während seiner Jugendzeit in Sibirien durfte Religion keine Rolle spielen, heute sind derlei Themen für ihn existentiell. Die Philharmoniker planen mit ihm eine Asien-Tournee, Tokio und Südkorea sind Stationen. Petrenko träumt davon, irgendwann Russland zu besuchen mit Konzerten in Moskau, St. Petersburg oder seiner Heimatstadt Omsk. Aber das sei für ihn momentan völlig unvorstellbar. 

Es ist für mich undenkbar jetzt in Russland zu dirigieren. Ob ich dann noch Chef der Berliner Philharmoniker bin, wenn sich das Blatt wendet? Ich hoffe, ich kann das noch erleben.
Kirill Petrenko

"Auch, wenn man das Publikum dort noch so schätzt und wenn man weiß, wie isoliert sie jetzt dort sind, auch künstlerisch, ist es für mich jetzt absolut undenkbar, dort zu dirigieren", erklärt er, "ob ich dann noch Chef der Berliner Philharmoniker bin, wenn sich dann hoffentlich bald das Blatt wendet? Ich hoffe, ich kann das noch erleben." Wenn er jetzt sehe, was dort passiert, dann sei das "einfach eine Apokalypse".

Chefdirigent in Berlin: Mental die höchste Herausforderung für Petrenko

Petrenko hat in Meiningen, an der Komischen Oper in Berlin oder in München größte Erfolge gefeiert. Als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker zu wirken, das allerdings sei noch etwas anderes. "Es ist mental die höchste Herausforderung, die ich bis jetzt hatte. Ich suche einen Ausgleich zu finden, wenn ich mal nach Italien fahre oder wenn ich mal ein Fußballspiel anschaue. Man opfert schon sehr viel, aber man bekommt im Konzert auch so viel, dass man am Ende sagt, ja, es lohnt sich. Es ist ein Balanceakt, ein Drahtseilakt."

Neues, junges Publikum in der Philharmonie

Nach Corona ist das Publikum zurückgekehrt in die Philharmonie, so Intendantin Andrea Zietzschmann, es hat sich aber verändert. Zietzschmann sieht darin aber auch etwas Positives:  "Es sind zwar nicht alle Abonnentinnen und Abonnenten wiedergekommen, dafür haben wir ein neues, junges Publikum bekommen." Das funktioniere durch die sogenannte Classic-Card, mit der man für 13 Euro ins Konzert gehen kann. Die laufe so gut, dass sie kontingentiert werden müsse, aber: "Man merkt, dass deutlich jüngere Leute im Konzert sind und das wollen wir aufrechterhalten."

Sendung: "Leporello" am 9. Juni ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (5)

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Montag, 12.Juni, 11:57 Uhr

Alfi

Petrenko

Endlich weg vom Karajan- Sound

Sonntag, 11.Juni, 13:33 Uhr

Fred Keller

Karajan Berliner Klang Petrenko

Wieder so ein übschätzter Taktschläger der denkt sich an Karajan abarbeiten zu müssen. Hätte er, Petrenko, nur das im Ellbogen was Karajan im kleinen Finger hatte, aber hat er nicht.

Sonntag, 11.Juni, 08:40 Uhr

Tchaikovsky Fan

Vibrato

Ich finde, es wäre endlich an der Zeit in Sachen Vibrato auch bei den Berlinern vorwärts zu denken. "Unterschiedliche Vibratotechniken" anwenden ist weder historisch korrekt noch besonders klug. Die Wortwahl selbst ist mehrdeutig. Das Vibrato sollte sparsam benutzt werden, am Ende von langen Noten. Man kann alles nachlesen, wie Brahms, Schumann, Reger, Strauss u.a. das wollten. Was wir heute aus Berlin hören, ist zu viel Dauervibrato, oft zu schnelles Vibrato und dadurch eine gewisse Intransparenz, die mich oft stört. Singen kann man ja, wenn nötig auch ohne Vibrato. Jeder gute Gesangsolist kann das. Nur scheinbar haben die Streicher, die ja dieses Gesangsvibrato imitieren, verlernt was ein gut dosiertes Vibrato ist. Jedenfalls kann ich sagen: wenn Sänger so vibrieren würden, wie es manche Geiger und Orchester tun, würden sie keinerlei Arbeit bekommen. Lieber Kirill Petrenko: es ist also an der Zeit, dass Ganze etwas gründlicher anzugehen, wenn mehr Transparenz gewünscht ist.

Samstag, 10.Juni, 10:35 Uhr

Gufo

Karajan

Was meint er denn mit Breitwand-Sound a la Karajan ? Für mich war Karajan ein Perfektionist, einer der ganz großen Dirigenten.

Samstag, 10.Juni, 10:22 Uhr

Äsop lässt grüßen

Die Fabel vom Fuchs und den Trauben...

,,,kommt in den Sinn, wenn Petrenko den Klang der Berliner unter Karajan als "intransparent" schmäht.

Für meine Ohren sind die bisherigen Aufnahmen Petrenkos mit den Berlinern weitaus schwächer als diejenigen Karajans derselben Werke.

Und der einzigartige Klang der Berliner, der das Orchester unter Karajan zu einer weltweiten Sensation gemacht hat (auch andere Dirigenten profitierten von ihm in zahlreichen Aufnahmen) ist leider nicht mehr vorhanden.

Gott sei Dank kann man hier durch Aufnahmen eine beglückende Zeitreise machen.

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