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Beethovens Genom entschlüsselt Haarlocken verraten Krankheiten

Anhand von nur fünf Haarsträhnen hat ein internationales Forscherteam das Genom von Ludwig van Beethoven entschlüsselt. Die Ergebnisse geben Aufschluss über die Krankheiten und die Todesursache des Komponisten. Reizdarm hatte er wohl nicht, dafür eine erbliche Veranlagung für Leberversagen.

Die "Stumpff-Locke", aus der Beethovens gesamtes Genom sequenziert wurde, mit einer Inschrift des früheren Besitzers Patrick Stirling.
| Bildquelle: Kevin Brown

Bildquelle: Kevin Brown

Gerade mal 56 Jahre wurde Beethoven alt, und der Gesündeste war er nicht, soviel ist bekannt. Zunehmende Taubheit, chronische Verdauungsprobleme und Gelbsucht machten dem Komponisten zeitlebens zu schaffen. Ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat nun Ursachenforschung betrieben. Woher kamen die ganzen Nickligkeiten, die den berühmtesten aller Symphoniker plagten?

Beethoven hatte eine erbliche Veranlagung für Leberzirrhose

Als Quelle dienten dabei nur ein paar Haarsträhnen, die allesamt aus Beethovens letzten Lebensjahren stammen. Diese wurden archäogenetisch untersucht, wie das Max-Plank-Institut für evolutionäre Anthropologie in seiner Pressemitteilung vom Mittwoch schreibt. Zusammen mit diversen anderen Forschungseinrichtungen – etwas der Universität Cambridge und dem Uniklinikum Bonn – habe man sich die DNA des Komponisten genauer angesehen.

Das ist eine Art von Detektivarbeit
Genetiker Johannes Krause vom Max-Plank-Institut für evolutionäre Anthropologie

Im Gespräch mit BR-KLASSIK betont der Genetiker Johannes Krause vom Max-Plank-Institut für evolutionäre Anthropologie, dass man weder erbliche Ursachen für Beethovens Darmprobleme noch für seine Taubheit gefunden habe. Eine Laktose- oder Glutenintoleranz lag nicht vor und auch das sogenannte Reizdarmsyndrom konnten die Forscher ausschließen. Allerdings hatte Beethoven wohl eine Veranlagung für Lebererkrankungen. Und er war mit Hepatitis B infiziert, was wiederum einen Hinweis auf seine Todesursache gibt. Zusammen mit seinem Alkoholkonsum hätten diese Faktoren seinen frühen Tod sicherlich begünstigt, meint Tristan Begg von der Universität Cambridge, der Hauptautor der Studie.

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Forscher des Max-Plank-Instituts für empirische Ästhetik haben sich mit dieser Frage beschäftigt. Ergebnis: Das Einfache setzt sich durch. Für mehr Informationen klicken Sie hier!

"Beethovens 'Konversationshefte', die er im letzten Jahrzehnt seines Lebens benutzte, legen die Vermutung nahe, dass er sehr regelmäßig Alkohol konsumierte", wird Begg in der Pressemeldung zitiert. "Die genauen Mengen einzuschätzen, bleibt aber schwierig. Auch wenn die meisten seiner Zeitgenossen behaupten, sein Alkoholkonsum sei für Wiener Verhältnisse des frühen 19. Jahrhunderts mäßig gewesen, gibt es auch Quellen, in denen sich andere Aussagen dazu finden. Unserer Einschätzung nach dürfte es sich immer noch um Alkoholmengen gehandelt haben, von denen man heute weiß, dass sie für die Leber schädlich sind. Wenn Beethovens Alkoholkonsum über einen ausreichend langen Zeitraum hoch genug war, stellt die Wechselwirkung mit seinen genetischen Risikofaktoren eine mögliche Erklärung für seine Leberzirrhose dar."

Joana Mallwitz erklärt Beethovens Siebte

War Beethoven betrunken, als er seine 7. Symphonie komponierte? Das fragte sich mancher Zeitgenosse angesichts der wilden Klangkaskaden in diesem Werk. Angesäuselt war er wohl nicht bei der Komposition, erzählt Nürnbergs Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz, auch wenn Beethoven im Privatleben manchmal etwas chaotisch und unberechenbar war. Zwar sei sein Zimmer ziemlich unordentlich gewesen, seine Partituren jedoch seien perfekt durchorganisiert, so Mallwitz in ihrem ersten digitalen Expeditionskonzert bei BR-KLASSIK in Zusammenarbeit mit dem Staatstheater Nürnberg. Hier geht's zum Video.

