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Kritik: "Lohengrin" an der Staatsoper unter den Linden Wagner als Kammeroper

Werfen Sie jetzt bitte mal ganz flott alle Ihre Wagner-Vorurteile über Bord. Zu laut? Zu langatmig? Zu krude? Zu viele Wiederholungen? Vor allem zu viel Geschrei? Diese Klischees widerlegt die Berliner Lindenoper mit ihrer aktuellen Neuinszenierung – und bringt den "Lohengrin" quasi als Kammeroper auf die Bühne. Maria Ossowski hat den Videostream der Neuproduktion mitverfolgt.

"Lohengrin" an der Staatsoper unter den Linden | Bildquelle: Monika Rittershaus

Bildquelle: Monika Rittershaus

Nur 40 Musiker der Staatskapelle, die Hälfte der üblichen Instrumente, spielen mit Abstand im Orchestergraben, die Königstrompeten sind zugeschaltet aus dem Probenraum, die Harfen sitzen in der Loge. Das heißt: die Sängerinnen und Sänger müssen sich nicht gegenüber einem Riesenorchester durchsetzen. Es ist die Original-Besetzung der Uraufführung in Weimar, die Matthias Pintscher, sonst eher in der Modernen Musik unterwegs, hier transparent dirigiert.

Bildergalerie: Die Inszenierung in Bildern

Tiefenpsychologische Parabel

Der Gralsritter Lohengrin rettet Elsa, dafür darf sie nie fragen, woher er kommt und wer er ist. Der Schwan ist sein Gefährt, hier Elsas erotischer Traum, eine Schwangere gebiert das Tier auf der schwarzweißen Leinwand. Der Spanier Calixto Bieito gilt als Skandalregisseur mit viel Blut und Sexbildern in seinen Inszenierungen, den Lohengrin erzählt er völlig anders, tiefenpsychologisch als Parabel auf das Fremde. Als Bild der Einsamkeit. Niemand darf sich berühren. Passend zu unserer Zeit. Lohengrin rettet Elsa aus dem Hochsicherheitstrakt von Stadelheim, wo das Volk von Brabant ihr den Prozess macht, sie leidet in einem weißen Rollkäfig. Vida Miknevičiūtė ist eingesprungen für die erkrankte Sonya Yontschewa und hat in zwei Wochen die Partie gelernt. Eine zierliche, wundervolle Elsa, die Litauerin spricht perfekt Deutsch, ist absolut textlicher.

Beeindruckendes Sänger-Ensemble

"Lohengrin" an der Staatsoper unter den Linden | Bildquelle: Monika Rittershaus Szene aus "Lohengrin" in einer Inszenierung von Calixto Bieito an der Berliner Staatsoper unter den Linden | Bildquelle: Monika Rittershaus Der italienisch-französische Startenor Roberto Alagna musste seinerzeit in Bayreuth den Lohengrin kurzfristig absagen, in Berlin hatte er Zeit, sich einzufühlen in diese romantische Märchenfigur. Er tritt nur in Weiß auf, wenn er die Jacke ablegt, bilden die Ärmel Schwanenflügel auf dem nackten Oberkörper. Martin Gantner, der böse Telramund, und die Ortrud der Ekaterina Gubanowa – die Beiden sind ein intrigantes Paar, das die Liebe zerstört, und singen in der tiefen Schwärze eines Unortes absolut grandios. Der Chor, bei Lohengrin unverzichtbar, nimmt die gesamte Bühne bis in die Tiefe der Hinterbühne ein. In der Hochzeitsnacht neben einem weißen Designersofa fragt Elsa Lohengrin, wer er sei, und der Schwan schwindet dahin. Allein und einsam bleiben alle zurück. Unberührt, unerlöst.

Im Mai soll Lohengrin auf dem Spielplan  der Staatsoper stehen. Der Vorteil dieser Fernsehproduktion: alle Figuren, alle Regieideen sind, einigen Beleuchtungsfehlern zum Trotz, hervorragend zu begreifen, zu sehen, zu verstehen.

