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Mozarts "Idomeneo" in Würzburg Unaufgeregt, aber intensiv

Im Rahmen des Mozartfests Würzburg präsentiert das Mainfranken Theater eine Inszenierung von Mozarts "Idomeneo". Regisseur Stefan Suschke verzichtet auf platte Aktualisierungsversuche und interpretiert das Werk aus dem Geist der bürgerlichen Aufklärung. Ein Opernabend, der lange nachwirkt, findet BR-KLASSIK Kritiker Bernhard Doppler.

Szenenbilder aus Mozarts "Idomeneo" am Mainfranken Theater Würzburg | Bildquelle: © Falk von Traubenberg

Bildquelle: © Falk von Traubenberg

Kritik: Mozarts "Idomeneo" in Würzburg

Unaufgeregt, aber intensiv

Die Bühne: eine Versuchsanordnung. Momme Röhrbein hat einen Raum aus hellen Sperrholzplatten gebaut, einige Lichtspalten als Fenster und in der Mitte 25 Stühle, manchmal umgekippt, manchmal mit Tüchern verhüllt, gelegentlich auch aneinander gereiht. Unter den Stühlen steht unauffällig ein Thron. Davor, im Boden eingelassen, ein Gitter, aus dem manchmal Rauch emporsteigt. Rauch für ein Opfer? Doch zunächst bestimmt das tobende Meer das Bild. Auf dem Meer treibende Krieger werden während der Ouvertüre auf den Vorhang projiziert.

Gefühle von abgründiger Tiefe

Wie die meisten Stoffe des trojanischen Sagenkreises ist "Idomeneo" eine Heimkehrer-Geschichte. Für seine Rettung aus dem Meeressturm hat Idomeneo, König von Kreta, dem Meeresgott Neptun versprochen, den ersten Menschen, der ihm begegnet, zu opfern. Dies ist ausgerechnet sein geliebter Sohn Idamante. Das allgegenwärtige Meer bildet eine Metapher für die Wogen widerstreitender Gefühle: ein Sich-Schuldig-Fühlen und Sich-Opfern-Müssen, der fast unlösbare emotionale Konflikt zwischen Vater und Sohn und nicht zuletzt die tiefe Liebe zur Feindin, zur Trojanerin Ilia. Es handelt sich - und das zeigt die Würzburger Aufführung einleuchtend - um zur Entstehungszeit der Oper neu entdeckte Ideale: Der Geist bürgerlicher Aufklärung und der Empfindsamkeit präsentiert sich in mythologisch höfischem Gewand.
Die Kernkonflikte zeichnet das Philharmonische Orchester unter Enrico Calesso musikalisch transparent nach und erreicht auf diese Weise eine geradezu abgründige, berührende Tiefe.

Bilder von der Inszenierung

Donnernde Eifersuchtskoloraturen

Als Idomeneo, mit der blutigen Opferaxt als Zepter, agiert kräftig, klar und füllig der Tenor Clay Hilley. Scheu, weiblich zart hingegen präsentiert sich der Sohn, gesungen von der Mezzosopranistin Barbara Schöller. In weichen Lyrismen berührt die Sopranistin Silke Evers als trojanische Gefangene Ilia. Und zuletzt vermag auch Karen Leiber als Elektra außerordentlich zu beeindrucken. Kurz vor dem Finale donnert sie gewaltig ihre Eifersuchtskoloraturen wie eine Königin der Nacht. In Würzburg immer mit einem Koffer unterwegs, begleitet von drei dunklen Erinnyien, unterstreicht sie, als Fremde aus Argos, die familiäre Grundsituation.

Ohne billige Aktualisierungen

Das Ballett spielt in Mozarts an der an die "Tragédie lyrique" angelehnten Oper eigentlich eine zentrale Rolle, doch in Würzburg verzichtet man darauf völlig. Im Mittelpunkt steht ausschließlich die Entwicklung der inneren Konflikte der Personen, die in bescheidenen Alltagskostümen von Angelika Rieck auftreten, bisweilen mit blutigen Zeichen von Katastrophe und Krieg befleckt. Doch so sehr sich die Inszenierung Stefan Suschkes zurückzunehmen scheint und vor allem auf billige Aktualisierungen verzichtet, so erreicht sie doch, etwa wenn vor der Pause das Ungeheuer aus dem Meer steigt, auch nachdrückliche spukhafte Effekte.
Unaufgeregt agiert der Chor, geleitet von Michael Clark. In hellen pastellblauen und beigen Gewändern wirkt er fast wie gemalt. Aber er macht in seinen zahlreichen gesungenen Kommentaren doch immer wieder deutlich, dass die Entdeckung bürgerlicher Empfindsamkeit keine private, sondern eine öffentliche Sache ist. Dieser Würzburger "Idomeneo" fordert durchaus Konzentration, wirkt aber dafür lange nach.

Weitere Vorstellungen

Mainfranken Theater Würzburg

Wolfgang Amadeus Mozart: "Idomeneo"

Sonntag, 10. Juli 2016, 15:00 Uhr
Samstag, 16. Juli 2016, 19:30 Uhr

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