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Geiger Hellmut Stern gestorben "Ich habe mich immer als Deutscher gefühlt"

Daniel Barenboim bewunderte seine "Mischung aus israelischer Chuzpe und Berliner Schnauze". Hellmut Stern war es, der die Berliner Philharmoniker erstmals nach Israel führte. Im Alter besuchte er hunderte von Schulklassen, um über Faschismus und NS-Zeit aufzuklären. Nun ist der deutsch-jüdische Geiger im Alter von 91 Jahren gestorben.

Geiger Hellmut Stern | Bildquelle: © BR

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Er war ein echter Berliner: 1928 ist Hellmut Stern als Sohn jüdischer Musiker in Friedenau geboren. Er besuchte die jüdische Schule, wobei das Judentum dabei gar keine Rolle gespielt habe, wie sich der Geiger später erinnerte. "Wir waren wirklich Deutsche. Ich kann mich auch nicht entsinnen, jemals anders gedacht zu haben. Und selbst in der Zeit des Exils, als ich doch schon erwachsen war, habe ich mich trotzdem immer als Deutscher gefühlt."

Flucht vor dem NS-Regime

Nach der Pogromnacht 1938 verließen Hellmut Sterns Eltern mit ihrem einzigen Kind Deutschland und gingen zunächst nach China. Im chinesischen Harbin geigte Hellmut auf Marktplätzen, um ein bisschen Geld zu verdienen, bis irgendwann nach dem Krieg die Ausreise nach Israel möglich wurde. Dort traf der junge Geiger auf seinen berühmten Namensvetter Isaac Stern, der ihm zum Engagement beim Israel Philharmonic Orchestra in Tel Aviv verhalf. In dieser Zeit lernte Hellmut Stern auch Daniel Barenboim kennen. Für Barenboim war Stern immer ein Musiker, dessen Haltung eine deutsch-jüdische im besten Sinne war: "Respekt für Kultur, Respekt für das Denken, Respekt für den Geist – ich glaube, das ist es, was Hellmut Stern als das betrachtet hat, was Deutsche und Juden gemeinsam haben."

Wir sahen viele Taschentücher während der Konzerte.
Hellmut Stern über die erste Israel-Tournee der Berliner Philharmoniker

1961 kehrte Hellmut Stern nach Berlin zurück und bekam eine Stelle bei den Berliner Philharmonikern. Er wurde auch Orchestervorstand, ein kämpferischer, der Herbert von Karajan achtete, ihm aber auch Paroli bot, wo es notwendig schien. Sterns Traum war immer, das Orchester einmal nach Israel zu führen. Unter dem ehemaligen NSDAP-Parteimitglied Herbert von Karajan war dies allerdings unmöglich. Dann starb Karajan, und 1990 ging Sterns Traum in Erfüllung. "Wir hatten eine wunderbare Zeit dort, und wir sahen viele Taschentücher während der Konzerte", erinnerte sich Hellmut Stern nach der Tournee der Berliner Philharmonikern, die unter dem Dirigat von Daniel Barenboim ein großer Erfolg wurde.

Verdienstorden und Tätigkeit als Zeitzeuge

1993 wurde Hellmut Stern von Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Nach seiner aktiven Zeit als Musiker besuchte er hunderte von Schulklassen, um über Faschismus und Diktatur aufzuklären. Sich selbst bezeichnete er gern als "Berufszeitzeugen".

Am 21. März 2020 ist Hellmuth Stern in seiner Heimatstadt Berlin gestorben. Mit ihm ist einer der letzten Repräsentanten einer deutsch-jüdischen Kultur gegangen, die so nie wiederkehren kann.

Sendung: Allegro am 23. März 2020 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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