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Tiroler Festspiele Erl Bemühungen um mehr Transparenz

Eine im Internet veröffentlichte Gagenordnung und die Ernennung einer Ombudsfrau: Mit diesen Mitteln will man bei den Festspielen Erl die Krise rund um die Vorwürfe über unzumutbare Arbeitsbedingung beenden. Überlange Probenzeiten, Künstlerhonorare, die nicht zum Überleben reichen - solche Anschuldigungen wurden im Februar laut. Auch bei der Pressekonferenz zur kommenden Saison ging die Festspielleitung nun erneut auf die Anschuldigungen ein.

Festspielhaus Erl in Tirol | Bildquelle: © Peter Kitzbichler

Bildquelle: © Peter Kitzbichler

"Die Vorwürfe sind aus der Luft gegriffen, gegen alles, was hier behauptet wird, wird geklagt" - so begann der Erler Festspielpräsident Hans Peter Haselsteiner die Pressekonferenz am Karfreitag (30. März 2018). Haselsteiner verwies auf viele Statements von Künstlern, die beweisen würden, wie wohl sie sich in Erl fühlten. Die im Februar erhobenen Anschuldigungen bezeichnete er als böswillige Behauptungen.

Die Vorwürfe sind aus der Luft gegriffen.
Hans Peter Haselsteiner, Festspielpräsident Erl

Im Vorfeld hatte der österreichische Blogger Markus Wilhelm eine Reihe anonymer Quellen veröffentlicht, die unzumutbare Arbeitsbedingungen, vor allem für die teilweise aus osteuropäischen Ländern stammenden Orchestermusiker behaupteten. Auch Johannes Schatz, der Vorsitzende des Vereins "art but fair", der sich um die Arbeitsbedingungen von Kulturschaffenden kümmert, bekräftigte im Gespräch mit BR-Klassik diese Vorwürfe: Erl sei ein besonders gravierendes Beispiel für Ausbeutung.

Festspielleitung legt Gagen offen

Auslöser der Diskussion war unter anderem ein geschwärzter Dienstvertrag, der im Blog von Markus Wilhelm veröffentlicht wurde: mit einem Bruttobezug von 2.280 Euro für einen Zeitraum von ca. zwei Monaten als Musikergage. Darauf - und auf die Beschuldigung, die Künstlerinnen und Künstler auszubeuten -, reagierte die Festspielleitung nun und veröffentlichte ihre Gagenordnung im Internet.

Demnach soll sich die niedrigste Gage für einen Tutti-Geiger im Sommer 2016 auf 4.047 Euro belaufen haben, Reise- und Unterkunftskosten wären noch extra dazugekommen. Ein Solo-Bläser soll im gleichen Zeitraum 7.080 Euro verdient haben. Die Solistengagen würden sich je nach Größe der Rolle zwischen 1.500 Euro und 5.000 Euro pro Vorstellung bewegen. Solche Gagen seien natürlich nicht vergleichbar mit den Gagen der Top-Häuser, betonte Festspielpräsident Hans Peter Haselsteiner bei der Pressekonferenz am Karfreitag. Wenn Erl Salzburg-Gagen zahlen würde, müssten die Tiroler Festspiele zusperren, fügte er hinzu.

Gagenliste ist "stümperhaft"

Johannes Schatz von "art but fair" bezeichnete die Veröffentlichung der Gagen als "stümperhaft". "Aus unserer Sicht, ist die Erler 'Gagenordnung' weder eine Ordnung, noch deckt sie sich mit den Musiker-Verträgen, die uns vorliegen," erklärt Schatz gegenüber BR-KLASSIK. Laut "art but fair" müsse ein Tarifvertrag für Musiker zwingend Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten, zusätzliche Zuwendungen, Sozialbezüge, Urlaub und noch viele weitere Positionen klar regeln. Aus der Erler Veröffentlichung gingen diese wichtigen Informationen nicht hervor.

Das Ganze beweist, wie wenig Ahnung die Verantwortlichen in Erl von einem modernen Musiker- bzw. Künstlerrecht tatsächlich haben.
Johannes Schatz, art but fair

Auch von Seiten der "Younion", der Musikergewerkschaft in Österreich, kommt eine zurückhaltende Einschätzung der veröffentlichten Gagenliste. Die Info hänge in der Luft. "Nach Durchsicht der sogenannten Gagenordnung ist es klar, dass man ohne Zuordnung von Probendiensten, als auch Aufführungsdiensten keine Verknüpfung zu den veröffentlichten Bruttogagen vornehmen kann", erklärt ein Vertreter der "Younion" gegenüber BR-KLASSIK. Es werde nicht ersichtlich, wieviel für die jeweilige Gage tatsächlich gearbeitet werden müsse.

"Code of Conduct" und Ombudsfrau sollen gute Arbeitsbedingungen garantieren

Die Festspielleitung sieht den Fall unterdessen als abgeschlossen: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", erklärte Hans Peter Haselsteiner bei der Pressekonferenz. Zusätzlich zu der Veröffentlichung der Gagen hat die Festspielleitung den Posten einer Ombudsfrau eingerichtet. Mit der ehemaligen Landesrätin Christine Baur (Grüne) soll es ab sofort eine "absolut autonome" Vertrauensperson geben, an die etwaige Beschwerden herangetragen werden können. Außerdem wurde ein "Code of Conduct", also Verhaltensregeln erarbeitet, die für alle Festspielmitarbeiter - einschließlich Geschäftsführung und Intendanz - gelten sollen. Der "Code of Conduct" wird auch als Grundlage für die Arbeit der neuen Ombudsfrau dienen.

Ich kann absolute Vertraulichkeit zusichern.
Christine Baur, Ombudsfrau für die Tiroler Festspiele Erl

Christine Baur, die in den letzten Jahren auch als Gleichbehandlungsanwältin gearbeitet hat, sieht es jetzt als größte Herausforderung, Vertrauen zu gewinnen. Gegenüber BR-KLASSIK sagte sie: "Ich verstehe meine Aufgabe so, dass ich mir alles anhöre, dann rechtlich einordne, belehre - und sage, was überhaupt rechtlich relevant ist oder wie man anders damit umgehen kann." Außerdem werde sie keinerlei Schritte unternehmen, die nicht ausdrücklich von Betroffenen gewünscht würden.

Auf die über Facebook veröffentlichte Kritik (5. April 2018) von "art but fair", die Erler Ombudsfrau besitze weder ein Büro, noch stehe ihr ein für die größtenteils fremdsprachlichen Künstler wohl benötigter Dolmetscher zur Verfügung reagierte Christine Baur gelassen: "Ich bin per Mobiltelefon und E-Mail erreichbar." Außerdem wäre es wenig geschickt, ergänzt Baur, einen Ort für Beratungen bei den Erler Festspielen zu haben, "wo jeder sich etwas denkt, wenn er jemand dort hineingehen sieht." Für Beratungsgespräche, die nicht auf Englisch geführt werden könnten, sollen Dolmetscher zur Verfügung gestellt werden.

Thema in der Sendung "Piazza" vom 31.03.2018 ab 08.05 Uhr auf BR-KLASSIK.

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