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Corona legt das Kulturleben lahm Was kommt auf Publikum, Künstler und Veranstalter zu?

Seit 10. März steht es fest: Bis auf ganz wenige Ausnahmen bleiben Theater, Konzertsäle und Opernhäuser in Bayern bis zum Ende der Osterferien geschlossen. Das heißt: leere Säle und verunsicherte Ticketkäufer, aber auch einschneidende Verdienstausfälle für Künstler und Veranstalter. Kulturstaatsministerin Grütters hat inzwischen ihre Unterstützung zugesagt.

Mann hält Tickets in der Hand, illustrierte Noten | Bildquelle: colourbox.com; Montage: BR

Bildquelle: colourbox.com; Montage: BR

Corona trifft die Kulturszene hart. Angesichts zahlreicher Absagen von Veranstaltungen wegen der Corona-Epidemie warnen Politiker und Branchenvertreter im Kulturbereich vor finanziellen Problemen. Nach Schätzungen des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft werden die Absagen von Großveranstaltungen zu einem Milliarden-Schaden führen. Der Verband kalkuliert, dass in der Zeit von März bis Mai rund 80.000 Veranstaltungen abgesagt werden müssen.

Prekär ist die Situation vor allem für kleinere Kulturstrukturen, freiberufliche Künstler und andere Selbständige aus dem Kulturbereich. Oftmals würden Honorare nur bei der Durchführung von Veranstaltungen ausbezahlt, erklärt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats gegenüber BR-KLASSIK. "Insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen sowie Freiberuflerinnen und Freiberufler haben oft keine finanziellen Polster, um Einnahmeausfälle aufzufangen. Sie leben von der Hand in den Mund und sind nur unzureichend versichert."

Wir fordern einen Hilfefond für freischaffende Künstlerinnen und Künstler, damit ihnen schnell und unbürokratisch geholfen werden kann.
Olaf Zimmermann, Deutscher Kulturrat

Der deutsche Kulturrat forderte daher einen Notfallfond für Künstlerinnen und Künstler. Die Kulturstiftung der Länder und die Kulturstiftung des Bundes sollen finanzielle Mittel stellen, auf die sich betroffene Künstler bei Nachweis ausgefallener Einnahmen bewerben können. Einen solch flächendeckenden Ausfall an Kultur habe es seit dem zweiten Weltkrieg nicht gegeben, so Zimmermann. Man müsse nun schnell nach möglichst unbürokratischen Lösungen suchen.

Für Künstler und Veranstalter: Unterstützung in Aussicht gestellt

Inzwischen hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters reagiert und stellt sich angesichts der vielen Absagen von Konzerten und Veranstaltungen in einer Pressemitteilung hinter die Kultureinrichtungen, Künstlerinnen und Künstler: "Mir ist bewusst, dass diese Situation eine große Belastung für die Kultur- und Kreativwirtschaft bedeutet und insbesondere kleinere Einrichtungen und freie Künstlerinnen und Künstler in erhebliche Bedrängnis bringen kann", so die Ministerin. Künstler und Kultureinrichtungen könnten sich auf Unterstützung verlassen, gerade mit Blick auf die Lebenssituationen und Produktionsbedingungen der Kultur-, Kreativ- und Medienbranche. "Ich lasse Sie nicht im Stich", sichert Monika Grütters zu. Auch der Bayerische Musikrat begrüßt den Vorstoß von Kulturstaatsministerin, den Rettungsschirm für angeschlagene Unternehmen auch auf Kulturbetriebe auszuweiten. Hierzu habe sie "selbstverständlich unsere Unterstützung", sagte der BRM-Präsident Thomas Goppel am Donnerstag: "Da muss man einfach einen ordentlichen Weg finden, wie man Geld verteilt."

