"Downton Abbey" ist eine der erfolgreichsten Serien des Streamingzeitalters überhaupt. Ihre Fans finden, dass schon der Soundtrack ein Genre für sich ist. BR-KLASSIK stellt die Lieblingsmusiken von Komponist John Lunn und seinem Orchestrator Alastair King vor. Und geht der Frage nach, was den typischen Sound der Serie ausmacht und warum die Musik aus Sicht des Komponisten mehr mit Coldplay zu tun hat als mit Edward Elgar.
Bildquelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Universal Pictures
Es waren bereits einige Folgen von "Downton Abbey" gedreht, als John Lunn als Komponist dafür engagiert wurde. Zwar wusste er noch nicht allzu viel vom Inhalt der Serie, die von einer englischen Adelsfamilie in den Umbruchszeiten des frühen 20. Jahrhunderts erzählt. Aber als er die ersten fertiggeschnittenen zehn Minuten der Serie sah, in der die Titanic untergeht und die Kutsche zum ersten Mal nach Downton rollt, war er schon begeistert, wie er im BR-KLASSIK-Interview sagt: "Das war fantastisch, die ersten zehn Minuten gibt es keine Dialoge, also war klar: die Musik muss alles erzählen."
Ich wusste sofort, dass die Musik eine tragende Rolle in der Serie spielen wird.
Das Rollen der Kutschenräder wird hörbar, die Auf- und Umbruchsstimmung der Zeit. Und, essenziell für eine Serienmusik, die Musik sorgt für das "Branding" der Serie, wie John Lunn sagt, das Titelthema muss einen Wiedererkennungswert haben, um eine Marke zu etablieren und um Aushängeschild, Werbung der Serie zu sein.
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Downton Abbey OST - 01. Downton Abbey Suite
Orchestrator und nach eigener Aussage "second brain" (zweites Gehirn) von John Lunn, Alastair King hat im BR-KLASSIK-Interview eine weitere wichtige Funktion der Serienmusik und einen zentralen Unterschied zu Musik für einen Spielfilm erklärt. Im Gegensatz zum Spielfilm, der vielleicht ein oder zwei Fortsetzungen hat, gibt es in einer Serie mindestens fünf weitere Episoden (oder wie bei "Downton Abbey" sechs Staffeln und aktuell zwei Kinofilme). Die Themen müssen sich also variieren lassen können. Und so gesehen, erklärt Alastair King, "ist es interessanter für Serien zu schreiben, weil man mehr Chancen hat, mit den Themen zu spielen, je nachdem wie die Handlung und die Charaktere sich weiterentwickeln und verändern". Dementsprechend klingt eine Variation des Hauptthemas später zum Beispiel so:
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Downton Abbey - Did I Make The Most of Loving You? (Mary-Jess)
Nicht unbedingt jeder Charakter aus "Downton Abbey" hat ein Leitmotiv, vielmehr - so John Lunn - sind es die Beziehungen zwischen den Charakteren und deren Veränderungen, die hörbar sein sollen. Und da ist in "Downton Abbey" natürlich einiges los.
Die musikalischen Themen in der Serie brauchen Beine, damit sie sich weiterbewegen können.
Das Münchner Rundfunkorchester spielt "Royal Sounds" unter Leitung von Alastair King live Musik aus "Downton Abbey", mit Fans und Orchester im 20er-Jahre Outfits und am Klavier: John Lunn. Der schottische Komponist ist auch im Interview dabei. Außerdem zu Gast: Sängerin Alma Naidu und Streamerin Rebecca "JustBecci" Raschun. Wie Moderatorin Annekatrin Hentschel ist JustBecci großer "Downton Abbey"-Fan. Die beiden unterhalten sich über die Charaktere, die Mode und die Musik der Serie.
Hier können Sie das Konzert in der ARD Mediathek sehen.
Für viele Fans ist die "Downton Abbey"-Musik eigentlich ein eigenes Genre und wird gemeinhin als klassisch wahrgenommen. Tatsächlich hat John Lunn zu Beginn der Arbeit auch viel britische Musik aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, etwa Kompositionen von Frederick Delius, Edward Elgar und Ralph Vaughan Williams gehört. Doch dann hatte er eine Erkenntnis: "So sehr ich diese Musik liebe und so sehr sie England repräsentiert, es ist nicht meine Aufgabe, den Eindruck zu erwecken, man befände sich 1912 in England. In der Musik geht es viel mehr darum, was in den Köpfen und Herzen der Menschen vor sich geht. Und die Musik dieser Zeit ist einfach zu überladen und zu kompliziert für eine Filmmusik." Also suchte er nach einem moderneren und emotionaleren Ansatz. Und als er im Laufe der Jahre gebeten wurde, seine Musik, allen voran die Titelmelodie zu analysieren, wurde ihm klar, "dass sie, obwohl sie den Anschein von klassischer Musik erweckt, eigentlich viel mehr wie ein Popsong klingt. Die Harmonien erinnern an Coldplay. Eine Art von Popmusik, aber für ein klassisches Publikum." Und so hat er im Konzert mit dem Münchner Rundfunkorchester bisweilen auch beherzt rhythmisch und akzentuiert in die Tasten gegriffen.
Komponist John Lunn | Bildquelle: picture alliance/AP Images | Evan Agostini
John Lunn, der klassische Musik und Komposition studiert hat, aber jahrelang in Bands gespielt hat, schafft diesen Spagat mit Leichtigkeit und Virtuosität. Zum Beispiel in Alastair Kings erklärtem Lieblingsstück aus dem Soundtrack "Two Sisters". "Es gibt wenig Musik, die körperliche Reaktionen bei mir auslöst, aber bei Two Sisters läuft mir regelmäßig der Schauer über den Rücken", gesteht Alastair King im BR-KLASSIK-Interview, "dabei sind die musikalischen Mittel so simpel".
Fans können meistens das Titelthema ihrer Lieblingsserie singen – und, so John Lunn, "sie merken meistens gar nicht, wie viel Musik sonst noch in der Serie vorkommt." Und genau dann, weiß Lunn, hat er seinen Job richtig gemacht. "Wenn die Musik sich so bruchlos in das Drama einfügt, so zum Bestandteil wird, dass sie überhaupt keine Aufmerksamkeit auf sich zieht, dann ist es perfekt."
Ich versuche nicht, brillante Musik zu schreiben, sondern Musik für die Bilder.
Musik für 52 Episoden und zwei Spielfilme hat John Lunn für "Downton Abbey" komponiert, über einen Zeitraum von 12 Jahren. Sein persönliches Lieblingsstück aus dieser umfangreichen Arbeit ist aus dem zweiten Spielfilm. Da stirbt am Ende Violet Crawley, gespielt von Maggie Smith. Und obwohl Lunn unter großem Druck stand, dafür Musik zu finden, kam ihm die Idee erstaunlich schnell. Was Dramatisches musste her. "Diese Musik", findet Lunn, "klingt eigentlich ein bisschen deutsch, so ein bisschen nach Mahler".
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Cortege
Autorin des Artikels: Antonia Goldhammer
Sendung: "Allegro" am 20. Juni 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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