Kein Beweis für Bleivergiftung Beethovens

Die "Stumpff-Locke" zur Untersuchung in einem Labor des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte. | Bildquelle: Anthi Tiliakou Die sogenannte "Stumpff-Locke": Aus ihr konnten die Forscher Beethovens gesamtes Genom sequenzieren | Bildquelle: Anthi Tiliakou Im Rahmen der Voruntersuchungen stellten die Forschenden außerdem fest, dass die berühmte "Hiller-Locke" nicht von Beethoven stammt. Bislang war man der Überzeugung, der junge Musiker Ferdinand Hiller habe sie vom Kopf des Verstorbenen geschnitten. DNA-Untersuchungen zeigten jedoch, dass das Haar von einer Frau stamme, so Johannes Krause. Damit ist auch der Beleg futsch, wonach Beethoven an einer Bleivergiftung gelitten haben soll. Frühere Untersuchungen der "Hiller-Locke" hatten diese Vermutung nämlich gestützt – und damit auch eine mögliche Erklärung für Beethovens Hörverlust. Ob Beethoven tatsächlich an einer Bleivergiftung gelitten hat, müssten weitere Untersuchungen der authentischen Haarlocken entscheiden, so Krause. Er könne seine Kolleginnen und Kollegen nur dazu ermutigen.

Pikante Frage: War Beethoven gar kein Beethoven?

Ein pikantes Ergebnis förderten die Forschungen noch zu Tage. Vergleiche des Erbguts noch lebender Verwandter Beethovens mit der DNA des Komponisten legen nahe, dass es in Beethovens väterlicher Linie ein – wie es in der Pressemitteilung etwas spitzmündig heißt – "außereheliches Ereignis" gegeben haben muss. Einer von Beethovens biologischen Vorfahren war also gar kein Beethoven. In welcher Generation dieses Ereignis nicht stattgefunden hat, konnten die Forscher allerdings nicht bestimmen.

Sendung: "Leporello" am 22. März ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK


Kommentare (5)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Donnerstag, 23.März, 16:48 Uhr

Johannes Karl Fischer

DNA Beethoven @Angela B. N.

Was verleitetet Sie dazu, bei Beethoven eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) zu vermuten? Nur, weil er offensichtlich hochbegabt war und sein Sozialleben nicht in Ihr Weltbild eines "normalen" Menschen passt?

Der derzeitige Wissensstand zur ASS-Genetik ist weit davon entfernt, dass man spezielle Gene definitiv mit diesem psychisch-geistigen Zustand in Verbindung bringen könnte, ganz geschweige denn, aus einer Haarlocke diese "Diagnose" (dieser Begriff ist bei ASS umstritten) stellen könnte. Im Moment besteht lediglich die begründete Vermutung, dass ASS in irgendeiner Weise genetisch vererbt wird. Wenn man mehr wüsste, wäre die Diagnostik auch längst nicht so lang und mühselig.

Donnerstag, 23.März, 13:45 Uhr

Marla C.

War Beethoven Schwarz? @Cona

Eine Information hierzu finden Sie in einem Artikel der Washington Post. Die analysierte DNA war zu über 99% europäischer Abstammung und konnte auf Bevölkerungsgruppen aus dem heutigen NRW zurückgeführt werden.

siehe hierzu: https://www.washingtonpost.com/science/2023/03/22/beethoven-genome-hair/

Donnerstag, 23.März, 13:30 Uhr

Klaus

Mehr Hintergrund…

…gibts unter
https://www.zeit.de/2023/13/ludwig-van-beethoven-humangenetik-forschung

Donnerstag, 23.März, 09:47 Uhr

Cona

War Beethoven Schwarz?

Was mir im Artikel fehlt - die DNA müsste doch auch zeigen ob Beethoven Schwarze Vorfahren gehabt haben könnte.

Mittwoch, 22.März, 18:40 Uhr

Angela B. N.

DNA Beethoven

Von Asperger Syndrom war nichts in der DNA zu finden?
Würde mich sehr interessieren, danke.

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