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Folkert Uhdes letzte ION "Momente, die in Erinnerung bleiben"

Am 6. Juni begann die 67. Internationale Orgelwoche Nürnberg. Für den künstlerischen Leiter Folkert Uhde ist es seine letzte Saison. Im BR-KLASSIK-Interview verrät der Konzertdesigner, ob er in den sechs Jahren Musica Sacra seine Ziele erreichen konnte und was er von Nürnberg gelernt hat.

Kulturmanager und Konzertdesigner Folkert Uhde | Bildquelle: picture alliance / dpa / Jim Rakete

Bildquelle: picture alliance / dpa / Jim Rakete

Das Interview zum Anhören

BR-KLASSIK: Was nehmen Sie von Ihrer Zeit in Nürnberg mit?

Folkert Uhde: Ich weiß, dass ich wirklich sehr viele sehr schöne und beeindruckende Konzerterlebnisse mitnehmen werde. Weil es in Nürnberg eben diese großartigen Kirchenräume gibt, wie man sie sonst nur ganz selten findet. Und die durfte ich nun sechs Jahre lang bespielen. Wir haben das eine oder andere wirklich außergewöhnliche Projekt realisieren können - unter anderem eine ganz tolle Johannes-Passion mit dem Bayerischen Rundfunk, auch fürs Fernsehen produziert. Da gibt es viele Momente, die mir in Erinnerung bleiben werden.

Meine Konzepte sind auf offene Ohren und offene Herzen gestoßen.
Folkert Uhde über seine Arbeit bei der ION

BR-KLASSIK: Als Sie bei der ION anfingen, hatten Sie sicherlich verschiedene Konzepte, Ziele gehabt. Hat die Zeit gereicht, diese Ziele auch umzusetzen?

Konzertdesigner Folkert Uhde blickt durch eines seiner Kirchenmodelle | Bildquelle: © Anne Hornemann Folkert Uhde | Bildquelle: © Anne Hornemann Folkert Uhde: Wie das immer so ist mit den Konzepten, die man sich ausdenkt: Es kommt dann manchmal doch anders, weil die Praxis dazwischenfunkt. Man muss die Stadt ja auch erst mal kennenlernen. Am Anfang haben viele gesagt: "Warte mal ab, du mit deinen neuen Ideen - das kannst du mit deinen Leuten in Berlin machen, das geht doch in Nürnberg nicht." Dieses ganze Gerede... Und das hat sich als absolut falsch herausgestellt. Meine Konzepte sind auf offene Ohren und offene Herzen gestoßen. Und wir haben insgesamt eine Verjüngung erreichen können, nicht nur beim Publikum, sondern auch bei den Geldgebern, was natürlich auch sehr wichtig ist.

BR-KLASSIK: Was braucht es noch als Voraussetzung dafür, dass die Projekte klappen? Auch eine Offenheit bei Ihnen für die Menschen in Nürnberg?

Folkert Uhde: Man muss natürlich immer für seine eigenen Ideen werben und auf die Akteurinnen und Akteure zugehen, die es in der Stadt schon gibt. Das habe ich gleich am Anfang gemacht. Ich habe mit den lokalen Kirchenmusikerinnen und -musikern zusammengearbeitet und sie miteinbezogen. Sie waren anfangs ganz überrascht, weil das vor mir noch keiner gemacht hat. Dies nur als ein kleines Beispiel. Es gehört also Offenheit auf beiden Seiten dazu. Und ich muss sagen, ich bin immer voll unterstützt worden auf dem Weg, den ich da gegangen bin. Das war wirklich sehr schön.

BR-KLASSIK: Was haben Sie von der ION und von Nürnberg gelernt?

Folkert Uhde: Das hat eigentlich gar nichts mit der Musik und auch nicht direkt mit meiner Arbeit zu tun. Mir wurde dort in Erinnerung gerufen, wie unterschiedlich die Zeitläufte sein können. In Nürnberg kann man das ganz exemplarisch sehen. Nürnberg war ja früher, um 1500, zu Dürers Zeiten, eine Welt-Großstadt. Es wurde gesagt: Nürnberg ist das Auge und Ohr Deutschlands. Da kam alles zusammen: die tollsten Künstler, die tollsten Handwerker. Nürnberger Kaufleute haben schon Anfang des 16. Jahrhunderts bis nach Kuba hin Handelstationen unterhalten. Und dann wurde eine politische und religiöse Entscheidung getroffen, nämlich dem Protestantismus beizutreten - und Nürnberg verlor seine Bedeutung. Im 19. Jahrhundert gab es wieder eine Hochzeit - mit der Industrialisierung, mit der ersten Eisenbahn und so weiter. Und dann kam irgendwann der Zweite Weltkrieg, und von Nürnberg war nichts mehr übrig. Die Stadt war zu 95 Prozent zerstört. Die Geschichte finde ich wirklich sehr exemplarisch und sehr lehrreich.

Das wichtigste ist, dass das Konzerterlebnis so intensiv und so stark wie möglich ist.
Folkert Uhde

BR-KLASSIK: Die ION ist ein großes Festival der geistlichen Musik mit vielen Aspekten: mit dem Orgelwettbewerb, mit Reflexionen, mit Andachten. Auf welchem Stand befindet sich die Sakralmusik Ihrer Wahrnehmung nach heute?

Folkert Uhde: Die absoluten Zahlen sagen auf jeden Fall: Die Kirchenmusik hat es schwer. Kirchenmusikstellen werden abgebaut, der ganze Nachwuchsbereich hat es schwer. Auf der anderen Seite gibt es sehr viele Konzertveranstaltungen. Auch die großen Philharmonien in Deutschland veranstalten sehr viel "geistliche" Musik, also große Oratorien: Bach, Händel, Mendelssohn, die großen Klassiker. Auch da kann man sich natürlich fragen: Hat es eine andere Wirkung, wenn man die Johannes-Passion in der Berliner Philharmonie hört - oder vielleicht in der Lorenzkirche in Nürnberg?

BR-KLASSIK: Glauben Sie, dass die Dinge näher zusammenhängen, als man vielleicht aufgrund dieser doch eher trennenden Begriffe wie "Sakralmusik" und "weltliche Musik" meinen könnte?

Ich finde, man sollte die Deutung den Zuhörern überlassen. Wir versuchen einfach, Räume zu kreieren für ein sehr intensives Musik-Erleben, wo vielleicht noch andere Dinge passieren können. Aber das kann nur jeder für sich entscheiden, ob er wegen der Musik, wegen des geistlichen Inhaltes oder vielleicht wegen beidem zu den Konzerten kommt. Das wichtigste ist, dass das Konzerterlebnis selbst so intensiv und so stark wie möglich ist. Und dafür tun wir alles.

Sendung: "Leporello" am 5. Juni 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Zum Festival

Die 67. Internationale Orgelwoche Nürnberg Musica Sacra beginnt am 6. Juni und geht bis zum 17. Juni 2018.
Infos zu Programm und Vorverkauf gibt es auf der Homepage des Festivals.

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