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Oper für Gehörlose Spezielle Übertitel im Staatstheater Augsburg

Musik für Gehörlose? Dass dies keine Widersprich ist, beweist das Staatstheater Augsburg. Das Team hat eine spezielle Übertitelung für Menschen mit Höreinschränkungen entwickelt und damit das inklusive Angebot erweitert. Am 13. April läuft die erste Vorstellung von Henry Purcells "The Fairy Queen" – dazu gibt es auch eine Einführung in Gebärdensprache.BR-KLASSIK hat mit David Ortmann, Projektleiter und Leitender Regisseur, über das Angebot gesprochen.

Gebärdensprache  | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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BR-KLASSIK: David Ortmann, wie funktioniert eine Oper für Gehörlose?

David Ortmann: Eine Oper ist erstmal ein Gesamtprodukt, ein Ereignis. Da gibt es ganz viel zu sehen, aber natürlich auch viel zu hören. Und wir möchten gerne schwerhörige und gehörlose Menschen einladen, auch an diesem Erlebnis teilzunehmen. Das machen wir, indem wir eine Übertitelung anbieten, die nicht nur einfach die Texte abbildet, sondern wir übertiteln für Gehörlose separat. Das heißt, es wird übertitelt, welche Figur gerade singt und was in der Musik passiert. Auch wenn man nichts hört oder wenig hört, kann man neben dem Visuellen eben auch ein bisschen nachvollziehen, was gerade auf der Bühne akustisch stattfindet.

Wie beschreibt man Musik für Gehörlose?

BR-KLASSIK: Können Sie ein Beispiel geben, wie man Musik übertitelt? Steht da: Jetzt wird es ganz laut, und das ganze Orchester spielt?

Szene aus Henry Purcells "The Fairy Queen" am Staatstheater Augsburg 2023. | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Die Oper "The Fairy Queen" in Augsburg wird erstmals mit speziellen Übertiteln für Menschen mit Höreinschränkungen gezeigt. | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr David Ortmann: Wir haben eine tolle leitende Dramaturgin im Musiktheater, die für die Übertitel in "The Fairy Queen" in Augsburg generell zuständig ist. Und sie hat sich auch wirklich reingefuchst: Wie kann man Musik beschreiben? Die Frage ist ja, was bringt es zu schreiben: "Man hört ein tolles Geigensolo", wenn man vielleicht noch nie eine Geige gehört hat? Wir haben in der Gruppe der Gehörlosen und höreingeschränkten Menschen auch eine sehr heterogene Zielgruppe: Die Menschen haben unterschiedliche, Hör- oder eben Nicht-Hörerfahrungen. Das heißt, wir machen beides und schreiben zum Beispiel: "Hier ist gerade eine Passage, die nur von Streichern gespielt wird." Und: "Der Effekt, die musikalische Erzählung ist triumphal, tänzelnd." Die Oper "The Fairy Queen" arbeitet auch mit ganz vielen Imitierungen. Also das, was gesungen wird, wird im Orchester wie in einer Art von Echo imitiert. Auch das versuchen wir zu beschreiben.

Es gilt, sich zu öffnen und auch die Community selber sichtbar zu machen.
David Ortmann

BR-KLASSIK: Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, Opern für Gehörlose und hörgeschädigte Menschen anzubieten?

David Ortmann: Ich bin ja selbst hörend – und es passiert so schnell, dass man denkt, man weiß, was diese Menschen brauchen. Und bietet dann irgendetwas an, oder im schlimmsten Fall bietet man gar nichts an. Uns war es deswegen ganz wichtig, einfach auf diese Leute zu hören: Was interessiert euch denn? Wo möchtet ihr gern teilnehmen? Wo gibt es aktuell Barrieren für euch? Und da haben wir bei einer Veranstaltung vor ein paar Jahren nachgefragt. Dabei kam zum Beispiel raus, dass die Leute gerne in das große Musical bei uns gehen würden. Im Sommer sind wir ja auf der Freilichtbühne und das ist ein Stadt-Event. Das war ein ganz großer Wunsch. Also haben wir das letztes Jahr zum ersten Mal gemacht – mit Gebärdensprachdolmetscher:innen, die die gesamte Vorstellung in Gebärdensprache übersetzt haben.

Als zweites Ergebnis kam raus, dass ein Wunsch nach Übertitelung für Gehörlose und Hörgeschädigte besteht. Und das ist ja auch etwas, was wir auch als Theater gut umsetzen können: Wir haben die technischen Anlagen dafür. Das würden wir jetzt auch gerne ausbauen und diese besondere Art der Übertitelung bei immer mehr Produktionen anbieten.

Inklusives Theater der Zukunft

BR-KLASSIK: Es gibt also zwei Varianten der Oper für Gehörlose: entweder mit Übertitelung oder mit einer Gebärdensprachdolmetscherin auf der Bühne. Diese Variante finde ich auch sehr spannend, denn das könnte ja auch Teil der Inszenierung sein.

David Ortmann: Ja, das ist auch ein bisschen für uns das Ziel, wo es in der Zukunft hingehen soll. Wir merken aber auch: Wir brauchen ganz viele Schritte, um alle mitzunehmen und um selber zu lernen. Was möchten diese Menschen? Was ist am schönsten für das Gesamtergebnis? Aktuell ist es noch getrennt, sodass es zum Beispiel eine Ebene der Gebärdensprachdolmetscher:innen gibt und dann eben die Bühnenaktion. Und das Ziel wäre, wirklich inklusive Veranstaltungen zu schaffen, wo auf der Bühne gedolmetscht wird. Aber auch da hört es ja nicht auf. Es gibt auch Schauspieler:innen, die gehörlos sind und so weiter. Auch hier gilt es, sich zu öffnen und eben nicht nur hörende Dolmetscher:innen einzusetzen, die für ein gehörloses Publikum dolmetschen, sondern auch die Community selber sichtbar zu machen. Das sind alles Fragen, die uns beschäftigen. Und wir versuchen, jede Spielzeit besser zu werden.

Sendung: "Leporello" am 13. April 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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