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Kritik - "Manche mögen's heiss" in Nürnberg Einfallslosigkeit unter dem Vollmond

Längst ist die rasante Schwarz-Weiß-Komödie "Manche mögen's heiß" absoluter Kult. Ein Theater-Produzent vom Broadway wollte an diesen Erfolg anknüpfen und machte vor gut vierzig Jahren aus dem Film ein Musical, doch schon 1972 hörte sich die Musik altbacken an. Das Staatstheater Nürnberg wagt trotzdem einen Wiederbelebungsversuch.

"Manche mögen´s heiß" in Nürnberg | Bildquelle: Jutta Missbach

Bildquelle: Jutta Missbach

Kritik

"Manche mögen's heiß" am Staatstheater Nürnberg

Wirklich alles am Billy-Wilder-Film "Manche mögen's heiß" ist komisch, sogar die Tatsache, dass er 1960 nur einen Oscar bekam - und zwar ausgerechnet für die Kostüme. Jack Lemmon war damals zwar als Hauptdarsteller nominiert, ging aber leer aus. Vor gut vierzig Jahren setzte sich ein Theater-Produzent vom New Yorker Broadway in den Kopf, aus dem Film ein Musical zu machen, was keine gute Idee war, schon deshalb, weil die berühmten Marilyn-Monroe-Songs darin gar nicht vorkommen.

Nicht überzeugend - trotz Lacher

Stattdessen komponierte der ansonsten durchaus erfolgreiche Jule Styne Nummern, die sich schon 1972 altbacken anhörten. Kein Wunder, dass "Sugar" nur ein sehr mäßiger Erfolg wurde. Der Wiederbelebungsversuch des Staatstheaters Nürnberg überzeugt ebenfalls leider nicht, obwohl es im Publikum viele Lacher gab und Regisseur Thomas Enzinger ein ausgesprochen fantasievoller, sehr erfahrener Musicalmacher ist. Doch die Schwächen des Stücks konnte auch er nicht wettmachen.

Hölzerne Film-Nacherzählung

Der Film lebt vom Tempo, der Situationskomik und dem genialen Drehbuch. Die Bühne kann da einfach nicht mithalten, schon gar nicht, wenn jede Szene nachbuchstabiert wird, bis in kleinste Einzelheiten: Die blutige Eröffnung in der Tiefgarage von Chicago, die Fahrt mit dem Zug nach Florida, die Ankunft im Luxushotel, wo die greisen Millionäre in Lehnstühlen sitzen, der Ausflug zur vermeintlichen Luxusyacht, der Showdown im Ballsaal: Das alles wirkte unglaublich hölzern, betulich, ja langatmig.

Keine einzige Nummer zündete musikalisch, obwohl die Mitwirkenden ihr Bestes gaben: Die stepptanzenden Mafiosi und die Gehstock schwingenden Millionäre mit ihren sandfarbenen Sonnenhüten hätten bessere Songs verdient gehabt. Wenn sich ein Musical so eng an der Filmvorlage abarbeitet, müssen sich die Hauptdarsteller wohl oder übel direkt mit Marilyn Monroe, Tony Curtis und Jack Lemmon messen - ein Vergleich, den sie natürlich nicht bestehen können. Weder Sophie Berner als so blonde wie zierliche Sugar, noch Andreas Köhler als Josephine und Oliver Severin als Daphne konnten letztlich überzeugen. Es fehlte deutlich an der Lust zur Travestie, am komödiantischen Furor, an der Ausgelassenheit, die für diese irre Handlung nötig gewesen wäre.

Abgenutztes "Titanic"-Zitat und munteres Orchester

Der italienische Ausstatter Toto hatte sein Bestes getan und ein abwechslungsreiches Bühnenbild entworfen, samt fliegendem Fisch, Strandkörben und imposantem Vollmond. Doch jede Verwandlung war ungefähr so spannend wie ein Kinobesuch, bei dem einem der Sitznachbar erzählt, was als nächstes kommt. Dass zwei Verliebte auf einem Schiff die Arme ausstrecken und die legendäre Szene aus "Titanic" zitieren, ist inzwischen so abgenutzt, dass das nicht mehr als Ironie, sondern nur noch als Einfallslosigkeit durchgeht.

Wer das Musical sieht, sehnt sich förmlich nach der Musik aus dem Film, obwohl die dort gar nicht so dominant ist, wie manche meinen. Doch sie ist eben kennzeichnend, maßgebend. Fast jeder hat den lateinamerikanischen Rhythmus im Ohr, zu dem der echte Milliardär Osgood Fielding und seine angehimmelte Daphne durch die Nacht tanzen - wenn dieser Sound fehlt, wirkt die ganze Szene schal. Das liegt nicht an Dirigent Volker Hiemeyer. Das Orchester spielte munter auf, und es ist immer vergnüglich, dabei zuzusehen, wenn auf der Bühne scheinbar und im Graben tatsächlich Kontrabass und Saxofon gespielt werden.

Für alle, die "Manche mögen's heiss" nicht kennen

Es ehrt das Staatstheater Nürnberg, dass all diese Probleme im Programmheft offen angesprochen werden, dass den Machern also vollkommen klar war, wie schwer es sein würde, "Sugar" zum Erfolg zu machen. Was fehlte, war der Mut, sich optisch vollkommen frei zu machen vom Film und nur dessen Motive zu nutzen. Schon Billy Wilder hat nämlich zwei ältere Film-Vorlagen als Inspirationsquelle genutzt und sein eigenes Ding durchgezogen.  Womöglich ist dieser Musicalabend eine Empfehlung für alle, die "Manche mögen's heiß" nicht kennen. Die lachen dann vielleicht zweimal, erst im Theater, später beim Video gucken. Aber wie viele gibt es davon schon?

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