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Kommentar: Zum 25. Todestag von Sergiu Celibidache Die Entdeckung der Langsamkeit

Wie aufgeregt sind wir als Studenten immer in die Münchner Philharmonie gepilgert, wenn Sergiu Celibidache Bruckner zelebrierte! Wenn der rumänische Guru mir der Liszt‘schen Löwenmähne seinem Lieblingskomponisten wahre Klang-Kathedralen errichtete. Denn "Celis" Bruckner-Aufführungen waren Kult: Solche Spannungsbögen, solche Höhepunkte, solche Transzendenz hat sonst keiner hinbekommen. Jedenfalls nicht mit der stoischen Ruhe, die dem praktizierenden Zen-Buddhisten Celibidache zu eigen war.

Sergiu Celibidache | Bildquelle: picture-alliance/dpa; Montage: BR

Bildquelle: picture-alliance/dpa; Montage: BR

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Mit den Münchner Philharmonikern, die er bis zu seinem Tod 1996 leitete, hatte sich Celibidache den perfekten Klangkörper für seine musikalischen Vorstellungen geschaffen. Die hat der studierte Philosoph Celibidache gern esoterisch verbrämt: "Nichts wollen! Entstehen lassen!" Das war sein Credo. Musik entstand für ihn aus dem Augenblick heraus – so die Essenz seiner musikalischen Phänomenologie. Ja, was denn sonst?! Für die einen war das eine Offenbarung, für andere nur Brimborium.

Legendärer Boléro

Für das organische Wachsen-Lassen der Musik brauchte Celibidache mit zunehmendem Alter allerdings immer mehr Zeit. Die Entdeckung der Langsamkeit wurde zu seinem Markenzeichen. Ganz im Gegensatz zum jungen Feuerkopf Celibidache, der die Berliner Philharmoniker nach dem Krieg zu Höchstleistungen animiert hat. Manchen totgespielten Werken hat Celibidaches späte Bedächtigkeit richtig gutgetan: Ravels "Boléro" zum Beispiel, der bei ihm endlich mal im richtigen, suggestiv langsamen Tempo seinen Sog entfaltet.

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Boléro - Maurice Ravel - Münchner Philharmoniker - Sergiu Celibidache (VHS) | Bildquelle: asimon65 (via YouTube)

Boléro - Maurice Ravel - Münchner Philharmoniker - Sergiu Celibidache (VHS)

Celibidache, der Probenfanatiker

Ironie der Geschichte: Wenn der Konzertmitschnitt nach Celibidaches Tod nicht doch auf CD veröffentlicht worden wäre, hätten wir diese Aufnahme gar nicht. Denn zeitlebens hat Celibidache Ton-Konserven polemisch verweigert. Nicht nur deshalb hat er vor allem in seiner letzten Lebensphase polarisiert, manche hielten ihn gar für einen Scharlatan. Klar, Sergiu Celibidache war ein Schwieriger, ein Probenfanatiker, ein sturer Kopf. Aber auch eine lebende Legende, einer, der den "Mythos vom Maestro" befeuerte und eine magische Aura um sich schuf.

25 Jahre nach seinem Tod ist der Weihrauch weg. Gut so. Mag einem die postume Verklärung seiner Person auch auf den Wecker gehen – sein Ausnahmerang als Musiker ist über jeden Zweifel erhaben.

Sendung: "Allegro" am 13. August 2021 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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