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Schumanns "Szenen aus Goethes Faust" an der Staatsoper Hamburg Fantastische Stimmen, zäher Kitsch

Höllentrip oder Himmelfahrt in der Hamburgischen Staatsoper? In Robert Schumanns selten gespielten Szenenfolge zum Goethe-Klassiker "Faust" geht es um die Seele eines großen Sünders und Zweiflers. Achim Freyer, für Regie und Ausstattung zuständig, hatte nichts Geringeres als ein Gesamtkunstwerk im Sinn. Das ging nicht für alle auf und hinterließ im Publikum eher gemischte Gefühle.

Szene aus "Faust-Szenen" an der Staatsoper Hamburg | Bildquelle: Monika Rittershaus

Bildquelle: Monika Rittershaus

Dunkel ist die Welt, in die uns der Regisseur und Bühnenbildner entführt. Da sehen wir einer schleppenden Choreografie von grün geschminkten Dunkelmännern in schwarzen Kapuzenpullis zu, die sehr Symbol-lastige Dinge auf die Bühne tragen: eine blaue Blume, eine Blechtrommel, ein Holzkreuz. Bedeutungsschwanger ist gar kein Ausdruck. Faust ringt die Hände wie ein mittelmäßiger Stummfilmstar. Er steht da als Doppelgänger des berühmten Wanderers über dem Nebelmeer von Caspar David Friedrich. Wolken wabern auf Video: eine Welt im Umbruch.

Musikalischer Gewinn trotz zäher Bilder

Szene aus "Faust-Szenen" an der Staatsoper Hamburg | Bildquelle: Monika Rittershaus Bildquelle: Monika Rittershaus Christian Gerhaher als Faust singt allerdings fantastisch – er artikuliert so klar, dass man die Goethe-Texte wirklich versteht. Auch Christina Gansch als Gretchen und Narea Son als Die Sorge singen einem direkt ins Herz. Keine Frage, musikalisch ist dieser Abend ein Gewinn, das empfinden auch die meisten Zuschauer. Diese lockere Szenenfolge von Robert Schumann pumpt Goethes Faust mit Pathos und Schwulst auf, der schwer erträglich ist. Eine Szenen-Collage über Tod und Erlösung der Titelfigur. Da wird beispielsweise der Himmelskönigin Maria gehuldigt. Die Klangfarben werden knallbunt – da knacken fast die Zuckerkristalle zwischen den Zähnen.

Der Chor der Staatsoper ist brillant. Kent Nagano lenkt sein Orchester ein bisschen zu sehr in romantisch-gründelndes Fahrwasser. Dennoch: Es schwingt und raunt. Ansonsten sind Achim Freyers Bilder unfassbar zäh: Er lässt die Sänger vor einem durchsichtigen Stoff agieren wie Untote – dahinter sitzen Chor und Orchester. Dunkel, abstrakt und leider ohne einen Hauch Ironie.

Blanker Kitsch

Szene aus "Faust-Szenen" an der Staatsoper Hamburg | Bildquelle: Monika Rittershaus Bildquelle: Monika Rittershaus Obwohl Ironie sich ja anbietet beim Faust-Stoff – Mephisto, der Verführer, macht es vor. Aber der erstarrt zur Teufels-Pose mit leuchtenden Plastikhörnern auf dem Kopf. In dieser Inszenierung kriegt man alles doppelt und dreifach. Regisseur Achim Freyer liefert selbstverliebtes Kopftheater, ohne eine sinnliche Übersetzung – ohne einen Zugriff, der Fausts Visionen wirklich erlebbar macht. Was fehlt, ist eine Gegenwelt, die mehr liefert als kleinteilige Dekoration und Selbstgemaltes. Da muss Reibung her! Ansonsten entsteht wie hier blanker Kitsch.

Schumanns "Szenen aus Goethes Faust" an der Staatsoper Hamburg

Marthe, Sorge, Seliger Knabe, Magna Peccatrix: Narea Son
Gretchen, Not, Seliger Knabe, Una Poenitentium: Christina Gansch
Faust, Pater Seraphicus, Dr. Marianus: Christian Gerhaher
Mephisto, Pater profundo, Böser Geist, Bass-Soli: Franz-Josef Selig
u. a.

Hamburger Alsterspatzen
Chor der Hamburgischen Staatsoper
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg

Musikalische Leitung: Kent Nagano

Inszenierung, Bühne, Kostüm- und Lichtkonzept: Achim Freyer

Weitere Informationen und Termine auf der Homepage der Staatsoper Hamburg

Sendung: "Allegro" am 30. Oktober 2018 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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