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Ausstellung über Arnold Schönberg und den Antisemitismus Toxische Sommerfrische

Kurz nach der Machtergreifung Hitlers 1933 wurde Arnold Schönberg seine Professur an der Berliner Musikhochschule aberkannt. Wenig später floh er über Paris in die USA ins Exil. Dass Schönberg aber schon mehr als zehn Jahre früher Opfer antisemitischer Umtriebe wurde, ist kaum bekannt. Besonders einschneidend für den Komponisten: das sogenannte Mattsee-Ereignis während seines Sommerurlaubs im Salzkammergut, das sich diesen Juni zum hundertsten Mal jährt. Dem Ereignis und seinen Folgen widmet das Wiener Arnold-Schönberg-Center derzeit eine eigene Online-Ausstellung.

Arnold F.W. Schönberg, Komponist | Bildquelle: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo

Bildquelle: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo

"Von Schönberg kann ich Ihnen nur das Beste berichten", schrieb der eine Schönberg-Schüler, Felix Greissle, am 12. Juni 1921 an einen anderen, Alban Berg: "Er ist gut gelaunt und arbeitet bis auf Spaziergänge den ganzen Tag. Er will bis zur Fertigstellung der 'Jakobsleiter' in Mattsee bleiben. Auch seiner Familie geht es gut. Sie bewohnen ein sehr hübsches Haus ganz in der Nähe des Sees, mit riesigen Zimmern."

Vergiftete Idylle

Anfang Juni war Arnold Schönberg in Mattsee unweit von Salzburg eingetroffen, um hier mit seiner Familie eine mehrmonatige Sommerfrische zu verbringen. Auch Freundinnen und Schüler kamen zu Besuch oder quartierten sich in der Nachbarschaft ein. Kurz bevor Schönberg in Mattsee ankam, erschien in der "Salzburger Chronik" eine kurze Meldung, die, hätte Schönberg sie gelesen, ihm eine Warnung hätte sein müssen.

Die heurige Fremden-Saison in Mattsee verspricht sehr gut zu werden. Hoffentlich gelingt es auch heuer dem rührigen Fremdenverkehrsverein unseren Badeort judenrein zu halten.
Aus der 'Salzburger Chronik' im Mai des Jahres 1921

Postkarte von Mattsee im Salzkammergut, wo Arnold Schönberg 1921 seine Sommerfrische verbrachte | Bildquelle: Arnold-Schoenberg Center Wien Toxische Idylle: Postkarte von Mattsee im Salzkammergut | Bildquelle: Arnold-Schoenberg Center Wien Die Forschung spricht in diesem Zusammenhang vom sogenannten "Sommerfrischen-Antisemitismus". Anfangs verlief Schönbergs Aufenthalt störungsfrei. Schließlich aber verlangten ein paar Nationalisten von ihm den Nachweis, dass er kein Jude sei. Obgleich Schönberg zum Protestantismus konvertiert war, konnte oder wollte er einen solchen Nachweis nicht erbringen. Der Widerstand gegen ihn wuchs derart, dass Schönberg sich schließlich gezwungen sah, sein Sommerdomizil zu verlassen.

Leider kein Einzelfall

Das Wiener Arnold-Schönberg-Center widmet diesem Mattsee-Ereignis nun eine ganze Ausstellung. Kuratorin Therese Muxender möchte damit auf die Auswüchse des Antisemitismus vor genau einhundert Jahren hinweisen: "Ein Antisemitismus, der in der idyllischen Seenlandschaft unweit Salzburgs gedeihen konnte und in seiner Ausprägung keineswegs ein einzigartiges, auf einen Ort zu gespitztes Phänomen darstellte. Man muss sich dieser historischen Ereignisse bewusst sein, um sich für das Heute zu sensibilisieren.“

Die von Therese Muxeneder kuratierte Ausstellung zeigt auch, welche Auswirkungen dieser Sommer in Mattsee auf Leben und Werk Schönbergs hatte, mittels Briefen, Zeitungsmeldungen, Fotos und Kompositionen mit Hörbeispielen.

Anstoß zur Konversion

Die Vertreibung aus Mattsee setzte die Beschäftigung des Komponisten mit Judentum und Zionismus in Gang, die 1933 in Paris in die Rückkonversion mündete und sich auch in einigen Werken Schönbergs spiegelt, wie etwa in der Oper "Moses und Aron", dem Sprechdrama "Der biblische Weg" und nach Zweitem Weltkrieg und Shoah in der Kantate "Ein Überlebender aus Warschau". Die Rückbesinnung auf seine jüdischen Wurzeln begann also nicht erst als Schönberg in Berlin mit antisemitischer Hetze und Propaganda konfrontiert wurde und ihm schließlich 1933 seine Professur aberkannt wurde, sondern schon mehr als zehn Jahre davor.

Sendung: "Allegro" am 14. Juni 2021 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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