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Joana Mallwitz' letzte Oper in Nürnberg "Figaro ist genau passend"

Am 15. April feiert Mozarts "Le nozze di Figaro" Premiere am Staatstheater Nürnberg. Für Joana Mallwitz ist es die letzte Opernproduktion als Generalmusikdirektorin vor ihrem Wechsel nach Berlin. Im BR-KLASSIK-Interview spricht Mallwitz über ihre Nürnberger Zeit, über magische Momente auf der Bühne und darüber, was sie sich für die bayerische Kulturszene wünscht.

Joana Mallwitz bei den Proben zu "Così van tutte" bei den Salzburger Festspielen.  | Bildquelle: Lutz Edelhoff

Bildquelle: Lutz Edelhoff

BR-KLASSIK: Frau Mallwitz, zunächst herzlichen Glückwunsch zum Bayerischen Verfassungsorden. Der wurde ihnen erst vor wenigen Wochen feierlich überreicht. Welche Bedeutung hat für Sie diese Ehrung am Ende Ihrer Nürnberger Ära?

Joana Mallwitz: Das kam für mich ganz unerwartet, und es macht mich einfach wahnsinnig glücklich. Nicht so sehr die Tatsache, dass ich den Orden verliehen bekommen habe, sondern auch zu sehen, wer damit alles geehrt wurde, und dass wir in einer Gesellschaft leben, die Themen wie das, was ich mache – nämlich die Kunst, die Musik am Leben halten, zu vermitteln, zu leben – wertschätzt und mit so viel Kraft unterstützt. Das hat mich natürlich sehr gefreut und geehrt.

Der magische Moment im Theater

BR-KLASSIK: Die Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat in ihrer Laudatio gesagt, Sie seien eine Inspiration. Wenn Sie am Abend am Pult stehen und ein Orchester dirigieren: Haben Sie das im Kopf, dass Sie die Menschen inspiriert zurücklassen wollen?

Joana Mallwitz bei den Proben zu "Così fan tutte" bei den Salzburger Festspielen.  | Bildquelle: Lutz Edelhoff Joana Mallwitz | Bildquelle: Lutz Edelhoff Joana Mallwitz: Ja, das ist genau der Punkt. Ich glaube, dass wir alle, die am Abend auf die Bühne gehen, das Publikum von der ersten Note an mitnehmen und vielleicht auch verändern wollen. Ich selbst habe immer das Gefühl, wenn ich von der Vorstellung komme, dass sich die ganze Welt in diesen letzten paar Stunden bestimmt verändert haben müsste. All die vielen Menschen mit ihren ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten, die in der Oper oder im Konzert sitzen und zuhören, gehen doch von der ersten bis zur letzten Note durch etwas hindurch. Und hinterher können sie es toll oder doof finden. Aber alle hören gemeinsam zu. Das ist so ein magischer Moment – aber es ist auch ein Wert an sich, den wir feiern. Und ich glaube, das spüren wir Musiker jeden Abend wieder.

Wir alle, die am Abend auf die Bühne gehen, wollen das Publikum von der ersten Note an mitnehmen und vielleicht auch verändern.
Joana Mallwitz

"Le nozze di Figaro" – Ensemblestück für Nürnberg

BR-KLASSIK: Nun ist es soweit: Mit Mozarts "Le nozze di Figaro" steht Ihre letzte Opernpremiere am Staatstheater Nürnberg bevor. Wollen Sie Ihrem Publikum mit dieser burlesk ironisierenden Opera buffa den Abschied von Ihnen leichter machen?

Joana Mallwitz: (Lacht) Ich muss zugeben, dass der "Figaro" jetzt an dieser Stelle kommt, kam durch eine Verschiebung zustande. Die Oper war ja schon vor zwei Jahren geplant. Aber abgesehen davon finde ich den "Figaro" zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich ganz passend, denn: Erstens ist es Mozart, und ich hätte so gerne viel mehr Mozart hier in Nürnberg gemacht. Das ging halt nicht durch die zwei Jahre, in denen wir alle still sein mussten. Zweitens ist es ein absolutes Ensemblestück für das Staatstheater Nürnberg. Alle Rollen wurden aus dem Haus besetzt. Und mit diesem Stück hat Mozart als Erster den Ensemble-Gesang zu allergrößter Höhe geführt. Ich finde es also genau richtig.

"Le nozze di Figaro" am Staatstheater Nürnberg - live im Radio

Premiere ist am 15. April 2023, BR-KLASSIK überträgt live und meldet sich bereits ab 18:30 Uhr mit interessanten Gesprächspartnern aus dem Foyer des Staatstheaters Nürnberg.
Alle Termine sowie Infos zu den Tickets unter staatstheater-nuernberg.de

Joana Mallwitz: Wie spielen wir Mozart heute?

BR-KLASSIK: Sie haben "Figaros Hochzeit" schon vor über 15 Jahren in Heidelberg als Kapellmeisterin aufgeführt. Inwieweit stellen Sie fest, dass sich ihre Sicht auf das ein oder andere Detail seitdem verändert hat?

Joana Mallwitz: Dazu zwei Dinge: Das eine ist, dass ich das ganz große Glück hatte, gerade viele Mozart-Opern in Heidelberg schon als Kapellmeisterin dirigieren zu dürfen. Dadurch lernt man viel darüber, wie so ein Stück im Repertoire funktioniert. Aber man muss sich auch wirklich noch mal an die Noten setzen und schauen: Was schreibt er denn genau? Und lohnt es sich vielleicht, an der einen oder anderen Stelle auch mal etwas zu riskieren, etwas ein wenig anders zu machen?

