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Zum Tod des Hammondorganisten Dr. Lonnie Smith Der Magier des Grooves

Er war eine Erscheinung und ein Mysterium: Ein Doktor, ohne je promoviert zu haben, ein Turban-Träger und ein Hammondorgel-Magier. Dr. Lonnie Smith ist am 28. September 2021 im Alter von 79 Jahren verstorben.

Hammondorganist Dr. Lonnie Smith | Bildquelle: Frank DeBlase

Bildquelle: Frank DeBlase

Die Orgel ist ein Orchester. Sie hat einen Bass, die Harmonien und dazu die Melodie - alles ist da! Und sie hat einen mächtigen Sound!
Dr. Lonnie Smith

Die Worte eines Zauberers! Dr. Lonnie Smith war eine der schillerndsten Figuren des aktuellen Jazz und das nicht nur wegen seines Outfits: auf der Bühne immer mit Turban oder anderer ausgefallender Kopfbedeckung, dazu eleganter Gehstock mit Knauf und bodenlanges Gewand. Seine Musik hatte auch etwas Mysteriöses: Ein Gurren, ein Grummeln, ein Säuseln, das sich zum Groove-Sturm aufbrauste. Beim Gespräch im Jahr 2017 beim Jazzfest Berlin, Dr. Lonnie Smith war da 75 Jahre alt, lächelte er aus seinem jugendlich verschmitzten Gesicht mit dem weißen Spitzbart, und die wachen, schelmischen Augen strahlten. "Spiel nicht, was du geübt hast, hab keine Angst, unbekanntes Terrain zu betreten, denn das bringt dich weiter. Das ist großartig, das ist aufregend. Das ist Leben, das ist Musik!"

"Die Hammondorgel und ich, wir gehören zusammen!"

Dr. Lonnie Smith | Bildquelle: Ralf Dombrowski Der Dr. und sein Instrument: Lonnie Smith sitzt an der Hammondorgel. | Bildquelle: Ralf Dombrowski Diese Lebendigkeit und diese Lust am Risiko spürte man immer im Spiel des Hammondorganisten. Am 3. Juli 1942 kam Lonnie Smith in Lackawanna im Staat New York zur Welt. Den Doktortitel bekam er Jahre später von seinen Mitmusikern verliehen, für seine außergewöhnliche Spielweise, nicht für eine wissenschaftliche Arbeit. Als Jugendlicher versuchte er sich an der Trompete und war Sänger in unterschiedlichen Vokalensembles. Mit 21 änderte sich sein Leben von einem Tag auf den anderen: "Da begann ich Orgel zu spielen und das Instrument wurde mir von einem Engel gebracht. Dieser Engel hieß Art Kubera, der Besitzer des örtlichen Musikinstrumente Ladens. Ich wusste sofort, dass die Hammondorgel und ich zusammengehören. Ich hatte keine Probleme mit dem Instrument vom ersten Moment an als ich die Tasten berührte. Alles war schon in mir drin und die erste Plattenaufnahme machte ich ungefähr ein Jahr nachdem ich begonnen hatte, Orgel zu spielen."

Ohne Grenzen und mit viel Gospel-Feeling

Lonnie Smith wurde Mitglied im Quartett des Gitarristen George Benson und spielte später in der Band des Altsaxophonisten Lou Donaldson. Die Musiker, die Smith umgaben, waren bestens ausgebildet und hatten jahrelange Erfahrung auf ihren Instrumenten. Lonnie aber hatte vor allem "Feeling, Liebe und das Verlangen Musik zu machen, das war alles." Das brachte Dr. Lonnie Smith sehr weit: Rund 30 Alben veröffentlichte er unter eigenem Namen heraus, viele davon beim Label "Blue Note" und bei seinem eigenen Label "Pilgrimage". Er wurde 2017 zum NEA Jazz Master ernannt, eine hohe Kulturauszeichnung der USA, und war bis ins hohe Alter weltweit auf Tournee. Genregrenzen interessierten ihn nicht, auf seinem letzten Album "Breath", im März 2021 erschienen ist etwa Rocksänger Iggy Pop als Gast dabei.

Immer war Smiths Musik geprägt von seinem untrüglichen Gefühl für Groove, seinem Gespür für perfekt-swingendes Timing, tief im Blues und Gospel verwurzelt, aber auch mit der blitzschnellen Kantigkeit des Funk versehen. Er hatte die Gabe, mit Melodien Geschichten zu erzählen und mit seinem unkonventionellen Verständnis für Klänge Spannung zu erzeugen. Dazu kam die rätselhafte und auch etwas schräge Aura des Musikers, der seine Konzerte zu Kultereignissen machte. Klänge, Grooves und Themen wurden von ihm und seinen Mitmusikern nicht nur gespielt, sie wurden zelebriert.

Zauber-Klänge und Groove-Geschichten

Hammond-Orgel-Legende Dr. Lonnie Smith | Bildquelle: Camille Blake Dr. Lonnie Smith beim Jazzfest Berlin 2017. | Bildquelle: Camille Blake Dr. Lonnie Smith gab auch jungen Musikerinnen und Musikern die Chance, seine Bands als Sprungbrett für eine eigene Karriere zu nutzen. Seine langjährigen Triopartner, der Filigran-Techniker und Sound-Maler Jonathan Kreisberg an der Gitarre und der Beat-Former und Groove-Garant Johnathan Blake am Schlagzeug, wurden nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit Smith weltweit bekannt. Der Hammondorganist wollte immer, dass seine Mitmusiker ihm Kontra geben, eigene musikalische Wege gehen und Kontraste erzeugenl: "Ich engagiere Musiker doch nicht, um sie zu verstecken. Ich will, dass sie ihre Geschichten erzählen."

Seine musikalische Geschichte hat der Mann mit dem Turban gerne erzählt. Immer war sie besonders, etwas eigenartig, kauzig und zauberhaft zugleich. Der Hammondorgel-Magier Dr. Lonnie Smith ist am 28. September im Alter von 79 Jahren in Fort Lauderdale in Florida, wie seine Managerin bestätigte.

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