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Dirigent Daniel Harding im Interview Mahler wirkt musikalisch sehr modern

Am 9., 10. und 11. Mai sind Daniel Harding und der Geiger Leonidas Kavakos zu Gast beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Auf dem Programm stehen Werke von Berg und Mahler. Genau wie Bergs Violinkonzert erfreut sich auch Mahlers Fünfte mit dem berühmten Adagietto großer Beliebtheit. Warum diese Symphonie so modern wirkt, verrät Daniel Harding im Interview.

Daniel Harding | Bildquelle: Peter Meisel

Bildquelle: Peter Meisel

BR-KLASSIK: Herr Harding, bei Gustav Mahler sind es ja immer Welt-Entwürfe, die er mit seinen Symphonien schafft. Alban Bergs Violinkonzert hat ja auch ein Thema, das quasi bei Mahler sehr prominent im ersten Satz auftaucht - mit dem Trauermarsch. Ist das ein Grund, warum diese beiden Werke zusammen im Programm des Konzerts mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks finden?

Daniel Harding: Berg und Mahler passen sehr oft und sehr gut zusammen. Und das nicht nur, weil sie sich manchmal so ähnlich sind.

Man sagt gerne zu Sachen, von denen man fasziniert ist: Erstaunlich, wie modern das ist.
Daniel Harding

BR-KLASSIK: Würden Sie sagen, dass Mahlers Fünfte mit diesen verschiedenen Themen, die da ja immer wieder auftauchen, eine sehr moderne Komposition ist?

Daniel Harding: Man sagt gerne zu Sachen, von denen man fasziniert ist und die man groß findet: Erstaunlich, wie modern das ist ... Aber Mahlers Musik ist natürlich faszinierend. Immer, wenn man anfängt, sich richtig mit irgendwas zu beschäftigen, dann kann man nicht mehr aufhören. Je mehr man eintaucht, umso mehr merkt man, dass es immer noch mehr zu lernen und zu entdecken gibt. Mahlers Symphonie Nr. 5 ist besonders interessant im Verhältnis zu seiner Geschichte. Es gibt so Echos aus seinem Leben - und das hilft uns als Musiker, eine Geschichte zu erzählen. Ob das richtig ist oder nicht, kann man nie sagen ... Ganz am Schluss weiß man nicht, was es ist: Entweder ist es allerhöchste Freude oder es ist "Notre-Dame" und alles stürzt runter und auf unsere Köpfe. Ob das nun positiv oder negativ ist, kann man nicht sagen.

BR-KLASSIK: Was ich vielleicht auch modern finde, das ist eine gewisse Zerrissenheit. Es bleibt offen, es gibt keinen klaren Standpunkt, oder?

Daniel Harding: Es ist eine Musik mit vielen Fragmenten. Der dritte Satz schafft so eine betrunkene Atmosphäre: Man sitzt um vier Uhr morgens draußen, es spielen ein paar Musiker. Jeder spielt für sich und jeder erzählt seine traurige Geschichte, aber hört dabei dem anderen nicht zu. Und diese Einsamkeit, dieser Abbruch der Kontakte ist auch sehr typisch für Mahler. Und das wirkt dann musikalisch sehr modern. Wir waren immer gewohnt, dass eine Melodie anfängt und zum Ende kommt. Aber das macht Mahler nicht.

BR-KLASSIK: Dann gibt's ja noch dieses Adagietto, dieses berühmte Stück, die Liebeserklärung an Alma Mahler - so hat Wilhelm Mengelberg das überliefert. Ist es dieser Satz, der die ganze Symphonie überhaupt zusammenhält?

Daniel Harding: Es ist der Moment, wo sich alles dreht – und man sieht etwas Licht. Das Adagietto ist der Schlüsselsatz für diese Wende zum Guten oder zum Optimistischen.

Sendung: "Allegro" am Freitag, 10. Mai 2019 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Zum Konzert

9. und 10. Mai 2019, 20:00 Uhr, und 11. Mai 2019, 19:00 Uhr
Philharmonie im Münchner Gasteig

Alban Berg
Konzert für Violine und Orchester "Dem Andenken eines Engels"

Gustav Mahler
Symphonie Nr. 5 cis-Moll

Daniel Harding, Dirigent
Leonidas Kavakos, Violine – Artist in Residence
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Das Konzert am 10. Mai wird live auf BR-KLASSIK übertragen.

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