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Pressekonferenz Bayreuth 2022 Sexismusvorwürfe, Überraschungen, Ausblick

Am Mittwoch schien alles noch normal, das änderte sich am Donnerstag jedoch schlagartig: Sexismusvorwürfe in Bayreuth. Bisher hat es von der Festspielleitung dazu nur einzelne Aussagen gegeben. Nun hat sie sich in ihrer alljährlichen Pressekonferenz ausführlicher dazu geäußert – und außerdem ein paar Überraschungen verkündet, fernab von Sexismus.

Eine Plastik-Figur des Künstlers Ottmar Hörl, die den dirigierenden Komponisten Richard Wagner darstellt, steht 19.12.2014 auf seinem Betonsockel entlang des "Walk of Wagner" in Bayreuth (Bayern). Viele der Figuren wurden mittlerweile gestohlen oder durch Vandalismus zerstört. Foto: David Ebener/dpa | Bildquelle: picture alliance

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Für viele war es ein Schock, als am Donnerstag die Nachricht durchsickerte: Sexismus am Festspielhaus in Bayreuth ist offenbar keine Seltenheit. In einem Artikel des Nordbayerischen Kuriers haben mehrere Frauen anonym über verbale und körperliche Belästigung berichtet. Betroffen ist unter anderem die Festspielleiterin Katharina Wagner. Einer der Angeklagten: Christian Thielemann, der sich frauenfeindlich verhalten haben soll. Die Reaktionen folgten auf dem Fuß. Doch wie geht es jetzt konkret weiter?

Betroffene haben sich noch nicht gemeldet

Die Festspielleitung bestätigte in voller Einigkeit, dass sie den Vorwürfen "mit allem Ernst und aller Unnachsichtigkeit nachgehen", so der Vorsitzende des Verwaltungsrats, Georg von Waldenfels. Doch das sei nicht so leicht, da sich die Betroffenen noch nicht bei ihnen gemeldet hätten. "Wir wissen nicht, wie viele Fälle es sind", erklärt Katharina Wagner. In einer Mail, die noch am Freitag an alle Mitarbeitenden geschickt wurde, hatte sie die Bitte geäußert, etwaige Vorkommnisse zu melden. Sollten sich Vorwürfe bestätigen, würden auf jeden Fall "entsprechende Konsequenzen folgen".

Vorwürfe gegen Thielemann zunächst entschärft

Etwas Klarheit konnte immerhin bei den Vorwürfen gegen Christian Thielemann geschaffen werden. Er soll in den Proben beleidigendes Verhalten an den Tag gelegt haben und sogar auf eine Besetzungsänderung gedrängt haben. "Warum 2 Frauen am Bass? Eine reicht!", wird aus einer Mail Thielemanns an den "inneren Zirkel des Festspielhauses" zitiert, die dem Nordbayerischen Kurier vorliegt. In einer Stellungnahme gegenüber Georg von Waldenfels soll Thielemann jedoch betont haben, dass es dabei nicht um das Geschlecht der beiden Frauen gegangen sei, sondern darum, dass es insgesamt zu viele neue Musikerinnen und Musiker in der entsprechenden Stimmgruppe gegeben habe. Auch der Orchestervorstand und die beiden Frauen bestätigten, dass sie nie Übergriffe oder Beleidgungen erlebt haben. "Er hat immer ein freundliches Wort für sie. Sie können sich das überhaupt nicht vorstellen", paraphrasiert Waldenfels die Aussage einer der beiden Frauen. Dennoch wolle man den Vorwürfen noch detaillierter nachgehen.

