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Kritik - "Die Fledermaus" erstmals an der Mailänder Scala Dirndl, Hirschgeweihe und moderne Architektur

Seit ihrer Uraufführung 1874 gehört Johann Strauß' "Fledermaus" zu den bekanntesten Musiktheaterwerken überhaupt. An der Scala wurde sie allerdings noch nie gespielt, und so kam es am 19. Januar zur Mailänder Erstaufführung. Intendant Alexander Pereira hat das Stück auf Deutsch auf den Spielplan gesetzt und Burgschauspieler Cornelius Obonya Regie führen lassen. Eigentlich sollte Zubin Mehta das Orchester der Scala dirigieren, denn mit ihm zusammen hatte Pereira das ganze ausgeheckt. Wegen Mehtas Erkrankung hat nun der zukünftige Stuttgarter GMD Cornelius Meister das Dirigat übernommen.

"Die Fledermaus" an der Mailänder Scala | Bildquelle: Mailänder Scala / Brescia Amisano

Bildquelle: Mailänder Scala / Brescia Amisano

Die Kritik zum Anhören

Walzer oder Verdi? Zum Glück schließt eins das andere nicht aus, denn auch in "La Traviata" kommen bekanntlich einige Dreivierteltakte vor. Es war also weniger die Frage, ob die Mailänder mit der Musik von Johann Strauß' "Fledermaus" fremdeln würden, als mit welchen Ideen Regisseur Cornelius Obonya und seine Ehefrau Carolin Pienkos den langen Dialogpassagen und dem Wiener Kolorit in der Mailänder Scala begegnen würden. Und, Chapeau - im Bühnenbild von Heike Scheele wird in dieser ersten Mailänder Fledermaus ausgiebig mit österreichischen Markenzeichen kokettiert: Alpenkulisse, Dirndl, Hirschgeweihe und - moderne Architektur! Die Eisensteins wohnen nämlich in einem richtig schicken Alpenchalet mit Gipfelpanoramafenster. Drinnen hängt moderne Kunst, ein Staubsaugerroboter schnurrt übers Parkett, und das Hausmädchen Adele kann deswegen wunderbar die Füße hochlegen.

Akrobatik-Einlagen und konventionelle Bilder

Die Wiener Staatsopern-erprobte Daniela Fally ist sowohl im Dirndl als auch im cremefarbenen Abendkleid auch für die Scala souverän in dieser Paraderolle. Eva Mei hat zwar in der Mittellage nicht die optimale Durchschlagskraft für die Rosalinde, punktet aber mit herrlichen Spitzentönen, und macht im roten Abendkleid der ungarischen Gräfin fantastische Figur. Peter Sonns Eisenstein, wie auch Markus Werbas Falke überzeugen ebenfalls mit zwischen italienisch und deutsch changierenden Dialogen und dem musikalischen Zusammenspiel mit Cornelius Meister und dem Orchester der Scala im Graben. Es ist ein völlig anderer Klang als in Wien, mit dem Strauß' Musik hier präsentiert wird. Weich und dunkel mit starken Blechbläsern, anstelle der sonst obertonreich flirrenden Geigen. Cornelius Meister animiert die Mailänder dennoch zu großer Spritzigkeit und lässt es in der "Donner und Blitz"-Polka dafür ordentlich grummeln. Das Ballett der Scala bietet charmante Tanzeinlagen in moderner Choreographie plus Akrobatik-Einlagen, die davon ablenken, dass die Regie im zweiten und dritten Akt eher in konventionelle Bilder zurückkehrt.

Beginn einer Freundschaft?

"Die Fledermaus" an der Mailänder Scala; Paolo Rossi als Frosch | Bildquelle: Mailänder Scala / Brescia Amisano "Die Fledermaus" an der Mailänder Scala; Paolo Rossi als Frosch | Bildquelle: Mailänder Scala / Brescia Amisano Das Fest bei Oligarchin Orlofskaya findet im mit Hirschgeweih-bestückten Arkadenbau statt, und das Gefängnis bietet ebenfalls die gleiche Felsenreitschul-Architektur vor Alpenkulisse. Der dritte Akt gehört auch in Mailand dem daueralkoholisierten Gefängniswärter Frosch. Paolo Rossi ist so etwas wie der italienische Helge Schneider und bleibt in seiner Interpretation den deutschsprachigen Vorbildern durchaus treu. Er stellt sich die Frage, was Österreicher und Italiener unterscheidet, und beide Seiten bekommen dabei ihr Fett weg. Das Mailänder Publikum wirkte respektvoll interessiert, wenn auch nicht überschwänglich begeistert. Für einen Erstkontakt mit dem über hundertvierzigjährigen Werk möchte man sagen: ein großer Schritt für die Geschichte des Hauses und vielleicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Sendung: "Piazza" am 20. Januar 2018, 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

"Die Fledermaus" an der Scala

Milano, Teatro alla Scala
Premiere: 19. Januar 2018
Regie: Cornelius Obonya
Musikalische Leitung: Cornelius Meister

Weitere Informationen zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage der Scala.

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