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Kritik – "Mata Hari" am Gärtnerplatztheater Ihr Leben als Nervensäge

Als angeblich deutsche Agentin wurde sie 1917 von den Franzosen hingerichtet: Bis heute fasziniert die Erotik-Tänzerin Mata Hari mit ihrem rätselhaften Leben. Am Münchner Gärtnerplatztheater wurde ihr nun eine Uraufführung mit viel Popmusik gewidmet.

Ann Sophie Dürmeyer als Mata Hari (Popstar) | Bildquelle: © Marie Luarie Briane

Bildquelle: © Marie Luarie Briane

Vor ihrem Tod war Mata Hari als Nackttänzerin berühmt, nach ihrem Tod als vermeintliche Top-Agentin. Als Ehefrau und Mutter dagegen machte sie nicht gerade Schlagzeilen, und als Nervensäge wurde sie bisher auch nicht urkundlich erwähnt. Insofern ist dieses Musical ein einziges großes und leider auch ärgerliches Missverständnis. Statt die spannende Geschichte der holländischen Doppelagentin Margaretha Zelle im Ersten Weltkrieg zu erzählen, statt von ihrem Aufstieg und Fall als Männerfantasie zu berichten, haben sich Textdichter Kevin Schroeder und Komponist Marc Schubring entschieden, ihre öden Tage als Offiziersgattin auf der Insel Java in aller Ausführlichkeit zu beschreiben.

Drei Stunden Inhaltsleere

Das ist auch deshalb unglaublich fade, weil der Gegenspieler zur Heldin fehlt, von ihrem eifersüchtigen Mann mal abgesehen. Und so schleppt sich der Abend über fast drei Stunden inhaltsleer dahin, unterbrochen von Popsongs, die sich zwischen Andrea Berg, Helene Fischer und Rammstein nicht entscheiden können. Die Texte hätte man früher vulgär genannt, in Zeiten des Hiphops sind sie allenfalls drastisch, aber in diesem Fall eher unfreiwillig komisch. Entsprechend reserviert reagierte das Publikum im Münchner Gärtnerplatztheater, das klassische Operetten und Musicals schätzt und von diesem Experiment sichtlich irritiert war.

Immerhin: Als Revue hatte der Abend seine Berechtigung, denn die Kostüme von Alfred Mayerhofer waren so überladen, als ob die Mitwirkenden im Pariser Lido oder im Berliner Friedrichstadtpalast auftraten. Diese Ausstattung ließe sich ohne Weiteres für den "Käfig voller Narren" wiederverwenden oder auch für eine Drag-Queen-Sause wie "Priscilla, Königin der Wüste". Laut Programmheft wollten die Macher dieses Musicals dem Mythos der Mata Hari nachspüren, das vermittelte sich leider überhaupt nicht. Ein weiteres dramaturgisches Problem: Die Hauptdarstellerin stand gleich doppelt auf der Bühne, als Popstar und als singende Schauspielerin, weshalb so ziemlich alle Emotionen jeweils zwei Mal ausgedrückt werden mussten, was nicht nur Zeit kostete, sondern den Spannungsbogen zum Einsturz brachte.

Groteske Würdigung der Mata Hari

Die eingespielten Zitate aus dem Strafprozess gegen Mata Hari waren noch das interessanteste und ließen ahnen, was aus diesem Stoff für ein Musical herauszuholen wäre. Am 15. Oktober 1917 wurde sie erschossen. Bis heute ist unklar, ob sie wirklich Geheimnisse an die Deutschen verraten hat - da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. An Regisseurin Isabella Gregor und den Bühnenbildnern Karl Fehringer und Judith Leikauf lag es gewiss nicht, dass diese Mata Hari kalt ließ. Sie machten optisch das Beste draus.

Die Solisten legten ebenfalls viel Herzblut in ihre Rollen, allen voran Ann Sophie Dürmeyer als Popstar und Florine Schnitzel als Mata Hari auf Java. Auch Dagmar Hellberg als souveräne Offiziersgattin und Erwin Windegger als cooler General waren Inseln der Hoffnung in diesem Ozean der Langweile. Armin Kahl fremdelte mit seinem Part als fieser Ehemann - zumal völlig unklar blieb, woher sein Frust kommen sollte. Insgesamt eine eher groteske Würdigung der Mata Hari. Ob Schlager-Fans das anders sehen, wird sich erweisen.

Sendung: "Allegro" am 24. März ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (4)

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Donnerstag, 06.April, 13:32 Uhr

Johannes

Kritik an Hörbi

Eine Million Fliegen können nicht irren, esst mehr ..., wenn es nur darauf ankäme. Was hätte man mit der vielen Mühe alles machen können. Das Konzept Text/Musik stimmt einfach nicht. Es fehlt indische Musik, es fehlt ein Stück Paris, es fehlt die exotische Erotik dieser Figur, warum so viele Männer ihr erlagen ... ach.

Sonntag, 26.März, 20:37 Uhr

Thomas

jein

kann der Kritik zum Stück durchaus etwas abgewinnen.
Den großartigen Solisten jedoch nur einen kleinen Absatz zu widmen ist dann doch überzogen.... Pats Kommentar zu Florine Schnitzel kann ich zu 100% unterstreichen!

Freitag, 24.März, 22:44 Uhr

Hörbi

Kritik an der Kritik

Die lang andauernden stehenden Ovationen des Publikums sind dem Verfasser der Kritik wohl entgangen. Das Publikum war begeistert!
Und nur darauf kommt es an …

Freitag, 24.März, 09:38 Uhr

Pats

Auf den Punkt!!!!!

Bäääähm. Absolut auf den Punkt gebracht.
Jedoch kann man nicht genug Worte finden wie geoßartig Florine Schnitzel war. Ohne sie und ihre glockenklare, gefühlvolle Stimme wäre ich das erste Mal versucht gewesen in der Pause zu gehen.

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