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Kritik – "Des Kaisers neue Walzer" in Salzburg Hurz!

Die erst 18-jährige britische Komponistin Alma Deutscher macht sich in ihrer Oper "Des Kaisers neue Walzer" über zeitgenössische Musik, machtgierige Musikprofessoren und Billig-Modemarken lustig und orientiert sich dabei an Mozart und Hans Christian Andersen. Das ist meist kurzweilig, hinterlässt aber einen schalen Nachgeschmack.

Thomas Wegscheider in der Rolle des Jonas in der Uraufführung von "Des Kaisers neue Walzer" am Landestheater Salzburg | Bildquelle: LTS/ Tobias Witzgall

Bildquelle: LTS/ Tobias Witzgall

Was sagen konservative Musikfreunde, die zwischen Mozart und Beethoven mal wieder irgendein zeitgenössisches Stück ertragen müssen, gern zum Sitznachbarn? Na klar: Hurz! Der gleichnamige Fernsehsketch von Hape Kerkeling aus der damaligen Satireshow "Total Normal" ist auch schon wieder 32 Jahre alt. "Hurz" steht für den vermeintlichen Blödsinn moderner Komponistinnen und Komponisten, macht die Tonsprache der Avantgarde lächerlich. Und das besonders komische daran: Es sind lauter entgeisterte Zuhörer zu sehen, die sich dazu zwingen, den musikalischen Unsinn gut zu finden – damit sie nicht als Banausen dastehen.

Die Oper: Dreieinhalb Stunden mit dramaturgischen Schwächen

Daraus lässt sich ein ganzer Musiktheaterabend machen, wie die sehr junge britische Komponistin Alma Deutscher jetzt am Salzburger Landestheater unter Beweis stellte. Mit fast dreieinhalb Stunden ist das Werk deutlich zu lang geraten, denn die Handlung lässt sich wirklich mit "Hurz" erschöpfend zusammenfassen: Ein böser, selbstherrlicher Komponist, dem keine Melodien einfallen, sondern nur dissonantes Geklimper, terrorisiert Studenten wie Publikum und wird dafür am Ende der Lächerlichkeit preisgegeben. Es triumphiert der blonde Gärtner, der zur Gitarre Romanzen säuselt und natürlich der Wiener Walzer, der hier als Höhepunkt der Musikgeschichte gefeiert wird.

Und weil Komponistin Alma Deutscher als "Wunderkind" gilt, sie begann schon im zarten Alter von zwei Jahren Klavier zu spielen, kokettiert sie immer wieder mit Mozart und zitiert dessen Hits, einschließlich des "Don Giovanni"-Finales. Vor der Pause sorgte das alles für viele Lacher, nach der Pause zog sich die Szenenfolge arg in die Länge. Es dauerte, bis sämtliche Konflikte gelöst waren. Problematisch an dieser Uraufführung waren aber nicht dramaturgische Mängel, die beim Werk einer nicht mal Zwanzigjährigen kaum ins Gewicht fallen, sondern die wirklich zwiespältige Botschaft, dass Neue Musik grundsätzlich eine Anmaßung ist, ein Schabernack für eine blasierte Kulturszene, die sich damit nur wichtigmachen will.

Alma Deutscher tappt in die Ideologiefalle

Hans Christian Andersens gesellschaftskritisches Märchen, worin der geltungssüchtige Kaiser am Ende nackt dasteht, wird hier auf die Musik übertragen, nach dem Motto, hört euch das mal an, diese Avantgarde-Komponisten sind unfähig und eitel, aber keiner traut sich, es ihnen ins Gesicht zu sagen. Das erinnert mitunter, man muss es so hart ausdrücken, an die Agitation gegen die sogenannte "Entartete Musik", und zwar vor allem deshalb, weil hier permanent und aufdringlich das vorgeführt wird, was Rechtsextreme als "gesundes Volksempfinden" bezeichneten. Hübsche, junge Menschen singen hübsche, alte Lieder und machen damit die Welt glücklich. Hape Kerkeling hat mit "Hurz" keine solchen Assoziationen aufkommen lassen, das ist der große Unterschied, denn natürlich darf Satire sich auch über zeitgenössische Komponisten lustig machen.

Es lag also nicht an Regisseurin Christina Piegger und den Ausstattern Laura Malmberg und Paul Sturminger, wenn diese Uraufführung einen ausgesprochen schalen Nachgeschmack hinterließ. Irgendjemand hätte die junge britische Komponistin auf die Gefahrenzone hinweisen müssen. Im Programmheft sagt Alma Deutscher, sie wolle keinen bestimmten Kollegen parodieren, sondern die vorherrschende "Ideologie" in der zeitgenössischen Neuen Musik. Das aber ist selbst Ideologie, und leider eine verhängnisvolle.

