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Kritik - Uraufführung "South Pole" in München Der Klang von glitzerndem Schelfeis

Am Sonntag erlebte an der Bayerischen Staatsoper die Oper "South Pole" des jungen tschechischen Komponisten Miroslav Srnka ihre Uraufführung - erzählt wird in der Oper die Geschichte des Wettkampfs um den Südpol. Hans Neuenfels setzte die sogenannte "Doppeloper" in Szene, Bariton Thomas Hampson und Tenor Rolando Villazon gaben die konkurrierenden Abenteurer Amundsen und Scott.

Impressionen bei der Probe Team Amundsen mit Thomas Hampson | Bildquelle: Wilfried Hösl

Bildquelle: Wilfried Hösl

Kritik - Uraufführung "South Pole" in München

Der Klang von glitzerndem Schelfeis

Thomas Hampson: Unerschütterliche Bariton-Kraft mit beeindruckender Statur

Nein, sympathisch ist er nicht. Autoritär und humorlos treibt Amundsen seine Männer durch diese Hölle aus Eis, Schnee und gleißendem Licht. Widerspruch duldet er nicht. Keine Zeit für Gefühle: ein Mann, so kalt wie der Ort, den er als erster erreichen wird. Thomas Hampson gibt diesem eisig-präzisen, gnadenlosen Sieger mit unerschütterlicher Bariton-Kraft eine beeindruckende Statur.  

Der Sieg ist denen vorbehalten, die sich vorbereiten. Das nennt man dann Glück
Roald Amundsen in South Pole

Doch die Sympathien sind bei seinem Konkurrenten, dem Verlierer: Robert Scott, idealistisch, verspielt, einfühlsam. Aber nicht fokussiert genug. Und schlicht zu langsam. Während der pragmatische Amundsen mit seinen Hundeschlitten schon Meile um Meile gutmacht, bastelt Scotts Team noch an den ineffizienten Motorschlitten herum, die in diesen Temperaturen kläglich versagen. Und während Amundsens Männer ausgelassen ihren Sieg feiern, verenden Scott und die Seinen elend im antarktischen Winter. Rolando Villazon spielt Scott fesselnd intensiv, taumelt und zuckt, und muss stimmlich immer wieder an Grenzen gehen - obwohl ihm Komponist Miroslav Srnka diese Partie in die Kehle geschrieben hat. Fast alles eigentlich liegt recht bequem in der Mittellage. Selbst die fordert Villazon hörbar, wobei er mit unschlagbarem Bühneninstinkt der stimmlichen Herausforderung dramatischen Ausdruck abgewinnt. 

"South Pole" - eine Doppeloper

Srnka und sein Textdichter Tom Holloway haben ihrem Stück den Untertitel "A double Opera" gegeben. Zwei Entdecker, zwei Teams, zur gleichen Zeit unterwegs zum gleichen Ziel - und fast immer gleichzeitig auf der Bühne, von Regiealtmeister Hans Neuenfels in strengem, klinischem Weiß gestaltet, reduziert und abstrakt. Ein großes schwarzes "x" markiert den imaginären Punkt, für den diese Männer ihr Leben riskieren, obwohl es dort auch nicht anders aussieht als 100 Meilen nördlich davon. Links die Briten um Scott, rechts die Norweger um Amundsen. Ein weißer Balken am Boden trennt die Mannschaften, die im ersten Akt alles parallel durchleben: das Warten in der Polarnacht, Aufbruch, Gefahr, Stress in der Gruppe, Schuldgefühle beim Töten der eigenen Tiere und nachts die Erinnerungen an Zuhause. So kommen die Frauen ins Spiel. Die Träume und inneren Dialoge werden zu Duetten auf der Bühne, großartig gesungen von der höhensicheren Mojca Erdmann als Amundsens Geliebter und der strahlkräftigen Tara Erraught als Kathleen Scott. 

Präzise und psychologisch plausibel

Präzise und psychologisch plausibel, doch szenisch eher zurückhaltend erzählt Regisseur Neuenfels diese Doppeloper, die erst nach und nach wirklich ins Geschehen hineinzieht. Kälte und Nervosität geht von Srnkas Musik aus. Flageoletts und Harfentriller in höchster Höhe glitzern wie Schelfeis. Rasch repetierte Tonleitern und irisierende Streicherfiguren gleiten durch den Tonraum, überlagern und verdichten sich wie Schneegestöber. Selten zeichnen sich klar erkennbare Linien ab, in dieser Klangwelt aus Eis und Schnee gibt es keine greifbaren Formen. Manchmal löschen sich all die vielen Mikroereignisse gegenseitig aus, dann bleibt die Musik flächig und dekorativ, manchmal fast unbeteiligt. Doch je größer die dramatische Fallhöhe zwischen den ungleichen Teams wird, desto ungewöhnlicher werden Klangfarben, die Srnka dem riesigen Orchesterapparat entlockt. So steigert sich allmählich die Sogwirkung dieser kalten Pracht. Mit hellwacher Genauigkeit steuert Generalmusikdirektor Kirill Petrenko die Expedition ins Unbekannte. "Der Sieg ist denen vorbehalten, die sich vorbereiten. Das nennt man dann Glück", singt Amundsen. Ein Satz, der Petrenkos Motto sein könnte. Beim Schlussapplaus kann Komponist Miroslav Srnka dann sein Glück kaum fassen, als er beim Publikum auf einhelligen Jubel trifft.

Kommentare (4)

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Sonntag, 07.Februar, 21:00 Uhr

karin roessle

south pole oper

ich gehörte auch zum Premierenpublikum und mein Eindruck ist folgender: das Stück hätte sich wunderbar für ein Sprechtheater geeignet, als Oper ungeeignet. Als Verdi und Puccinifan war ich entsetzt. Von Rolandos wunderbarer Stimme war so gut wie nichts zu hören. Wie man bei so einer Folge von schrillen Tönen von Musik sprechen kann ist mir unverständlich. Eigentlich taten mir auch Thomas und die beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen leid. Wie man so ein junges Publikum für die Oper gewinnen will, ist mir schleierhaft.
Karin Roessle

Dienstag, 02.Februar, 09:26 Uhr

Margit Baumgartner

Kritik South Pole

Eine großartige Oper unserer Zeit, perfekte Besetzung, spannend von Anfang bis Schluß.
MUsik ist anders, doch melodisch - so kann zeitgenössisch auch sein. Gratuliere !

Montag, 01.Februar, 10:59 Uhr

Elfi Schweiger

South Pole

Eine Oper, die packend, zu Herzen gehend, musikalisch genial und gut hörbar ist! Einfach wunderbar und zum Nachdenken anregend - hoffentlich wird das Werk auch von anderen Intendanten entdeckt!

Montag, 01.Februar, 09:22 Uhr

Gertrud Brunnbauer

Southpole

Ein grandioser Abend, der vor allem im zweiten Teil den Zuschauer mit dem hochdramatischen exzellenten Libretto in seinen Bann zieht. Unglaublich sind die sängerischen und schauspielerischen Leistungen der beiden Hauptfiguren. Der für moderner Musik aufgeschlossene Hörer müsste die Oper gleich nochmals besuchen, um den riesigen Orchesterapparat und die einzelnen Instrumente wie Ziehharmonika, Kuhglocken etc tatsächlich im Kontext wahrzunehmen. Es ist zu hoffen, dass diese Oper von zwei Stunden Spieldauer, die ermöglicht, sie konzentriert und aufmerksam zu hören , auf weiteren deutschen und internationalen Bühnen zu hören ist.

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