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Sparzwang an der English National Opera Musikdirektor tritt von Amt zurück

Ohne Geld keine Kunst. Nachdem der Arts Council die öffentlichen Subventionen für die English National Opera gekürzt hat, steht das renommierte Opernhaus vor extremem Sparzwang. Musikdirektor Mark Wigglesworth legte nun aus Protest sein Amt nieder.

Mark Wigglesworth | Bildquelle: Benjamin Ealovega

Bildquelle: Benjamin Ealovega

Nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt verlässt Musikdirektor Mark Wigglesworth die English National Opera wieder. Wie die English National Opera, kurz ENO, am Dienstag bekanntgab, fühle er sich nicht in der Lage, weiterhin als Musikdirektor an dem renommierten Haus zu arbeiten. Alle Bemühungen vom Rat und Management, ihn zum Bleiben zu überreden, waren erfolglos.

Das Herzstück des Betriebs zu beschneiden, würde diesen unwiederbringlich zerstören.
Mark Wigglesworth, Musikdirektor

Gehaltskürzungen und Entlassungen beim Chor

Erst vor wenigen Tage hatte der Betrieb neue Tarifvereinbarungen mit dem Chor getroffen, die neben Gehaltskürzungen und Entlassungen auch Neun-Monats-Verträge vorsehen. Diese sind angelehnt an den Plan, die Vorstellungssaison am Haus zu verkürzen. Nach den drastischen Einschnitten bei der Subvention durch das englische Arts Council sollte das Gehalt der knapp 50 Chormitglieder um rund ein Viertel sinken. Das Management verhandelte mit der Gewerkschaft der Bühnenkünstler, und letztlich einigte man sich auf die Reduzierung von jährlich 40.900 auf 35.000 Britische Pfund. Die Neuregelung tritt ab August 2017 in Kraft. Bereits in diesem Sommer aber soll die Zahl der Chormitglieder von 44 auf 40 reduziert werden. Im Gegenzug zur verringerten Bezahlung während der neunmonatigen Opernsaison will die English National Opera ihren Chormitgliedern während der Sommermonate zusätzliche Auftrittsmöglichkeiten verschaffen.

Mark Wigglesworth hält diese Sparmaßnahmen für nicht tragbar. Erst vergangenen Monat schrieb er, dass sich die Identität der Oper als Team auf ihre Vergangenheit stütze. Das sei auch ihr größtes Kapital, auch wenn es darum gehe, ihre Zukunft zu sichern. "Das Herzstück des Betriebs zu beschneiden, der sowohl Musiker als auch Techniker umfasst, würde diesen unwiederbringlich zerstören", so Wigglesworth. Nun hört der Dirigent als Musikdirektor des Hauses zum Ende der laufenden Saison auf. Anfang Juni wird er noch eine Produktion von Janáceks "Jenufa" dirigieren. Und auch in der nächsten Saison soll Wigglesworth als Gastdirigent zwei Opern an der English National Opera leiten.

Neues Geschäftsmodell?

Das Coliseum, in dem die ENO residiert, ist mit 2.350 Plätzen das größte Theater in London. Was die Finanzierung der English National Opera betrifft, hat der Arts Council, der die öffentlichen Gelder verteilt, die Zuschüsse so drastisch reduziert, dass die ENO fünf Millionen Pfund verlor, ein Drittel ihrer Finanzierung. Langfristig droht dem Haus die Schließung. Finanzielle Probleme hatte die ENO schon seit Jahren. Querelen sorgten dafür, dass im vergangenen Jahr fast die gesamte Führungsriege ging. Im Moment wird das Haus von der Geschäftsführerin Cressida Pollock geleitet, einer Unternehmensberaterin, die im März 2015 engagiert wurde. Sie plant ein neues Geschäftsmodell, das auch mit geringeren öffentlichen Förderungen auskommt. Sie will beispielsweise auf Werke mit breiterer Anziehungeskraft setzen, wie Andrew Lloyd Webbers Musical "Sunset Boulevard".

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