Joana Mallwitz bei den Proben zu "Così van tutte" bei den Salzburger Festspielen.  | Bildquelle: Lutz Edelhoff Joana Mallwitz | Bildquelle: Lutz Edelhoff Und zum anderen stellen wir uns die Frage: Wie spielen wir Mozart heute? Das ist eigentlich eine der wichtigsten Fragen, die mich mein ganzes Musikerleben lang begleitet. Als ich sozusagen musikalisch groß geworden bin, hatten wir schon all diese neuen Einflüsse und dieses neue Wissen, das durch Nikolaus Harnoncourt und die verschiedenen Alten Musik-Ensembles, die ganz viel Forschung betrieben haben, vermittelt wurde. Damit bin ich groß geworden. Aber gleichzeitig habe ich diese Kapellmeister-Laufbahn eingeschlagen und bin mit dem symphonischen Klang aufgewachsen. Und vor diesem Hintergrund bleibt die Frage: Was ist Mozart heute?

Mozart hat damals mit den besten Belcanto-Sängern gearbeitet.
Joana Mallwitz

Ich glaube, mit all dem Wissen, auch über Originalinstrumente, können wir viele Rückschlüsse ziehen, was Mozart vielleicht wichtig war. Ich glaube aber, dass wir trotzdem nie genau wissen werden, wie das damals geklungen hat. Es waren andere Ohren damals, auch ein anderes Leben. Ich glaube aber, man kann beides zusammenbringen. Und das ist eins meiner Lebensziele: immer daran zu arbeiten, beides zu verbinden – nämlich das, was wir durch die Alte-Musik-Bewegung bekommen haben, mit symphonischem Klang, mit echtem Cantabile und tragendem Tonfall.

Nürnberg ist für Mallwitz zur Heimat geworden

BR-KLASSIK: Am 28. April geben Sie Ihr Abschiedskonzert als Generalmusikdirektorin der Staatsphilharmonie Nürnberg. Was nehmen Sie von Ihrer Nürnberg-Erfahrung mit nach Berlin, wohin Sie ja dann im Herbst dieses Jahres wechseln, um als Chefdirigentin des Konzerthauses zu arbeiten?

Dirigentin Joana Mallwitz | Bildquelle: Nikolaij Lund Joana Mallwitz | Bildquelle: Nikolaij Lund Joana Mallwitz: Nürnberg ist während der fünf Jahre, die ich hier verbracht habe, wirklich zu einer Heimat für mich geworden. Das nehme ich mit. Das wird immer so bleiben. Und auch die Beziehung zur Staatsphilharmonie. Wir haben zusammen Mahler-Symphonien gemacht, Mozart-Opern und auch Ballett – von Barock bis Moderne haben wir eigentlich alles gemacht, teilweise kreuz und quer: am Abend noch die Vorstellung, am nächsten Morgen schon wieder eine neue Probe mit ganz anderem Repertoire. Dieser Wechsel zwischen den Stilen und Gattungen, und das alles mit größter Virtuosität – da ziehe ich wirklich den Hut vor der Staatsphilharmonie. Das war einfach eine intensive Zusammenarbeit, quasi durch dick und dünn. Ich werde das schon auch vermissen und Nürnberg mit mindestens einem weinenden Auge verlassen.

Dieser Wechsel zwischen den Stilen und Gattungen, und das alles mit größter Virtuosität – da ziehe ich wirklich den Hut.
Joana Mallwitz über die Staatsphilharmonie Nürnberg

Mallwitz: Das Nürnberger Theater und das Orchester müssen leben!

BR-KLASSIK: Was wünschen Sie Nürnberg und der Staatsphilharmonie?

Joana Mallwitz: Toi, toi, toi für die nächsten Jahre! Das wird nicht einfach in der nächsten Zeit, mit der gesamten gesellschaftlichen und auch finanziellen Lage im Moment. Das Theater und das Orchester müssen leben. Und das geht nur, wenn es einen Ort gibt, der lebendig ist, wo jeden Tag gespielt wird, wo das Orchester auch eine Akustik hat, in der es blühen kann, in der er sich weiterentwickeln kann. Und dafür muss in den nächsten Jahren alles getan werden, denn sobald irgendein Element davon wegfällt, bekommt man es nicht mehr wieder. Und da wünsche ich dem Orchester und auch dem ganzen Theater, dass das Publikum in Nürnberg und in ganz Franken und Bayern, das uns in den letzten fünf Jahren so treu war, sein Theater und sein Orchester auch durch die nächsten Jahre tragen wird.

Sendung: "Leporello" am 14. April 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Sonntag, 16.April, 14:01 Uhr

Schranz

Frau Mallwitz

Liebe Frau Mallwitz, ja Sie waren eine Inspiration vor allem für die Philharmonie, S i e haben aus einem netten Orchester ein tolles Staatsorchester gemacht, Impulse gegeben und das - für mich als langjährige Abonnentin zu sehen - mit lockerer Hand und freundlichem Gesicht. Ich wünsche Ihnen nur das Allerbeste und vielleicht ist es mir ja vergönnt Sie noch in einem Großen Haus mit entsprechender Ausstattung, vielleicht in der Scala, zu erleben. Ihnen ist noch ein großer Weg vorbestimmt. Ich danke Ihnen herzlich!

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