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Die Geigerin Midori "Üben ist wie Meditation"

Am 11. und 13. Januar konzertiert die Geigerin Midori mit ihrem Klaviertrio in Ansbach und München. Die Städte will sie sich gerne anschauen - aber nur wenn es nicht zu kalt ist. Im Interview spricht sie außerdem über ihre Stiftung "Music Sharing", ihr Aufnahmeprojekt in der Bach-Stadt Köthen und wieviel Kraft sie aus der intensiven Beschäftigung mit Musik zieht.

Violinistin Midori Gotō | Bildquelle: Timothy Greenfield-Sanders

Bildquelle: Timothy Greenfield-Sanders

Das Interview zum Nachhören

BR-KLASSIK: Ich hoffe, Sie sind gut ins Jahr 2018 gestartet. Wo und wie haben Sie selbst denn Silvester verbracht?

Midori: Man kann es kaum glauben, dass wir gerade ein neues Jahr begonnen haben! In den letzten beiden Wochen war ich in Indien, wo ich ehrenamtlich musiziert habe im Rahmen des International Community Engagement Programms, mit dem ich über meine japanische Stiftung "Music Sharing" in Kontakt gekommen bin. Und wie einer der Musiker sagte: Das ist eine ganz andere, besondere Art, Weihnachten zu feiern. Silvester habe ich dann im Bett verbracht.

BR-KLASSIK: Wirklich? Haben Sie gar nicht gefeiert? Haben Sie Mitternacht schlafend verbracht?

Midori: Es hat sich einfach so ergeben. Ich habe viele Freunde auf der ganzen Welt in verschiedenen Zeitzonen, die auch zu verschiedenen Zeitpunkten das neue Jahr feierten, das ging so nach und nach. Ich feiere nicht mit einer Party mit Champagner um 23:59 Uhr.

In Kinderaugen ist so viel Neugier.
Midori

BR-KLASSIK: Aber Sie waren in New York?

Midori: Ja, körperlich im New Yorker Apartment meiner Mutter, geistig irgendwo in Indien.

BR-KLASSIK: Wie kommt denn die klassische Musik der westlichen Kultur in Indien an?

Violinistin Midori Gotō | Bildquelle: picture-alliance/dpa Midori bei einem Konzert in St. Petersburg | Bildquelle: picture-alliance/dpa Midori: Wir hatten einfach eine wunderbare Zeit, sehr herzlich - und diese Kinderaugen, da ist so viel Neugier drin! Und wie sie aufleuchten, wenn der Klang ertönt - es geht hier um eine Reaktion auf den Klang. Denn die meisten Kinder haben noch nie westliche Instrumente wie eine Geige, ein Cello oder gar eine Bratsche gesehen. Sobald wir angefangen haben zu spielen, funkelten ihre Augen. Erst reagieren sie auf den Klang, aber dann auch auf den Ausdruck: Ist die Musik aufregend oder beruhigend? Also reagieren sie nicht nur auf die Musik an sich, sondern auch auf die Gefühle, die die Musiker hineinlegen. Und ich glaube nicht, dass es da einen Unterschied zwischen den verschiedenen Musik-Genres gibt.

Ich mochte die Zeit in Köthen sehr.
Midori

BR-KLASSIK: Eine ganz andere musikalische Erfahrung betrifft Ihr neuestes Album, das im Oktober auf CD und DVD erschienen ist, nämlich Bachs Solo-Werke, die Sonaten und Partiten. Sie haben die Musik an einem historisch ganz besonderen Ort aufgenommen, nämlich im Schloss Köthen, wo Bach einst Kapellmeister war. Wie war das? Hat die Aura Bachs Ihr Spiel beeinflusst?

Midori: Ich mochte die Zeit in Köthen sehr; es war so ruhig, ich hatte Zeit zur Konzentration. Und natürlich kennt man die Geschichte, man atmet die Luft dieses Städtchens, wo Bach wandelte und wirkte, dachte, schlief, aß - er lebte dort. Und ich habe genau dort Bach aufgenommen, wo er diese Stücke womöglich selbst gespielt, gehört oder komponiert hat. Und natürlich ist das für jeden, der Bach kennt und spielt, eine wunderbare Erfahrung - sehr kraftvoll.

Konzentrieren, die Ohren öffnen, die Musik analysieren.
Midori

BR-KLASSIK: Sie sind auf jeden Fall viel unterwegs, sind ja auch UN-Friedensbotschafterin, Professorin, spielen solo. Sie haben von Ihrer Stiftung "Music Sharing" erzählt, mit der Sie in Indien waren, und derzeit sind Sie unterwegs mit Ihrem Klaviertrio. Wann kommen Sie denn überhaupt noch zum Üben?

Midori: Oh, ich übe, ich arbeite die ganze Zeit! Vor Konzerten, nach Konzerten, vor den Unterrichtsstunden und danach, aber nicht während ich unterrichte, da übe ich nicht. Nein, also ich übe wirklich viel - und das interessiert mich auch sehr. Es geht nicht nur um Konzerte. Diese Erfahrung ist natürlich sehr besonders, auf der Bühne zu sein und zu spielen, Musik auszudrücken, zu interpretieren. Aber ich denke, dass der Prozess des Übens und Lernens schon fast eine meditative Wirkung auf mich ausübt. Da ist jeder Mensch anders - und ich mache das eben sehr gerne: mich zu konzentrieren, die Ohren zu öffnen, die Musik genau zu analysieren, mich mit ihr zu konfrontieren, bis nichts mehr zwischen mir und der Musik steht. Und während ich arbeite, versuche ich, die Musik zu verstehen, ihr nahe zu kommen, beruhige mich und finde in die Konzentration. Und ich habe wirklich Glück, denn ich kann das überall machen. Ich spiele ein Instrument, das ich überall mit hinnehmen kann.

BR-KLASSIK: Finden Sie denn auch während so einer Tournee mit Ihrem Trio Zeit, sich die Städte anzuschauen, zum Beispiel jetzt in Ansbach oder in München?

Midori: Das hängt vom Wetter ab … Es ist gerade wirklich so eiskalt in New York, und ich komme ja aus Indien, ich bin nicht in der Lage, nach draußen zu gehen …

Sendung: "Leporello" am 9. Januar 2018 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Midori auf Tour in Bayern

Mittwoch, 10. Januar 2018,  19:30 Uhr
Theater Ansbach, Tagungszentrum Onoldia

Samstag, 13. Januar 2018, 20:00 Uhr
München, Herkulessaal der Residenz

Midori Klaviertrio:
Midori (Violine)
Antoine Lederlin (Violoncello)
Jonathan Biss (Klavier)
Werke von Beethoven, Schumann und Dvorák

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