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Purcells "Dido and Aeneas" an der Bayerischen Staatsoper "When I am laid in earth" - die fünf besten Versionen des Evergreens

Henry Purcell gilt in England als eine Art Vater der Musik. 1659 kam er zur Welt, zwischen Juni und November, man weiß nicht genau wann. Jedenfalls starb er am 21.November 1695. Der Mann wurde 36 Jahre alt - wie Mozart. Purcell ist berühmt für seine Schauspielmusik, die wir heute in Form von Suiten kennen und schätzen. Während von Opern (im Plural) bei Purcell keine Rede sein kann: Nur eine einzige hat er geschrieben, "Dido and Aeneas". Ihr großer Hit - "When I am laid in earth" - ist eines der bewegendsten Lamenti der Musikgeschichte.

Dido und Aeneas - Gemälde von Pierre Narcisse Guerin (1774-1833) | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Der Librettist Purcells hat für dieses Meisterwerk ein berühmtes Versepos ausgewertet und verarbeitet - die "Aeneis" von Vergil. Die Vertonung Purcells ist ungewöhnlich knapp ausgefallen: gerade mal eine Stunde dauert "Dido and Aeneas". Das hängt vielleicht damit zusammen, dass die Oper für einen schulischen Rahmen konzipiert wurde.

Stoff aus der Antike

Es geht um die amouröse Begegnung zwischen dem trojanischen Prinzen Aeneas und der karthagischen Königin Dido, in mythischer Zeit. Am Ende erliegt Aeneas einer bösartigen List von Hexen: Er soll Karthago verlassen, kaum, dass er dort eingetroffen ist - angeblich auf Befehl Jupiters. Und da sich Aeneas den Göttern unterstellt fühlt und tatsächlich umgehend abreist, bleibt für Dido nur ein tiefer Abschiedsschmerz. An gebrochenem Herzen stirbt sie. Und damit endet die Oper.

Ihr großer Hit "When I am laid in earth" ist eines der bewegendsten Lamenti der Musikgeschichte. Henry Purcell schlägt dafür einen ebenso innigen wie würdevollen Ton an. Eindringlich vor allem wegen der Stimmführung, wegen des chromatisch absteigenden Quartgangs im Bass. Das ist von bezwingender Wirkung. Die Arie gilt als Paradestück für Sängerinnen, die an der stimmlichen Gestaltung von Liebesleid Gefallen finden.

Janet Baker

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Janet Baker - Dido & Aeneas - When I am laid in earth | Bildquelle: Gabba02 (via YouTube)

Janet Baker - Dido & Aeneas - When I am laid in earth

Es gibt sie – Musikstücke, bei denen die Zeit stehen zu bleiben scheint. Bei denen der Hochgeschwindigkeitszug, der uns alle durchs Leben befördert, ein rotes Signal gezeigt bekommt und anhält. Die Schwarzweiß-Aufnahme einer englischen Bühnenproduktion ist in diesem Zusammenhang atemberaubend. Vorne sieht man als "running order" die eingeblendete Zeit bis hin zu Zehntelsekunden verrinnen, hinten agiert die wunderbare Altistin Janet Baker, die sich bereitwillig von den extrem langsamen Tempi des Dirigenten tragen lässt. Die Sängerin verdient Bestnoten - durch die Intensität ihrer klugen Textgestaltung, durch ihre Phrasierungskunst, durch die herzbewegende Wärme ihres Stimmtimbres. Wir haben es mit einer szenischen Produktion des Jahres 1966 beim Opera Festival Glyndebourne zu tun. Sollte jemand nach der Idealbesetzung für Dido fragen – hier ist sie.

Patricia Petibon

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Patricia Petibon - Purcell: 'When I am laid in earth' from Dido and Aeneas (Official Video) | Bildquelle: Deutsche Grammophon - DG (via YouTube)

Patricia Petibon - Purcell: 'When I am laid in earth' from Dido and Aeneas (Official Video)

Auch und gerade die Oper des Barockzeitalters findet dort ganz zu sich selbst, wo sie ihren Handlungsgang entschleunigt. Das vermittelt auch die junge französische Koloratursopranistin Patricia Petibon. Vor dem Spiegel in einer sterilen Künstlergarderobe verwandelt sie sich in Dido, die trauernde karthagische Königin. Mal bewegen sich die Lippen zum Gesang, mal bleiben sie regungslos. Aber der Gesang ist in jedem Moment ausdrucksvoll. Sicher schmunzelt mancher deshalb, weil Maske und Kostüm hier sehr effektbewusst gewählt sind. Am Ende wird ein Tod auf der Chaiselongue angedeutet.

Emma Kirkby

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Purcell -〈Dido and Aeneas〉"When I am laid in earth" / Emma Kirkby | Bildquelle: protestant7 (via YouTube)

Purcell -〈Dido and Aeneas〉"When I am laid in earth" / Emma Kirkby

Am Ende des Jahreszeitenkreislaufs steht der Herbst. Zum Lamento einer gewissermaßen verwelkenden Frau fotografische Impressionen einer farbigen Herbstlandschaft zu zeigen, ist also nicht abwegig. Hier bleibt Dido als Figur unsichtbar, im Off. Ganz ähnlich wie in einem anderen, mit Gemälden und Inszenierungsfotos gestalteten Youtube-Video derselben Barockspezialistin: Emma Kirkby. Der für die britische Sopranistin typisch schnörkellose Gesangsstil, der auf jegliches Vibrato weitgehend verzichtet, transportiert latent eine infantile, hilfsbedürftige Aura. Das hat bei dieser Musik etwas Anrührendes.

Joyce DiDonato

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The Best version of 'When i am laid in earth'  -Dido's lament (Purcell) - HD | Bildquelle: Timeless Musica (via YouTube)

The Best version of 'When i am laid in earth' -Dido's lament (Purcell) - HD

Wer eine kräftige Prise Star-Glamour, den Anblick einer schulterfreien Abendrobe selbst bei Klagelauten wie in "When I am laid in earth" zu schätzen weiß, liegt richtig bei einem Live-Konzert von 2017 aus Hamburg. Der Veranstaltungsrahmen ist eine Echo-Preis-Gala, und doch: Persönliche Betroffenheit, ja sogar Ergriffenheit ist der US-amerikanischen Mezzosopranistin Joyce DiDonato auch bei dieser Gelegenheit anzumerken. Zugleich ein kleiner Werbefilm für den architektonischen Reiz der damals neu eröffneten Elbphilharmonie - durch spektakuläre Kamerafahrten.

Christina Landshamer

Christina Landshamer | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk 2023

Bildquelle: Bayerischer Rundfunk 2023

Christina Landshamer

Henry Purcell: "When I am laid in earth"

Von eigenartig bedrückender Wirkung ist ein Konzertmitschnitt aus dem Herkulessaal der Münchner Residenz, weil er unsere globale Situation 2020 auf dem Höhepunkt der Corona-Zeit dokumentiert. Das Publikum sitzt mit Sicherheitsabständen, viele Plätze bleiben leer. Schwingungen Pandemie-bedingter Ängste, die den Raum als Ort bewährter Kunstausübung erreichen und noch viel trister und melancholischer erscheinen lassen als sonst, spiegeln in gewisser Weise die psychische Verfassung von Dido während ihres Abschieds. Dabei mutet der Vortrag ganz schlicht und bodenständig an: durch die Münchner Sopranistin Christina Landshamer.

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