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Kritik – "Aida" bei den Salzburger Festspielen Zwischen stummen Gesichtern und Todesengeln

Als letzte Opernpremiere der Salzburger Festspiele 2022 stand dieses Jahr nicht eine normale, sondern eine überarbeitete Wiederaufnahme auf dem Programm: Die aus dem Iran stammende Künstlerin Shirin Neshat durfte ihre 2017 vorgestellte Inszenierung von Giuseppe Verdis "Aida" in eine neue Fasson bringen. Gab damals Anna Netrebko ihr Rollendebüt in der Titelpartie, lauschte die Opernwelt nun besonders auf Piotr Beczalas ersten Radamès.

Piotr Beczala (Radamès), Elena Stikhina (Aida), Statisterie der Salzburger Festspiele | Bildquelle: SF / Ruth Walz

Bildquelle: SF / Ruth Walz

Inszenierung mit neuem Anschliff

Fünf Jahre ist es her, dass diese Produktion von Giuseppe Verdis "Aida" in der Regie von Shirin Neshat in Salzburg Premiere hatte. Fünf Jahre, in denen sich nicht nur in der realen Welt, sondern auch in der Welt von Oper und klassischer Musik eine Menge getan hat. Damals war eine gewisse Anna Netrebko als Aida aufgetreten, in dunkler Schminke: Beides ist undenkbar geworden, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Intendant Markus Hinterhäuser wollte es der aus dem Iran stammenden Künstlerin und Filmemacherin Shirin Neshat ermöglichen, ihre damals erste Operninszenierung nachzuschärfen und stärker mit ihrer übrigen Arbeit in Verbindung bringen. Das ist nun gelungen, führt aber immer noch nicht dazu, dass der Abend so richtig vom Fleck kommt.

Weder progressiv, noch konservativ

Neshats Blick auf Verdis "Aida" kommt von innen wie von außen: Von innen, weil sie als Exil-Iranerin die Mechanismen einer streng konservativen Gesellschaftsordnung mit strikter Rollenverteilung nach Geschlechtern genau kennt. Und von außen, weil sie die Oper und ihre althergebrachten Darbietungsmuster, also Rampensingen und Händeringen, nicht theatermäßig aufbricht, wie wir es mittlerweile gewöhnt sind und erwarten, sondern dies als Stilisierung nicht nur fallweise zulässt, sondern sogar einfordert. Immerhin arbeitet sie selbst mit Stilisierungen – und überblendet die Handlung gleichsam in Kostüm und Bild mit der Gegenwart. Doch mit synchron gereckten Soldatenfäusten und statuarischem Einsatz des Chores macht man sich beim progressiven Teil des Publikums keine Freunde; mit einem triumphlosen Triumphakt enttäuscht man den konservativen Teil. Das bedeutet einige erboste Buhrufe. Subtiler und ausdrucksvoller sind da die Gesichter, die in Umbaupausen zu wispernden, vielleicht betenden Stimmen eingeblendet werden, weiters Filmszenen mit Männer- und Frauengruppen, die auf der Bühne ihr Echo finden – und jene Schar schwarzer Todesengel, die in Schlüsselmomenten die Protagonisten begleiten.

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Piotr Beczala: mit Schmelz, aber ohne Tenormachismo

Alain Altinoglu agiert am Pult der Wiener Philharmoniker zunächst etwas zu schönheitstrunken und deshalb manchmal träge, doch das bessert sich im Laufe des Abends. Musikalisch ist freilich das Rollendebüt von Piotr Beczala als Radamès das Aufregendste. Famos, dass er bei allem Schmelz den traditionellen Tenormachismo hinter sich lässt und den Schluss seiner Arie im Pianissimo wagt, wie Verdi es sich gewünscht hat. Nervosität und leichte Unsicherheiten verflüchtigen sich bei ihm spätestens bis zur Pause: Mit subtil schattiertem Stimmglanz erobert sich einer der wichtigsten Tenöre unserer Zeit eine dramatische Partie.

An seiner Seite singt Elena Stikhina mit gedecktem, perlmuttfarbenem Sopran die Aida zwar nicht mit Piano-Raffinesse und Süße, so doch ausdrucksvoll. Ève-Maud Hubeaux ist während der Proben für Anita Rachvelishvili eingesprungen. Ihr gelingt eine respektable Amneris – für eine mitreißende Darbietung ist ihr Mezzosopran jedoch etwas zu klein, hat zu wenig Biss. Und Luca Salsi fleht als Amonasro nicht immer ganz auf Linie, aber mit nachdrücklichen Baritonkantilenen für seine Landsleute.

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Bestürzend aktuell

An die Gnade der Ägypter kann die Regisseurin freilich nicht glauben: Die Kriegsgefangenen werden noch im Triumphakt an Ort und Stelle getötet – und Amonasro dazu. Im Nilakt sind somit Aida und Radamès nur mit den internalisierten Regeln ihrer Gesellschaft konfrontiert und begehen beide Verrat: sie gegen die Liebe, er gegen das Vaterland.

Das wirkt in Zeiten eines Krieges dann doch bestürzend aktuell.

Sendung: "Piazza" am 13. August 2022 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

Kommentare (1)

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Montag, 15.August, 10:27 Uhr

Gerald Bast

Respektlosigkeit der Regie

Erst wird an der Story herumgefälscht, dann wird irgendwann auch noch die Musik dran glauben müssen. Wie in Bayreuth (Ring) bekommt man auch hier eine Darbietung, die den Respekt von den Komponisten vermissen lässt. Darauf kann man gern verzichten

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