Möglichkeit der anonymen Beschwerde

Katharina Wagner, Festspielleiterin der Bayreuther Festspiele | Bildquelle: Enrico Nawrath Katharina Wagner ist selbst Opfer von Sexismus geworden, konnte sich aber aufgrund ihrer Position wehren. | Bildquelle: Enrico Nawrath Zu ihren eigenen Erfahrungen äußert sich Katharina Wagner nur sehr sporadisch. Sie bestätigt noch einmal, dass es Übergriffe gegeben hat, dass sie aber unmittelbar harte Konsequenzen gezogen hätte. "Ich kann mich wehren, ich bin in keinem Abhängigkeitsverhältnis." Doch nicht alle haben so eine privilegierte Position wie Katharina Wagner. Gerade bei Hierarchien wie in einem Opernhaus sei es deshalb zwingend notwendig, die Möglichkeit der anonymen Beschwerde einzurichten. So gebe es beispielsweise einen Briefkasten, indem man auch unerkannt von den eigenen Erfahrungen berichten kann. "Man kann mir auch Briefe unter der Tür durchschieben", erklärt Katharina Wagner. Schließlich hätte vielleicht manch einer Angst, am Briefkasten gesehen zu werden. Und auch die Möglichkeit, einen Brief direkt an sie nach Hause zu schicken, sei gegeben. "Ich möchte alles dafür tun, dass die auch geschützt werden", betont sie.

Doch bis sich die Betroffenen tatsächlich melden, bleibt der Festspielleitung wohl nichts anderes übrig, als mit noch geschärfteren Sinnen durch das Festspielhaus zu laufen und jedem noch so kleinen Hinweis nachzugehen. "Wir können ja nicht alle unter Generalverdacht stellen", so Katharina Wagner. Dennoch habe die Geschäftsleitung als weiteren Schritt beschlossen, nach der Premiere des Tristan eine Arbeitsgruppe einzurichten, die sich um das Thema Prävention kümmern soll, sagte Wagner später im Interview mit BR-KLASSIK. "Ich möchte alles dafür tun, dass die Menschen geschützt werden und ich bitte wirklich, den Mut aufzubringen, damit wir überhaupt handeln können!"

Drei Überraschungen

Aber auch fernab von Sexismus hatte die Festspielleitung in Bayreuth bei dieser Pressekonferenz einige Überraschungen parat. Die bereits angekündigte Neuproduktion des Parsifal mit Jay Scheib als Regisseur im nächsten Jahr soll von Pablo Heras-Casado geleitet werden, der damit sein Debüt in Bayreuth gibt. Und noch ein Dirigent*innen-Debüt wird es nächstes Jahr gegeben, denn neben den Wiederaufnahmen des Rings, des Tristans und des Fliegenden Holländers vom letzten Jahr unter der Leitung von Oksana Lyniv, soll nun eine zweite Frau nach Bayreuth kommen: Nathalie Stutzmann mit dem Tannhäuser. Und als letzte Überraschung verkündete Katharina Wagner, dass nicht nur die Götterdämmerung, sondern auch der Ring von der Deutschen Grammophon aufgezeichnet und im Spätherbst mit möglichst originalem Bayreuth-Klang und -Bild auf der Plattform "DG Stage – The Classical Concert Hall" veröffentlicht werden soll. Alle Premieren werden außerdem von BR-KLASSIK im Radio übertragen und die Götterdämmerung zusätzlich als Video-Livestream auf BR-KLASSIK Concert. Ein kleines Trostpflaster für alle, die keine Karten mehr bekommen haben.

Sendetermin im Überblick

Tristan und Isolde
25. Juli, 15.57 Uhr auf BR-KLASSIK

Das Rheingold
31. Juli, 20.04 Uhr auf BR-KLASSIK

Die Walküre
1. August, 20.04 Uhr auf BR-KLASSIK

Siegfried
3. August, 20.04 Uhr auf BR-KLASSIK

Götterdämmerung
5. August, 16 Uhr Video-Livestream auf BR-KLASSIK Concert
5. August, 20.04 Uhr auf BR-KLASSIK
6. August, 20.15 Uhr im 3sat

Lohengrin
24. September, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Tannhäuser
22. Oktober, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Der Fliegende Holländer
19. November, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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