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Rupert Huber – Uraufführung mit dem BR-Chor Musik aus dem Licht der Öllampe

Der Dirigent und Komponist Rupert Huber liebt das Experimentelle und das Übersinnliche. Für den BR-Chor hat er nun ein Stück komponiert, für das er sich körperlich und mental von einer Öllampe hat beeinflussen lassen. Die Idee dafür stammt aus dem Koran.

Rupert Huber dirigiert | Bildquelle: BR / Astrid Ackermann

Bildquelle: BR / Astrid Ackermann

Auf den ersten Blick erscheint der gebürtige Österreicher mit dem eindrucksvollen Bart bodenständig. Doch beim zweiten Hinschauen ist er schon in höher gelegene Sphären unterwegs. Denn die Musik ist für Rupert Huber eine Brücke in eine andere Welt. Oder, wie er auch sagt: eine Schnittstelle zu einem immateriellen Bereich.

Schlüsselerlebnis Kirchenchor

Der Aspekt des Übersinnlichen ist bei Rupert Huber immer präsent. Ob beim Komponieren oder Dirigieren und dann in seinen Konzerten, in denen er oft verschiedene religiöse Musiktraditionen verbindet. Und ja, es gab auch sowas wie ein Schlüsselerlebnis, erzählt er, das ihn dafür geöffnet hat. Als er etwa sieben, acht Jahre war, hat er als kleiner Bub ministiert. Und damals in dem oberösterreichischen Dorf hörte er den Kirchenchor unter Leitung seines Vaters. "Das war sicher mehr schlecht als recht", schätzt Huber, "aber als Kind kannte ich nichts Anderes. Und für mich war das wie im Himmel." Trotz des himmlischen Erlebnisses konnte der Katholizismus ihn nicht halten. Durch Bekannte fand er Zugang zur Mystik - etwa zu der des Islam.

Der Islam verfügt über eine Art des einstimmigen Gesanges, wo wir nur mit offenem Mund davorstehen können.
Rupert Huber

Im aktuellen Programm mit dem BR-Chor sind beide religiösen Strömungen vertreten: ein Choral von Hildegard von Bingen und eine Rezitation in arabischer Sprache. Obwohl es eben, räumt Huber ein, bei der Partitur von Hildegard von Bingen völlig unklar sei, wie das gesungen wurde. "Wir können das nur spekulativ machen." Der Islam ist dagegen höchst lebendig. "Er verfügt über eine Art des einstimmigen Gesanges, wo wir nur mit offenem Mund davorstehen können." Der Koran wird nicht einfach vorgelesen, er muss gesungen werden und gelangt damit musikalisch auf eine Ebene, die für Huber eben wieder diese Schnittstelle zum Übersinnlichen öffnet.

Das Licht der Öllampe symbolisiert im Koran Gott

Gerne würde Rupert Huber selbst arabisch lernen. Oder auch tibetisch. Damit er noch besser versteht. Er interessiert sich für alle möglichen östlichen, für afrikanische, auch schamanistische Traditionen. Für den Abend mit dem BR-Chor hat er ein Stück komponiert, mit dem er sich direkt auf den Koran bezieht, auf die Sure 24. Dort, im so genannten Lichtvers, heißt es: "Allah ist das Licht von Himmel und der Erde." Mohammed beschreibt in diesem Vers, wie eine Öllampe funktioniert.

Zum Komponieren hat Rupert Huber nach dieser Beschreibung erstmal selbst eine Öllampe angezündet: Er hat ein Trinkglas genommen, Olivenöl hineingegossen und eine Schwimmkerze draufgesetzt. So wie man sie in den orthodoxen Kirchen sieht. Wenn man den Docht immer wieder nachschiebt, erzählt er, brennt die Lampe tagelang und gibt ein Licht, das in verschiedenen Grün- und Goldtönen leuchtet. "Und wenn man aufmerksam ist, hat das nicht nur eine physikalisch erhellende Wirkung, sondern rührt einen warmherzig an." Ein Gefühl von Geborgenheit sei auch dabei. Und er habe sich doch gewundert, dass das im Koran die Metapher für Gott ist. Denn wir stellten uns den Islam ja ganz anders vor.

Das Licht der Öllampe - Konzert mit dem BR-Chor

Programm:
Hildegard von Bingen: O nobilissima viriditas; Choral Responsorium
György Ligeti: Lux aeterna; für gemischen Chor a capella
Lichtvers aus dem Koran: Gott ist das Licht des Himmels und der Erde; Rezitation in arabischer Sprache
Rupert Huber: Das Licht der Öllampe; Installation für gemischten Chor und Instrumente/Uraufführung; Hassan Sadeghi - Rezitator; Nora Thiele - Percussion

Chor des Bayerischen Rundfunks unter Leitung von Rupert Huber

Samstag, 23. November 2019 im Münchner Prinzregententheater

Was die körperlich-mentale Wirkung des Öllampenlichts und die musikalische Resonanz im Komponisten Huber ausgelöst haben, hat er aufgeschrieben. Jeden Tag, bis die Lampe ausgegangen ist. Aus der Sammlung der melodischen Funde sind zwei zu echten Kompositionen geworden.

Es geht Huber um den unmittelbaren Zugang

Wie in diesem Fall mit der Öllampe versucht Rupert Huber, unmittelbar und nah dran zu sein an den Dingen. Gerade in Zeiten, räumt er ein, in denen man schnell mal vernetzt ist mit irgendjemand. "Aber wo ist man dann? Ist man bei demjenigen oder ist man hier?" Dieses permanente Halb-Virtuelle führe dazu, dass man in seiner Existenz aufgesplittet sei. Für Rupert Huber ein fataler Zustand. Denn er habe eben kaum noch zu tun mit diesem unmittelbare Zugang zu den Dingen, aus dem dann auch Musik kommen kann über die Schnittstelle zur Immaterialität: Und das ist ihm so wichtig wie irgendwie möglich.

Sendung: "Leporello" am 20. November 2019 um 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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