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Kritik - "König Roger" an der Oper Frankfurt Wenn aus Angst vor dem Fremden Ekstase wird

Suggestive Choräle, zarte Melodien und geradezu rauschhafte Klangwolken – die Oper "König Roger" des polnischen Komponisten Karol Szymanowski überwältigt mit faszinierender Musiksprache. Nach über zwanzig Jahren kehrte Dirigent Sylvain Cambreling zurück ans Pult der Oper Frankfurt, um die Erstaufführung des selten zu sehenden Stoffes zu leiten.

Oper von Karol Szymanowski | Bildquelle: Monika Rittershaus

Bildquelle: Monika Rittershaus

Karol Szymanowskis Oper "König Roger" beginnt in dichter Anspannung: Mystisch und mächtig feiert der Chor, in diesem Fall orthodoxe Gläubige, einen Gottesdienst. Bis sich ein Hirte erhebt, ein Wanderprediger, der ganz in weiße Leinen gekleidet ist, mit wild krausem Haar. Dieser Mann preist einen Gott, der anders ist. Er preist einen Gott der Liebe, der Freude und des Lebens. Genau das macht den frommen Menschen Angst. Sie befürchten einen Verfall der Sitten und wollen den Hirten hinrichten lassen.

Gegen das System

Erzählt wird die Geschichte dieses ominösen Predigers, der ein ganzes System auf den Kopf stellt. Und die Geschichte des Herrschers Roger, der das System bewahren und für Ordnung sorgen soll. Er soll festlegen, was gut und was böse ist. König Roger kapituliert aber. Was macht man, wenn der Fremde daherkommt und uns die Welt neu erklärt? Wenn auf einmal alles durcheinander gerät durch den Fremden? Das ist die Frage, die Regisseur Johannes Erath auf der Bühne verhandelt. Erath erzählt die Geschichte von König Roger und seiner Frau Roxane sehr originalgetreu und in klaren Bildern. Er erzählt diesen alten Normannenstoff aus Sizilien aber nur, um eine tiefer liegende Geschichte darzulegen. Erath zeigt an der Figur König Roger, wie es ist, wenn das Fremde ungeahnt in uns aufbricht.

Klänge wie aus Kathedralen

Oper von Karol Szymanowski | Bildquelle: Monika Rittershaus Sydney Mancasola als Roxana an der Oper Frankfurt | Bildquelle: Monika Rittershaus Wenn unsere eben noch geordnete Welt plötzlich aus den Fugen gerät, dann entsteht pure Ektase. So sieht es jedenfalls Karol Szymanowski, der hier eine überbordende, ekstatische, rauschhafte Musik komponiert, mit der er den Ausnahmezustand in immer neuen Umdrehungen, in immer größeren Steigerungen, immer lauteren, absolut überbordenden Klängen ausmalt. Sylvain Cambreling baut großen Bögen, stellt die Musik in riesigen Gesten wie eine gotische Kathedrale auf die Bühne. Immer wieder ist es der am Ende fast donnernde Chor, der einen gefangen nimmt. Lukasz Golinski ist ein perfekter König Roger, Sydney Mancasola eine Roxane, die es mit dem riesigen Chor aufnimmt: groß in der Stimme, genau richtig im Timbre, nie schwer, aber von betörender Durchschlagskraft. Alle Solo-Partien dieser Oper sind ein Kraftakt. Wie extrem die Anstrengungen sind, hat man in der Frankfurter Premiere keinem angehört. Gerard Schneider als Hirte und AJ Glueckert als Edrisi sind eine perfekte Wahl.

Ein Mythos magischer Wirklichkeit

Johannes Erath bringt "König Roger" an der Oper Frankfurt als Mysterium auf die Bühne, nicht als Erzähloper, sondern als musikalisches Psychogramm. Dass ihm das so fantastisch gelingt, liegt vor allem an der Bühne, die ihm Johannes Leihacker gebaut hat. Leihacker schafft einen strengen, durch klare Linien aufgeteilten schwarz-weißen Bühnenraum. Es ist ein zeitloser Ort, in dem Gut und Böse, Schwarz und Weiß streng getrennt sind, und sich die Wirklichkeit unmerklich in magische Realität verwandelt. Das kann nur Oper!

"König Roger" AN DER OPER FRANKFURT

Karol Szymanowski:
"König Roger"
Oper in drei Akten

Chor, Extrachor, Kinderchor und Statisterie der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
Musikalische Leitung: Sylvain Cambreling
Regie: Johannes Erath
Bühnenbild: Johannes Leiacker

Informationen zu Terminen und Vorverkauf erhalten Sie auf der Homepage der Oper Frankfurt.

Sendung: "Allegro" am 02. Juni 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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