Kultur ist nicht ein Luxus, den man sich in guten Zeiten gönnt.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters

Auf der nächsten Sitzung des Kulturausschusses im Bundestag am 25. März soll über umfangreiche Hilfspakete beraten werden. Ausschussvorsitzende Katrin Budde sagte: "Es gibt keine Blaupause für eine solche Situation, keinen Notfallplan." Der kulturpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Erhard Grundl, forderte "Kompensationen, Darlehen und Mikrokredite für Ausfälle." Dafür solle sofort ein Notfallfonds eingerichtet werden.

Für Publikum: garantierte Ticket-Stornierung

Innerhalb der kommenden Wochen werden in Bayern zahlreiche Veranstaltungen ausfallen. Für den Verbraucher gilt: Wer bereits ein Ticket gekauft hat, erhält sein Geld zurück. Die staatlichen Theater in Augsburg, Nürnberg, Regensburg und München garantieren eine Stornierung, die Kosten werden automatisch zurücküberwiesen. Anonyme Käufer müssen sich allerdings aktiv an den Veranstalter wenden und eine Rückerstattung einfordern. Das kann entweder telefonisch oder auf schriftlichem Weg geschehen.

Rückerstattet werden muss das Ticket auch, wenn das Event verschoben wird. Hat ein Besucher zum neuen Termin keine Zeit, kann er die Karte zurückgeben und den Eintrittspreis zuzüglich eventueller Vorverkaufsgebühren zurückverlangen. Auch bei Dauerkarten ist es möglich, den Preis der einzelnen Veranstaltung zu ermitteln. Laut Verbraucherzentrale Bayern können Besitzer von Dauerkarten den anteiligen Preis für die abgesagte Veranstaltung zurückfordern, selbst wenn es in den AGB anders steht.

Geistervorstellungen im Live-Stream

Nach der Absage aller Opern- und Theateraufführungen sowie Konzerte in staatlichen Häusern hat der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter entschieden, dass dies auch für alle städtischen Häuser wie etwa die Philharmonie, das Deutsche Theater, die Kammerspiele und das Volkstheater gelten soll. Einzelne Vorstellungen finden dennoch statt, allerdings ohne Publikum. Die sogenannten "Geisterspiele" – bis jetzt vor allem aus dem Fußballstadion bekannt – gibt es dann auch auf der Opernbühne. Die Bayerische Staatsoper stellt einzelne Vorstellungen als Live-Stream oder als Video-on-Demand zur Verfügung. Auch in Regensburg fand am Samstag die Uraufführung der Musiktheaterperformance "M' Orpheo" nach Motiven von Claudio Monteverdi ohne Publikum statt – zu der allerdings Medienvertreter eingeladen waren.

Einige kleine Bühnen wollen "weitermachen"

Private Veranstalter entscheiden weiterhin selbst, ob sie Veranstaltungen absagen oder nicht. Einige kleinere Bühnen werden weiterhin bespielt. Das Robert-Koch-Institut hat eine Liste von Risikofaktoren veröffentlich, um eine Einschätzung der Situation in solchen Fällen zu erleichtern. Falls Veranstaltungen stattfinden, empfiehlt das RKI eine Liste an Maßnahmen, um das Risiko einer Übertragung zu verringern.

Offener Brief an Münchens Oberbürgermeister

Vielerorts herrscht Verunsicherung, sowohl unter den Veranstaltern und Künstlern, als auch bei Besuchern, welche Veranstaltungen zukünftig noch stattfinden dürfen. In einem offenen Brief an Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter bittet David Süß, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Münchener Kulturveranstalter, dringend um Klarstellung durch das Kreisverwaltungsreferat. Der Verband mit aktuell über 70 Mitgliedern aus allen Bereichen des Kulturlebens in und um München vertritt Clubs, Konzertveranstalter von der Klassik bis Rock und Pop, sowie Großveranstalter und Hallenbetreiber. Der Verband bittet Reiter außerdem, sich dafür einzusetzen, dass die Veranstalter (egal ob privat, städtisch bezuschusst oder städtisch) schnell und unbürokratisch Unterstützung erhalten.

Mehr Informationen zum Coronavirus finden Sie im Live-Ticker von BR24.

Sendung: Leporello am 11. März 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

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