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Kommentar zur Spaltung der Kulturszene Es ist kompliziert

Die Pandemie mit ihren Begleiterscheinungen spaltet unsere Gesellschaft. Das wird auch unter Musikfans und Menschen aus der Kulturbranche deutlich. Hitzige Diskussionen über Öffnungsstrategien, Politikversagen und den Wert der Kultur verhärten zunehmend. Geht es noch um die Sache? Oder um was ganz Anderes? Ein Kommentar von Kathrin Hasselbeck.

Coronavirus | Bildquelle: picture alliance / Zoonar | DesignIt

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Kommentar zur Spaltung der Kulturszene - Es ist kompliziert

"Es ist kompliziert." Das kann man bei Facebook anhaken als Auskunft über den eigenen Beziehungsstatus. Treffender könnte man auch die Beziehung der beiden Lager nicht bezeichnen, die derzeit in Deutschland aufeinandertreffen: Es ist kompliziert. Dabei sehnen sich gleichzeitig alle nach dem Gegenteil: Wie schön wäre es, wenn es einfach wäre! Ist es aber nicht. Sind Extremsituationen wie diese Pandemie nie. Wie auch? 

Schauen wir uns die Musikwelt an – mit all ihren Künstlern, Veranstalterinnen, Fans. Nennen wir sie Musikmenschen. Wonach sehnen sie sich? Sie wollen Konzerte geben, veranstalten, erleben. Gemeinsam. Ich bin mir sicher: Das wollen sie alle! Und trotzdem gilt auch für sie: Es ist kompliziert. 

Alle in einem Boot? Von wegen!

Die Kombo aus einzelnen Video-Standbildern der Internetaktion #allesdichtmachen via Youtube zeigt Schauspieler, die sich an der Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen beteiligen: Obere Reihe l-r Jan-Josef Liefers, Nina Proll, Nadja Uhl, mittlere Reihe l-r Ulrich Tukur, Wotan Wilke Möhring, Maxim Mehmet und
untere Reihe l-r Katharina Schlothauer, Peri Baumeister, Richy Müller. Rund 50 prominente Film- und Fernsehschauspieler sorgen mit einer großangelegten Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen für Aufsehen.  | Bildquelle: Foto: Internetaktion #allesdichtmachen via Youtube/dpa-Bildfunk Bildquelle: Foto: Internetaktion #allesdichtmachen via Youtube/dpa-Bildfunk Jede und jeder von uns muss mit den Herausforderungen dieser nun schon über ein Jahr alten "neuen Normalität" umgehen. Eigentlich sitzen wir dabei alle im selben Boot. Wir gegen Corona – 83 Millionen, ach was, 7,8 Milliarden gegen ein Virus. Das dachte ich, als alles losging. Ich wurde eines Besseren und gleichzeitig Schlimmeren belehrt. Denn diese Pandemie sorgt mit all ihren Begleiterscheinungen für eine tiefe Spaltung, die sich wie ein Riss durch Familien, Belegschaften, Freundeskreise oder eben die Musikmenschen zieht. 
Fakten gefällig? Hier: eine Online-Umfrage zu #allesdichtmachen, dieser Video-Aktion von 53 deutschen Schauspielerinnen und Schauspielern. Menschen wurden gefragt, wie sie die Aktion finden. Das Ergebnis: Die meisten bewerteten sie entweder sehr negativ oder sehr positiv. In der Mitte: gerade Mal 13 Prozent (Stand: 5. Mai 2021). 

Deine Meinung – dein Lager

Wie bei der Dating-App Tinder sortieren wir Virologinnen, Journalisten, Künstlerinnen, aber auch Onkel, Schwiegermutter oder den Kioskbesitzer ins eine oder andere Lager. Erkennungszeichen? Deine Meinung. Masken, Abstandhalten, Testen, Impfen: Bist du dafür oder dagegen? Konzerte mit Publikum bei hoher Inzidenz? Ja oder nein? Entscheide dich! 

Wichtig bei der Lagerzugehörigkeit: nur die eigene Wahrheit zählt. Wir sind im Recht! Die Folge: Selbst Erkenntnisse aus der Wissenschaft werden nur selektiv wahrgenommen, nämlich dann, wenn sie zur eigenen Weltanschauung passen. Argwöhnisch wird beobachtet, wer sich mit wem alliiert. Volker Bruch tritt der Querdenker-Partei bei? Die Initiative "Aufstehen für die Kunst" postet einen Link des faktenfernen Bloggers Boris Reitschuster? Die Aktion #allesdichtmachen erntet bei Twitter einen Shitstorm? Zack, Stempel drauf, Schublade zu. Und dann ab in die Sozialen Netzwerke, Meinungsfreiheit tippen – mit Ausrufezeichen. 

Worum geht es eigentlich?

Hinter all dem steckt doch eine große Unsicherheit, vielleicht auch Angst. Vor den vielen Veränderungen, vor dem eigenen Existenz- oder Identitätsverlust, vor der Gefahr durch das Virus. Und eine große Sehnsucht: nach Normalität – was immer das ist – und auch nach Gerechtigkeit.  

Wissen Sie, wonach ich mich sehne? Nach einem Austausch mit offenen Ohren, nach gegenseitigem Verständnis, nach der Lust, gemeinsam nach gerechten Lösungen zu suchen. Und nach dem Vertrauen in das, was Wissenschaft in ihrem ureigenen Selbstverständnis ist: eine Methode zur nachprüfbaren Wahrheitsfindung im Diskurs. Denn ja: Es ist kompliziert in dieser Beziehung. Folgen wir dem Rat eines Paartherapeuten: "Die Wahrheit beginnt zu zweit."

Sendung: "Allegro" am 7. Mai 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Freitag, 07.Mai, 17:19 Uhr

Antonio Spiller

Danke

Guten Beitrag! Ich sehe dazu eine art desorientierung. Für alle war und ist eine neue Situation und die Regierungen von Bund und Länder mussten auch lernen damit umzugehen und gleichzeitig Führen. Das ist nicht immer gelungen und wir alle haben gesehen wie unterschiedliche Meinungen die Politiker hatten und haben. So haben viele Menschen das Gefühl sie werden in stich gelassen, und auf einmal muss man selber denken und aktiv sein, etwas die immer sein sollte. Man wurde bombardiert mit richtigen und falschen Informationen und viele schlechte Nachrichten. Es ist für viele Menschen nicht einfach das alles richtig zu filtern und entsprechend sich verhalten. Ja, es ist kompliziert!

Freitag, 07.Mai, 08:58 Uhr

Edda Uhlmann

Danke

Danke, Frau Hasselbeck, für den guten Beitrag!
Ja, es ist (bleibt) kompliziert.

Mit freundlichen Grüßen und weiter so...

Edda Uhlmann

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