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Die Geigerin Midori Trotz Krisen zum Weltruhm

Am 22. September spielen die Nürnberger Symphoniker ihren Saisonauftakt. Auf dem Programm steht unter anderem das Violinkonzert von Johannes Brahms - gespielt von der japanischen Stargeigerin Midori. Mit zwei Jahren bekam die ihre erste Mini-Violine in die Hand gedrückt, ihre Mutter setzte ihr einen festen Stundenplan vor. Andere Freizeitaktivitäten wurden gestrichen. Das Ergebnis: ein gefeiertes Wunderkind, das nicht nur unter dem hohen Leistungsdruck zu leiden hatte.

Geigerin Midori | Bildquelle: © Timothy Greenfield-Sanders

Bildquelle: © Timothy Greenfield-Sanders

Die Geigerin Midori im Porträt

Trotz Krisen zum Weltruhm

"Als ich jung war, ermunterte mich meine Mutter, Klavier zu lernen", erzählt Midori aus ihrer Kindheit, "aber ich wollte immer Geige spielen, weil meine Mutter auch Geige spielt." Die Musikerin feiert schon sehr jung viele Erfolge, mit zwei Jahren hatte sie ihre erste Mini-Geige in der Hand.

Doch im Alter von elf Jahren – kurz vor ihrem großen Durchbruch – ereignet sich beinahe eine Tragödie: Es ist am Tag ihres Debüts mit den New Yorker Philharmonikern und nur noch wenige Stunden bleiben bis zum Konzertbeginn. Seit einem Jahr erhält Midori Unterricht an der Juilliard School in New York, weit entfernt von ihrer Heimat Japan. Das macht vor allem ihrem Vater zu schaffen. Der wünscht sich: Frau und Tochter sollen mit ihm zurück in die Heimat kommen. Er hat vor allem Angst, seine Ehe könnte zerbrechen.

Er sei sogar bereit gewesen, seine Tochter zu töten, um sein Ziel zu erreichen und die Karriere in den USA zu verhindern - diese dramatische Geschichte beschreibt Midori in ihrer Autobiografie: Mit einem Messer sei ihr Vater ins Schlafzimmer gekommen, habe es aber nicht fertiggebracht, sein grausiges Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Das Konzert wird dann ein Erfolg, die Ehe scheitert später tatsächlich. Für Midori ist diese ganze Episode ein Schicksalsschlag, den sie nie ganz verwindet. Der sie aber nicht davon abhält, weiter Geige zu spielen. Nur ihren Nachnamen, den legt sie ab und wird ihn nie wieder verwenden.

Krise mit Anfang zwanzig

"Ich übe und arbeite die ganze Zeit. Ich übe vor Konzerten, nach Konzerten, bevor ich unterrichte, nachdem ich unterrichtet habe. Ich übe nicht während ich Unterricht gebe oder wenn ich auf der Bühne stehe, aber ich übe ziemlich viel und das interessiert mich auch" – stundenlang üben und trotzdem nicht gut genug sein: Das schlechte Gewissen nennt sie ihren "inneren Aufpasser", der über ihre Disziplin wacht und nur zufrieden ist, wenn sie den ganzen Tag lang die Geige in der Hand hatte.

Irgendwann wird der Druck zu groß: Ständig nagt der Zwang an ihr, immer spielen zu müssen, zu proben, perfekt zu sein. Mit Anfang zwanzig ist sie medikamentenabhängig, magersüchtig und depressiv - auch diese Krise beschreibt Midori offen in ihrer Autobiografie. Sechs Jahre lang gibt sie keine Konzerte und lässt sich mehrmals in einer New Yorker Klinik behandeln.

Es gibt nichts zwischen der Musik und mir selbst.
Die Geigerin Midori

Der Weg zurück ins Leben

Midori | Bildquelle: Timothy Greenfield Sanders Bildquelle: Timothy Greenfield Sanders Nach und nach traut sie sich wieder vors Publikum. Sie studiert auch Psychologie. Das habe ihrem Leben Struktur gegeben, wie sie sagt. Sie lernt wertzuschätzen, was sie bisher erreicht hat. Und: nicht daran zu denken, was sie noch alles erreichen will. Sie setzt sich dafür ein, Kindern in Japan und den USA kostenlosen Instrumentalunterricht zu ermöglichen – und gründet mehrere Non-Profit-Organisationen, schöpft aus dieser Arbeit neue Kraft: "Diese Augen, diese Kinder, sie sind so neugierig und interessiert – und diese Energie, die von diesen Augen ausgeht, das ist eine emotionale Reaktion auf Musik."

Hang zur Perfektion

Ihren Hang zur Perfektion hat Midori mit 47 Jahren immer noch nicht abgelegt: Sie übe jeden Tag, sagt sie, doch sie verstehe die intensive Beschäftigung mit Musik heute viel mehr als geistige Herausforderung: "Wenn ich an ihr arbeite, wenn ich sie studiere, wenn ich sie zu begreifen oder zu ergründen versuche: Das ist wie Meditation."

Sendung: "Allegro" am 19. September 2018 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Infos zum Nürnberger Konzert

Samstag, 22. September 2018, 20:00 Uhr
Nürnberg, Meistersingerhalle

Kah Hoe Yii: Concerto 4 Orchestra, Auftragswerk (UA)
Johannes Brahms: Violinkonzert D-Dur op. 77
Béla Bartók: Konzert für Orchester Sz 116

Midori (Geige)
Nürnberger Symphoniker
Leitung: Kahchun Wong

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