BR-KLASSIK

Inhalt

Kritik - Staatsoper Berlin "Mord an Mozart"

Am Donnerstag feierte das Musiktheaterprojekt "Mord an Mozart" Premiere an der Staatsoper Berlin. Regisseurin Elisabeth Stöppler begibt sich auf Spurensuche zum vermeintlichen Giftmord Salieris an Mozart. Schostakowitsch trifft auf Dostojewskij, und sogar Stalin und Jesus treten auf.

Szenenbild aus "Mord an Mozart" | Bildquelle: Vincent Stefan

Bildquelle: Vincent Stefan

Kritik - Berliner Staatsoper

"Mord an Mozart"

Mozart, Jesus und Einstein in einem Stück

Welch schöne Idee, die wir alle erstmal hundertprozentig nachvollziehen können. Da versammelt eine gebildete Regisseurin. Elisabeth Stöppler mit Namen, ein paar große Genies der Menschheitsgeschichte, Mozart, Jesus und Einstein in einem Stück - und fragt sich und uns, wieso das Mittelmaß und der Hass am Schluss immer siegen müssen, obwohl das Göttliche dank dieser Genies doch jederzeit möglich wäre. Wie gesagt, eine kluge Idee. Der knapp zweistündige Abend beginnt mit Rimsky-Korsakov, der hat eine kleine Oper nach der Puschkinerzählung "Mozart und Salieri" verfasst. In dieser, wir kennen das aus Milos Formans Film "Amadeus", muss Salieri Mozart töten, weil ein solches Genie uns Durchschnittsmenschen alle viel zu tief sinken lässt.


Mozart stirbt. Jesus kehrt in Dostojewskis Brüdern Karamasov zurück auf die Erde und fällt dem Großinquisitor in die blutigen Hände. Der will ihn als Querulanten verbrennen und muss ihn ziehen lassen, denn Jesus entzieht sich jeder Gerichtsbarkeit. Angela Winkler, das noch immer mädchenhafte Schaubühnen-Urgestein, liest und spielt diesen herrlichen Text. Allen guten Ideen, dem sportlichen Mozart des Stephan Rügamer, dem fahlverzweifelten Salieri Roman Trekels und der alterslosen Angela Winkler zu Trotze macht sich jetzt in der Kritikerin Brust eine gewisse Unruhe breit. Mozart tot, Jesus lebt, Mozarts Musik lebt auch, aber hier erklingt Schostakowitsch, den wiederum Stalin schurigelte, zwischendurch fragt Albert Einstein Sigmund Freud, warum die Menschen Krieg führen müssen, in einem zu Herzen gehenden Brief aus dem Jahre 1932, den Freud entgegen sonstiger Gepflogenheiten sehr simpel beantwortet, das sei eben der Zerstörungstrieb. Und dazu spielen auf der Bühne junge Musiker Schostakowitschs Streichquartett.

Was bitte soll das Ganze?

Sie spielen wirklich hinreissend, aber spätestens jetzt geht der Blick diskret zur Uhr, fragend ins Programmheft und verunsichert zum Nachbarn. Was bitte soll das Ganze? Wo endet das dramaturgische Labyrinth? Da explodieren auf der Bühne lauter nette Ideen, die Konzertmeisterin spielt ihre Geige als Einstein verkleidet, sie streckt die Zunge raus, Salieri fragt auf Tafeln mit Nietzsche, ob Gott jetzt tot ist, Mozart klettert auf einen Rahmen und häng mit verschränkten Beinen Kopf über, ein bisschen Atombomben und Syrienkrieg mahnen videoprojiziert, was so alles passiert auf der Welt und Mozarts Requiem von David Coleman erklingt zeitgemäß verändert. Aber: so what? Erklärt sich so verkopft das Geniale, das Göttliche? Mozart erblickte gestern vor 260 Jahren das Licht der Welt. Abends wollte die Staatsoper ihm mit dieser willkürlichen Assoziationskette unter dem Titel "Mord an Mozart" huldigen. Mit seinem großen Requiem, gespielt von der gesamten Staatskapelle, die aber gerade mit Daniel Barenboim durch Asien tourt, wäre das Geniale besser hör- und fühlbarer geworden. So schreibt die Kritikerin ihren Unmut ins iPad, spricht ihn fürs Radio ein, öffnet einen guten Rotwein und klickt die Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker an. 1999 hat Claudio Abbado Mozarts Requiem dirigiert. Das ist göttlich, das ist genial, und das erklärt, warum Mozart allen Mordgerüchten zum Trotze niemals sterben wird.

    AV-Player