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BRSO-Manager Nikolaus Pont "Wir bleiben dran!"

Nikolaus Pont ist als Manager des BRSO dafür verantwortlich, dass alles außerhalb der Musik läuft. Ein Blick in die Schaltzentrale des Orchesters verrät, warum schon Mariss Jansons Simon Rattle als seinen Nachfolger ins Spiel brachte und wie das Orchester mit der Unsicherheit ums neue Konzerthaus umgeht.

Nikolaus Pont und Anne Schoenholtz | Bildquelle: Astrid Ackermann

Bildquelle: Astrid Ackermann

BR-KLASSIK: Niko, vor Simon Rattle war Mariss Jansons unser Chefdirigent – und wir hatten natürlich nicht nur einfache Zeiten mit ihm. 16 Jahre war er hier, die letzten Jahre hatte er oft auch mit schwerer Krankheit zu kämpfen und oft gab es kurzfristige Absagen. Wie war das als Manager in dieser Zeit?

Nikolaus Pont: Also zunächst mal kommen bei der Erinnerung an Mariss Jansons wahnsinnig viele Emotionen hoch, weil alle sehr eng und ich persönlich an ihm dran waren und sehr viele Seiten von ihm kennengelernt haben. Er hat sich einfach um sein Orchester und um die Menschen, mit denen er da gearbeitet hat, gekümmert und an sie gedacht. Gleichzeitig hat er auch sehr hohe Ansprüche an sich selbst gestellt und sich selbst unter Druck gesetzt, immer abzuliefern. Und das immer gepaart mit seiner Herzlichkeit, seinem Humor und seinem Lachen. Eben weil er so war, wie er war, war es dann eine sehr schwierige Zeit, als ihm seine Gesundheit mehr und mehr verlorenging. Das war vor allem für uns schwierig zu beobachten, wie schwierig es für ihn ist – so würde ich das eigentlich ganz gern beschreiben. Er hat sich wirklich schwergetan, Schwächen zu zeigen, und zwar nicht, weil er irgendwie eitel war, sondern weil er es als seinen Job und seine Verantwortung betrachtet hat, zu funktionieren: dem Orchester gegenüber, dem Publikum gegenüber und auch dem Management gegenüber. Für uns war die Herausforderung, auf eine menschliche Art und Weise zu begleiten, ihn so sehr zu unterstützen, wie es nur irgendwie möglich ist. Aber diese Selbstdisziplin hat sich fast bis zum letzten Moment bei ihm gezeigt.

Wie sucht man einen Orchesterchef?

BR-KLASSIK: Was ist Deine Rolle als Manager, wenn das BRSO einen neuen Chefdirigenten sucht?

Nikolaus Pont: Bisher hatte ich dieses Erlebnis – das Engagement eines neuen Chefdirigenten – zum ersten und bisher einzigen Mal, und das war eine sehr schöne Erfahrung, weil das Ergebnis ein sehr Erfreuliches ist. Und nebenbei gesagt, hat sich auch Mariss Jansons Simon Rattle als seinen Nachfolger gewünscht. Es ging natürlich darum, Simon Rattle das Signal zu geben, dass er hier herzlich willkommen wäre. Er war damals aber noch gar nicht so lange Chefdirigent beim London Symphony Orchestra und ist ja auch aus Überzeugung in seine Heimat England zurückgegangen, nachdem er lange Jahre in Berlin Chefdirigent war. Daher musste man auch sensibel auf die Sache zugehen. Das war ein Abtasten, ohne sich irgendwie anzubiedern, sondern ihm Chancen, Möglichkeiten und Perspektiven zu geben – und ihm vor allem auch diesen ganz dringlichen Wunsch des Orchesters zu übermitteln, dass er doch Chefdirigent werden möge.  

Schoenholtz – der Orchesterpodcast

Das Gespräch führte die BRSO-Geigerin Anne Schoenholtz mit Manager Nikolaus Pont für ihren Podcast. Alle Folgen gibt es hier zum Nachhören.