Alma Deutscher im Interview

BR-KLASSIK hat mit der jungen Komponistin vor ihrer Salzburger Premiere gesprochen. Im Interview schießt die junge Komponistin heftig gegen die zeitgenössische Klassik. Neue Musik sei eine ziemlich ideologische Veranstaltung, sagt Deutscher. Am Ende sei Lärm jedoch auch nur Lärm. Sie suche lieber nach schönen Melodien. Hier geht's zum Artikel.

Das Ensemble: Auf ganzer Linie überzeugend

Dagegen geht es absolut in Ordnung, dass Alma Deutscher auf sexuelle Übergriffe an Musikhochschulen zu sprechen kommt – sie selbst will zwar ausdrücklich nicht betroffen gewesen sein, aber die Fälle von Machtmissbrauch gingen ja zahlreich durch die Presse. Auch die nebenbei geäußerte Kritik an Billig-Mode und deren bizarre Marketing-Methoden war unbedingt angebracht. Bei allen Einwänden gilt: Dirigentin Katharina Wincor, Chor und Solisten machten ihre Sache durchweg vorzüglich. Das war über weite Strecken kurzweilig und sehr authentisch gespielt. Keiner übertrieb es mit dem satirischen Furor, alle blieben in ihren Rollen glaubwürdig, sogar die schwer hysterische und herrlich komödiantische Anne-Fleur Werner als diabolische Heiratsschwindlerin. Darauf ein ganz entschiedenes Hurz!

Sendung: "Allegro" am 6. März ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (9)

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Sonntag, 12.März, 20:17 Uhr

Kerstin Haack

Alma, the nazi?

Ich finde es falsch, diesen moralisch vernichtenden Vergleich heranzuziehen. Gerade bei einer so jungen Komponistin. Das vergiftet die Auseinandersetzung.
Deutscher will im Unterschied zu ihren angeblichen Vorgängern niemandem etwas verbieten. Wenn ich sie richtig verstanden habe, will sie sich nur selbst nichts verbieten lassen.

Samstag, 11.März, 23:06 Uhr

Kerstin Haack

Alma, the nazi?

Ich finde es falsch, diesen moralisch besudelnden Vergleich heranzuziehen. Gerade bei einer so jungen Komponistin. Das vergiftet die Auseinandersetzung.
Deutscher will im Unterschied zu ihren angeblichen Vorgängern niemandem etwas verbieten. Wenn ich sie richtig verstanden habe, will sie sich nur selbst nichts verbieten LASSEN.

Freitag, 10.März, 09:40 Uhr

LC

Eine wohltuende Kritik. Habe mich schon beim Interview mit der Komponistin gefragt, warum BR-Klassik diesem schwachen Stück so viel Öffentlichkeit verschafft. Wahrscheinlich schielt man auf Klicks… auch eine Form von Populismus…

Dienstag, 07.März, 20:11 Uhr

Zuschauer

Entartete Kunst

Man kann Herrn Jungblut nur dankbar für seine Wortwahl sein. Es mag für Außenstehende weit hergeholt wirken, trifft auf die Thematik der Oper aber durchaus zu. Viele im Zuschauerraum waren schockiert und genervt.

Montag, 06.März, 13:11 Uhr

Walter Rehorska

Entartete Kunst?

Im Fall der blutjungen Komponistin hinkt die Assoziation zur „Entarteten Kunst“ sicherlich. Bemerkenswert ist jedoch, dass Kritik an „Neuer Musik“ eher eine Sache älterer Semester ist. Interessant dürfte daher sein, wie Deutscher in 10, 20 od. 30 Jahren denken wird und wohin ihre Entwicklung geht.

Montag, 06.März, 01:57 Uhr

Leander Sukov

Entartete Kunst

Lieber Kollege Jungblut,

Alma Deutscher mit einem semantischen Taschenspielertrick in die Nähe nazistischer Kulturideologie zu schreiben, verbietet sich grundsätzlich, und es verbietet sich umso mehr, als Deutscher Jüdin ist.
Ich empfinde die Formulierung "Das erinnert mitunter, man muss es so hart ausdrücken, an die Agitation gegen die sogenannte "Entartete Musik", und zwar vor allem deshalb, weil hier permanent und aufdringlich das vorgeführt wird, was Rechtsextreme als "gesundes Volksempfinden" bezeichneten." als in besonderem Maße problematisch. Sie sollten sie überdenken.

Sonntag, 05.März, 22:51 Uhr

David H

Das geht zu weit.

Es lässt sich sicherlich über die Ansichten der jungen Komponistin streiten, aber der Nazi-Vorwurf geht entschieden zu weit, Herr Jungblut.

Sonntag, 05.März, 10:42 Uhr

Klaus D.

Hurz !

"...denn natürlich darf Satire sich auch über zeitgenössische Komponisten lustig machen. "

Ach, wie großzügig. Danke.

Neben dem trefflichen HURZ !
...trifft auch dies zu:

"Ich mache Kunst!"
... "Und wer macht sie wieder weg?"

Sonntag, 05.März, 01:59 Uhr

Danke

Danke

Danke!

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