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Kritik – Mozarts "Messias" in Salzburg Erlöser-Story mit goldener Amöbe

Die Mozartwoche Salzburg eröffnet mit der Premiere von Händels "Messias" in der Bearbeitung von Wolfgang Amadeus Mozart. Robert Wilson inszeniert – und schafft surrealistische Rätselbilder ohne Religiosität.

Messias bei Mozartwoche Salzburg | Bildquelle: Lucie Jansch

Bildquelle: Lucie Jansch

Ist das Robert Wilsons Antwort auf den Klimawandel? Explodierende Eisberge und ein umherirrender Astronaut auf der Suche nach einer zweiten Erde? Zum "Halleluja" in Händels Messias stellt Wilson einen bitteren Jubelchor in schwarz vor die berstenden Eisberge, die auf die Bühnenrückwand projiziert sind – zwischen den Choristen taumelt der Astronaut orientierungslos wie in Stanley Kubricks "Odyssee im Weltraum".

Inszenierung ohne Handlung

Es sei überrascht gewesen, gesteht Wilson, dass der Leiter der Mozartwoche Rolando Villazón ihn gefragt habe, ob er den "Messias" von Händel in Salzburg inszenieren wolle – noch dazu in der Version von Mozart. Man kann die Überraschung verstehen, denn zu inszenieren gibt es da eigentlich nicht so viel: So wenig wie es bei Händel eine Handlung gibt, gibt es diese bei Wilson. Und auch für religiöse Inhalte fühle sich Wilson nicht zuständig, wie er mitteilt. Die gehörten in die Kirche, meint er.

Bäume statt Schafe

Messias bei Mozartwoche Salzburg | Bildquelle: Lucie Jansch Bildquelle: Lucie Jansch Trotzdem hat sich der alte Bühnenmagier Wilson darangemacht, Händels berühmtestes Oratorium szenisch auf die Bühne zu bringen. Mit allerhand surrealistischen Rätselbildern wie einer goldenen Amöbe, riesigen Baumstämmen, die von der Decke hängen oder einem angeleinten Hummer; und da wo Wilson nichts Rechtes einfallen wollte, gibt es viel Bühnennebel.

"All we like sheep", heißt es bei Händel, "wir Schafe gehen" in der von Mozart verwendeten deutschen Übersetzung. Schafe sieht man bei Wilson keine, dafür vertrocknete Baumstämme, die vom Bühnenhimmel hängen. Sind wir also wie dürres Holz, vertrocknet in der Gottlosigkeit? Der erste Teil des Oratoriums thematisiert ja die Hoffnung der Menschen auf die Ankunft des Messias. Schwarz dräuend schweben sie über den Menschen in einem kunstvoll ausgeleuchteten graublauen Kubus mit weißen Lichträndern.

Mozart dreht Händel durch die Klassikmangel

Messias bei Mozartwoche Salzburg | Bildquelle: Lucie Jansch Bildquelle: Lucie Jansch Die Lichträume Wilsons wirken auch in diesem Messias betörend schön, auch wenn oft nicht wirklich viel darin passiert. Es wird kunstvoll gestanden und geschritten in edlen Roben, manchmal darf ein solistischer Tänzer die Szenerie beleben oder die Sopranistin Elena Tsallagova sich ein Glas Wasser über den Kopf schütten – ritualhafte Eigentaufe? Der Tenor Richard Croft ist gleichzeitig eine Art Conférencier, der in einem 20er Jahre-Outfit über die Bühne tänzelt.

Umso aufmerksamer hört man auf die Musik, die Mozart durch die Klassikmangel gedreht und sozusagen klassifiziert hat. Marc Minkowski und seine Musiciens du Louvre bemühen sich nach Kräften, den musikalischen Stilbruch dennoch mit größter Sorgfalt zum Klingen zu bringen; und zwar so, dass es in der fülligeren Orchestrierung nicht nach schlampigem Händel klingt. Keine ganz leichte Aufgabe, aber sie gelingt – auch wenn man sich eigentlich Händels Originalmusik für diese Aufführung gewünscht hätte.

Hervorragende Solisten

Auch das Solistenquartett ist hervorragend besetzt. Elena Tsallagova hat einen anrührenden Mozartsopran, eben keinen Händel-Sopran, Wiebke Lehmkuhl, Richard Croft und José Coca Loza fügen sich in das Klangbild homogen ein. Nicht durchweg auf diesem Niveau agiert der Philharmonia Chor Wien.

Robert Wilson will Hoffnung ausdrücken

Für Wilson drücke sich in Händels Messias vor allem die Hoffnung des Menschen aus, wie er sagt. So lässt er denn am Ende einen Baum mit Wurzeln und einer schönen Krone vom Bühnenhimmel herabschweben: ein positiver Ausblick also für das Leben auf dieser unserer Erde – oder doch auf einer andern.

Sendung: Allegro am 24. Januar 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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