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Kritik - "La Straniera" in Passau Ein Abend der Stimmen

Jahr für Jahr hat das Landestheater Niederbayern seit 2008 eine Oper von Vinzenco Bellini herausgebracht, was weltweit einzigartig sein dürfte. Am Samstag war das Melodramma "La Straniera" in Passau dran, der siebente und letzte Teil im Bellini-Zyklus.

"La Straniera" am Opernhaus Passau | Bildquelle: Foto Peter Litvai, © Landestheater Niederbayern

Bildquelle: Foto Peter Litvai, © Landestheater Niederbayern

Verbotene Liebe

Im Zentrum der Oper: die Primadonna, ihr Gesang, ihre Ausstrahlung. Geheimnisvoll, verführerisch, gedemütigt doch stolz, zwiegespalten in ihren Gefühlen und auch gefährlich – zuletzt: eine Königin.
„La Straniera“, die Fremde, die Geliebte, die der französische König zunächst nicht heiraten durfte, weil die Kirche eine Scheidung verboten hatte. Die Fremde lebte deshalb incognito im Wald. Doch sie hat einen Liebhaber, Arturo, selbst Bräutigam, doch seiner Braut Isoletta untreu. Sogar in der Nacht vor der Hochzeit ist er bei der Fremden und dort voller Eifersucht gegenüber angeblichen Rivalen. 
Sehr schlampige Verhältnisse also, lauter missglückte Hochzeiten und missglückte Ehen! Auch Isoletta, die zweite große Frauenrolle, weiß selbst, dass sie der Liebe ihres Bräutigams nicht sicher sein kann, und hofft trotzdem immer wieder voller Verzweiflung. Man ist an Agathe, an die verpatzte Hochzeit in Carl Maria von Webers „Freischütz“ erinnert, und  auch bei Bellini ist es ein romantischer Wald, in dem sich die Männer als Rivalen bekämpfen und dabei sogar ihr Leben zu verlieren scheinen.

Vor allem die weiblichen Stimmen berühren und bezaubern

Charme und Chance eines kleinen Stadttheaters liegen in seiner Überforderung. Das Unterfangen, seit 2008 Jahr für Jahr eine Oper Vinzenco Bellinis herausgebracht zu haben, ist unstreitbar ein großes Verdienst. Es dürfte weltweit einzigartig sein. „La straniera“ ist der Abschluss dieses siebenteiligen Projekts, das der Passauer Generalmusikdirektor  Basil H. E. Coleman konsequent durchgezogen hat; man hört, dass er inzwischen aus der Niederbayerischen Philharmonie auch ein Bellini-Spezialorchester machen kann.
Eindrucksvoll der mexikanische Tenor Victor Campos Leal als Arturo und Kyung Chum Kim als Bruder der Straniera; sie schmettern so leidenschaftlich ihre Gefühle heraus - Wut und Zurückweisung - , wie wenn sie zeigen wollten, dass ihre Stimmen mühelos auch größere Häuser als das kleine Fürstbischöfliche Opernhaus füllen könnten. Doch vor allem die weiblichen Stimmen berühren und bezaubern: Sabine Noack als betrogene Braut Isoletta und die Georgierin Tatiana Larina in der Titelrolle, bewundernswert zart, dann wieder dramatisch und ohne Problem beim Wechsel von warmen Tiefen in klare Koloraturen.

Steif wie eine Schultheateraufführung

Zugegeben: Das Libretto szenisch umzusetzen bereitet Kopfzerbrechen, und wohl auch deshalb wird "La Straniera" meist nur konzertant gegeben. Bellini selbst, dem die Texte seiner Opern immer besonders wichtig waren, hat allerdings gerade dieses Libretto mit seinen ambivalenten Stimmungen als besonders gelungen gepriesen. In Passau scheint man davon weniger gehalten zu haben und hat flüchtet sich in einfache, ja fast einfältige Abstraktionen. Jede Psychologisierung fehlt. Ein paar goldene Rahmen, einige Sitzwürfel und die Personen in modernen Kostümen vor Stoffbahnen,  meist nur steif wie in einer Schultheateraufführung aufgestellt. Das Controluce Teatro d´Ombre, ein Schattentheater, zeichnet für die Inszenierung verantwortlich. Also kreist ein Schmetterlingsschatten auf den Stoffbahnen, wenn Hoffnung aufkommt, und der Schatten einer übergroßen Tänzerin, wenn es bedrohlich wird. Schlichtes Light-Design hätte gereicht. Egal, die Dramatik des Geschehens liegt ohnehin ganz in der Stimme. Und da ist Passau durchaus eine Reise wert.

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