Besetzungen und weitere Informationen auf der Website der Berliner Staatsoper unter den Linden.

Sendung: "Allegro" am 14. Dezember 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

Kommentare (11)

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Freitag, 18.Dezember, 21:00 Uhr

Regine

Lohengrin Berlin

Eine furchtbar schlechte Aufführung. Lächerliche, dumme Regie. Alagna soll bitte bei Belcanto bleiben und nie wieder Wagner singen. Das kann er einfach nicht. Schöne Grüße aus Wien.

Donnerstag, 17.Dezember, 22:22 Uhr

Katja Grossmann

nicht sehr informative Kritik

Ich hätte mir eine umfangreichere Kritik gewünscht, jetzt in der coronabedingten opernlosen Zeit.

Mittwoch, 16.Dezember, 17:38 Uhr

Regine Toyka

Lohengrin Staatsoper

So ganz kann ich der Kritik nicht folgen: Herr Alagna hatte doch erhebliche Schwierigkeiten und leider hat er wohl vergessen, dass der "Lohengrin" keine italienische Oper ist. Sein Stil hätte eher zu Sängern auf den Venedig-Gondel-Touren gepaßt mit diesen häufig "von unten" angesungenen Tönen. Die Damen und Telramund waren hervorragend, auch schauspielerisch! Aber "kein Geschrei"!?- das kann ich auch nicht unterstützen! Es wäre doch bei dieser Kammerbesetzung wunderbar möglich gewesen, endlich einmal lyrisch zu singen bei den innigen Szenen. Trotzdem war es ein lohnender Opernbesuch!

Mittwoch, 16.Dezember, 14:19 Uhr

Wilfried Schneider

Wagner als Kammeroper

Ein Glück, dass Alagna damals abgesagt hat, Wagnergesang geht anders! Er kommt an Beczala bei weitem nicht heran. Hat Herr Pape neuerdings Parkinson? Und der Heerrufer - welcher Klinik ist der entsprungen? Insgesamt eine gewöhnungsbedürftige "Personenführung". Ein Lichtblick: Vida Miknevi?i?t?! Der Regisseur Calixto Bieito - na ja, man kennt ihn ja und wundert sich nicht. Unter Regie verstehe ich etwas anderes. Von Tiefenpsychologie habe ich nicht viel gesehen, eher von Schnapsideen. Ich habe allerdings darum gebangt, dass Herr Pape, trotz Zitterattacken, die Aufführung durchstehen möge. Musikalisch ja, aber bitte nur als CD, die könnte ein Genuss werden.

Dienstag, 15.Dezember, 09:29 Uhr

Meier

Lohengrin

Wie kommt man den auf die Idee diese Inszenierung als Kammeroper zu bezeichnen?Man versucht diese Aufführung eventuell klein zu halten, da ja die Theater geschlossen sind um Kontakte zu vermeiden.
Danke und bleiben Sie gesund.

Dienstag, 15.Dezember, 08:19 Uhr

Müller

Lohengrin

Wenn in der heutigen Zeit auch Theater geschlossen werden um Kontakte der Bevölkerung einzuschränken dann empfinde ich diese Inszenierung eine Frechheit gegenüber der Gesellschaft. Es scheint wohl kein Virus an diesem Hause zu existieren.

Dienstag, 15.Dezember, 00:11 Uhr

Suni Montanus

Frage

Was sollte die Rolle dieses Herrn darstellen, der - irgendwie bösartig sich die Hände rieb,
als es zum Duell kommen sollte. Und sich dann das Gesicht weiß schminkte?
Ich konnte die Rolle nicht finden.
Danke für Ihre Info im voraus.
Und warum steht hier gar nichts über René Pape: hat er als Rolle von König Heinrich diese
Zuckungen gemacht?
Suni Montanus

Montag, 14.Dezember, 23:09 Uhr

Johann Engelbrecht

Lohengrin Inszenierung

u.a. folgende Regieideen habe ich leider nicht „hervorragend“ begriffen:
Warum zittert König Heinrich die ganze Zeit?
Warum schneidet der Heerufer ständig Grimassen?
Was sollen die halbnackten Männer im Hintergrund, die ihren Oberkörper mit Blut und ihr Gesicht mit weißer Creme beschmieren?
Warum fängt die ansonsten sehr ernste Elsa plötzlich hysterisch zu lachen an, wenn sie von einer Torte nascht? was soll überhaupt die Torte?

