Der Schlagzeuger Simon Popp lässt sich nicht so einfach in ein Genre stecken. Er hat Jazz-Schlagzeug studiert, kennt als Drummer der Band Roosevelt die Popwelt, ist Teil der von der Kritik gefeierten Jazz-Band Fazer und kollaboriert mit den unterschiedlichsten Künstlerinnen und Künstlern verschiedener musikalischer Stilrichtungen. Jetzt hat der 32-jährige Jazz-Schlagzeuger aus München sein drittes Solo-Album veröffentlicht. Ein Album, auf dem es viel zu entdecken gibt.
Bildquelle: Squama
CD-Tipp
Simon Popp: "Blizz"
Am Anfang ist es ein luftiges Leinentuch, durchscheinend, fast durchsichtig flattert es so vor sich hin. Doch die Fasern verdichten sich mit zunehmender Geschwindigkeit, mit dem Accelerando, das einen hineinträgt, einen in Trance versetzt und einhüllt – dick und dicht und schwer. Also: Kein Leinentuch mehr, eher ein wolliger Berberteppich.
Leinentuch, Berberteppich – sorry, aber man kann fast nicht anders: Simon Popps neues Album "Blizz" drängt einem Bilder auf. Ob man will oder nicht. An manchen Stellen pulsiert die Musik einfach so gefällig im Hintergrund. Aber Nebenbeimusik ist das ganz und gar nicht. Durch winzige Verästelungen und dadurch, dass sich die Tracks so fein, so Schicht um Schicht aufbauen, knipst Popp etwas an, das sich als konzentriertes Hinhören beschreiben lässt.
Kaum merklich webt der Münchner Schlagzeuger Sound über Sound über Sound. Analoge Perkussionklänge schieben sich über Synthie-Flächen, metallisch Rasselndes und Glockiges, Klänge, die nach Holz klingen oder nach warmer Luft. Überhaupt klingt dieses Album irgendwie: warm. Trotz vieler, für sich gehört eigentlich eher kalter Metallgeräusche.
Der 32-Jährige schlägt sich mit einem unglaublichen Gespür für Timing und Stimmung durch polyrhythmische Strukturen, er kontrastiert erdige und luftige Klänge. Eine strotzende Klangwelt, die sich nur aus Perkussioninstrumenten zusammensetzt. Mal treibend, mal meditativ. Popp macht mit "Blizz" eine ganz eigene Kategorie der Nicht-Kategorie auf. Ob das Jazz ist oder Weltmusik oder Pop – ist eh egal. Dabei hat Simon Popp eine ziemlich genaue Vorstellung von der Klangwelt, in die er uns einlädt. Oder sagen wir: von den Umrissen dieser Klangwelt. Denn durchs Improvisieren entdeckt er immer wieder neue Sounds. Verliert sich im blissigen, also auf deutsch: wonnigen Prozess des Musikmachens. In seinem Giesinger Studio, in dem er Instrumente aus aller Welt ansammelt.
Popps drittes Album funktioniert jedenfalls zuhause auf dem Sofa genauso wie live im Club. Nur Stillhalten, reglos sitzen: Das klappt nicht. Dazu hat der Schlagzeuger seinem Album "Blizz" ein zu organisches Pulsieren einkomponiert. Und zu viele Klänge, die oft scharfkonstrastig aufeinanderliegen – ach ja, Klänge übrigens von 30 bis 40 Instrumenten und Effektgeräten. Von Xylophon-Klangplatten über Gongs bis hin zum Balafon. Es gibt viel zu entdecken auf "Blizz".
Simon Popp: "Blizz"
Digitales Album oder auf Vinyl
Veröffentlichungsdatum: 25. November 2022
Label: Squama
Sendung: "Leporello" am 23. November 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)