Zwei Königskinder zueinander bringen

BR-KLASSIK: Das ist ein wichtiger Punkt, denn wir haben ja wirklich das Glück, als Orchester auch unsere Meinung kundtun zu dürfen. Das heißt, Du warst auch der Überbringer unserer Überzeugung und unserer Wahl. Oder hättest du rein theoretisch auch die Möglichkeit gehabt, nein zu sagen, quasi gegen den Willen des Orchesters?

Nikolaus Pont: Ich glaube, dass es ab einer gewissen Klasse und ab einer gewissen Liga von Orchestern vollkommen absurd wäre, wenn bei der Wahl eines zukünftigen Chefs oder einer Chefdirigentin nicht die Stimme des Orchesters die zentrale Rolle spielt. Theoretisch hätte der Intendant des Bayerischen Rundfunks, von mir in eine gewisse Richtung beeinflusst, eine Entscheidung treffen können. Das wäre formal und juristisch denkbar gewesen, aber natürlich inhaltlich vollkommen kontraproduktiv. Ganz abgesehen davon, dass natürlich nichts dagegen gesprochen hätte, Simon Rattle zu engagieren. Die Liebe zwischen ihm und diesem Orchester ist schon lange Zeit offenbar gewesen und von beiden Seiten ja auch zum Ausdruck gebracht worden. Weniger öffentlich, aber sozusagen intern. Insofern hatte ich schon das Gefühl, das war ein Prozess, wo man zwei Königskinder zueinander bringen musste und sollte.

Die Liebe zwischen Rattle und dem Orchester war schon lange Zeit offenbar.
Nikolaus Pont

Anne Schoenholtz und Nikolaus Pont vom BRSO  | Bildquelle: Astrid Ackermann Anne Schoenholtz und Nikolaus Pont im Gespräch. | Bildquelle: Astrid Ackermann Simon Rattle ist jetzt nicht einfach nur der sechste Chefdirigent dieses Orchesters, weil es irgendwie in seiner Interpretation und mit seinen Repertoireschwerpunkten gut passt, sondern Simon Rattle repräsentiert so vieles als künstlerische Persönlichkeit, was auch dem Orchester so wichtig ist und in den letzten Jahren auch so wichtig geworden ist. Eine Wahl zum Chefdirigenten ist im Jahr 2020 natürlich von anderen Dingen geprägt, als das 2003 oder noch früher der Fall war – was die Relevanz eines Orchesters in der Gesellschaft betrifft oder was mediale Aspekte betrifft. Das Symphonieorchester hat in den letzten 15 Jahren seine Vermittlungsaktivitäten wirklich signifikant aufgebaut. Und zwar deswegen, weil es aus dem Orchester heraus die Überzeugung gibt, dass das wichtig und gut ist und dass das zur Arbeit eines Orchesters dazugehört. Aber auch, weil sie gesellschaftlich gefragt und notwendig ist. Simon Rattle passt in diese Strategie – was und wie hat ein Orchester in unserer Zeit zu sein – natürlich perfekt. Da haben sich ganz viele Dinge getroffen, und ich glaube, er sieht das auch so.

Zukunft des Münchner Konzerthauses

BR-KLASSIK: Als Orchestermanager hast Du natürlich auch politische Aufgaben, Stichwort "Konzerthaus". Das ist vielleicht das gewaltigste Thema, das auch die größte Außenwirkung im Moment hat.

Nikolaus Pont: Das Thema "Konzerthaus" hat natürlich in meinem Joballtag eine große Rolle gespielt und in den letzten Jahren sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Vielleicht sind deswegen auch manch andere Dinge zu kurz gekommen. Aber ich glaube, dass es wichtig war, sich dem Thema zuzuwenden, auch wenn wir nicht unmittelbar vor der Eröffnung eines Konzerthauses stehen, wie wir ja wissen ... Wir sind Teil einer großen Organisation, und der Bayerische Rundfunk ist an sich sozusagen ein Politikum und eine Institution, die politische Relevanz hat. Da gibt es natürlich auch Stimmen, die gewichtiger sind – sei es die Intendantin oder auch jemand aus dem Direktorenkreis. Ich sehe meine Arbeit da auf einer informellen Ebene. Es geht viel um das Übermitteln von Informationen an die verschiedenen Player in dieser Diskussion. Es geht darum, zu erklären, warum es für ein Orchester wichtig ist, ein Zuhause, also einen Konzertsaal, zu haben. Es geht darum, das auch an eine Öffentlichkeit zu übersetzen. Denn nur das nachvollziehbare Bedürfnis eines Orchesters, einen Saal zu haben, ist jetzt vielleicht noch nicht wirklich ausreichend, um politische Überzeugungsarbeit erfolgreich zu machen. Wenn ein Orchester und seine Mitglieder gute Arbeitsbedingungen haben, dann kann ihre Arbeit auch für die Gesellschaft um vieles relevanter werden.