Montag, 14.Dezember, 20:55 Uhr

E. Meissner

Warum mitten in der Nacht?

Alagna war mir etwas zu statisch, auch stimmlich. Sängerisch wie darstellerisch umso expressiver waren dafür Gubanova, Miknevi?i?t?, Gantner und Pape.
Ich hoffe, dass der Tremor und die Gesichtszuckungen Heinrichs der Rolleninterpretation geschuldet waren. Sie wirkten erschreckend echt und waren immer präsent, wenn Rene Pape in seinen Singpausen ins Kamerabild rückte.
Leider konnte ich mich nach dem 1. Akt nicht mehr wachhalten, was allein an der nächtlichen Uhrzeit lag. Da wurde die Zeit auch nicht zum Raume, sondern zum Schlaf.

Montag, 14.Dezember, 20:17 Uhr

Ulf Kenklies

Kritk Lohengrin

Habe mir gestern Abend den Lohengrin aus der Berliner Staatsoper gegönnt. Tja - wie bei allen so intellektuellen modernen Inszenierungen sollte man diese zuerst nicht bewerten. Doch die Stimmen, die in anderen selbstgefälligen Kritiken so unglaublich gelobt werden, waren zwar kraftvoll und lautstark. So lautstark, daß es weh tat. Eine Elsa, herb, mager, kreischend laut. Keine lyrische bemitleidenswerte Person. Für die Ortrud hat es gepaßt und die ebenfalls sehr kraftvolle Stimme des Telramund wollte die Dame wohl noch übertönen. Wunderbar und fast unverbraucht die Stimme von René Pape. Ich hoffe nur, daß die Parkinson-Anfälle inszeniert waren wie das Nasenbluten der Elsa. Alanja als Lohengrin war zuerst sehr gewöhnungsbedürftig, steigerte sich aber zunehmend, auch in den höheren Tönen. Doch hatte man den Eindruck, er habe gut den deutschen Text gelernt, aber nicht immer die emotionale Bedeutung desselben erfaßt. Man kann es drehen und wenden, wie man will, Lohengrin ist kein Seelendram

Montag, 14.Dezember, 17:07 Uhr

Wolfgang Hainer

Lohengrinkritik von maria Ossowski

Von der Verantwortung des Intendanten
Wieder einmal eine Leerstelle - glaubt Matthias Schulz wirklich, mit dieser Kritiker in Haus ziehenden "Sicht" sich, dem Haus, gar Wagner was Gutes zu tun?
Wenn man ein Stück hasst, sollte man es nicht inszenieren (Joachim Kaiser), wenn das so ist, sollte man auch nicht die Chance dafürbekommen. Wenn wenigstens musikalisch vieles gstimmt hätte! Selten war die Staatskapelle, wirklich ein erprobtes Wagnerorchester!, so unstrukturiert, so oft nicht (mit dem Chor) zusammen, so langweilig. Alagna meinte, einen deutschen Heldentenor imitieren zu müssen, blökte nur (Adorno) und war fast eine Karikatur wie der Heerrufer, für die Regie eine lächerliche Figur, ähnlich wie der alberne König Heinrich des, Ausnahme!, sehr präsenten Rene Pape. Die blutigen Albernheiten der Chorregie täuschen nicht darüber hinweg, dass diese sich den komplizierteren Aufgaben (Schwanauftritt, Kampf L/T im ersten Akt) verweigert - sie werden einfach weggelassen. Schade!

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