BR-KLASSIK: Ist da wirklich so viel Überzeugungsarbeit zu leisten?

Nikolaus Pont: Ja, ich glaube, da muss man immer wieder erklären und vermitteln. Es gibt bestimmte Aspekte bezüglich der Orchesterarbeit oder der Art und Weise wie ein Orchester organisiert ist. Da muss vieles alles bedacht werden. Da hat man denn einen Blick nicht so. Vermutlich würde Herr Söder mir auch die Frage stellen: Was machen Sie denn eigentlich so? Das ist auch legitim, wenn er das täte. Da kommen wir zu den relevanten Punkten, wo ich dann natürlich die Botschaften oder die aus meiner Sicht relevanten Inhalte zu vermitteln versuche.

Was mich und natürlich uns alle treibt, ist die Überzeugung, dass es sich lohnt, um dieses Projekt zu kämpfen, weil wir nicht nur die eigene Perspektive sehen, sondern auch tatsächlich sehen, was es gesellschaftlich bewirken kann, welches Gewicht und welche Bedeutung es haben kann. Deswegen ist der Wunsch, sich auch mit Entscheidungsträgern darüber näher auszutauschen, einfach so groß auf unserer Seite. Mein Versuch ist es, möglichst viele Botschaften zu schicken. Das betrachte ich als meine Aufgabe.

Wir bleiben dran – das ist das Motto!
Nikolaus Pont

BR-KLASSIK: Wie ist denn derezeit Dein Bauchgefühl? Kommt es oder kommt es nicht – das neue Konzerthaus für München und für Bayern? Und wenn, dann hoffentlich nicht in abgespeckter Version, sondern als mutiges Projekt, so wie es ursprünglich angedacht war, und so, wie es auch wirklich einschlagen würde?

Nikolaus Pont: Mein Bauchgefühl im Zusammenhang mit dem Konzerthaus ist eines, das schon seit Jahren allen möglichen Schwankungen unterzogen war, da wir ja von Anfang an dieses Auf und Ab an diesem Projekt erleben. Insofern würde ich mein Bauchgefühl auch nicht überbewerten wollen. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass am Ende die Sinnhaftigkeit und die Relevanz einer solchen Investition erkannt und gesehen wird. Und daher bleibe ich optimistisch. Wenn Du mich jetzt nach einem Zeitplan fragst und nach einem wahrscheinlichen Eröffnungsdatum – dann wird es schwieriger. Wir hätten es uns natürlich alle schon längst gewünscht oder hätten zumindest gerne, dass es unmittelbar bevorsteht. Aber es hilft ja nicht, sich darüber zu beklagen oder zu jammern. Wir bleiben dran – das ist das Motto!

Sendung: Schoenholtz – Der Orchester-Podcast

Kommentare (1)

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Fünf plus eins ergibt?

Dienstag, 16.April, 22:17 Uhr

Ben Agil

Warum?

Wenn es so wichtig sein soll, dass ein Orchester ein "Zuhause" benötigt, warum ist dann das BR-Symphonieorchester das einzige deutsche Rundfunkorchester, das dies fordert? (Und sich sehr teuer vom Staat bezahlen lassen möchte.) Und warum will der BR umgekehrt das "Zuhause " des Schwesterorchesters, des Münchner Rundfunkorchesters, nämlich den historisch bedeutenden Studiobau, abreißen, um mit einem Neubau dort Mieteinnahmen zu erzielen?

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