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Mögliche Folgen der EU-Urheberrechtsreform Uploadfilter für Beethoven

Vergangene Woche hat das Europaparlament der umstrittenen Urheberrechtsreform zugestimmt. Kritiker der Reform befürchten, dass nun besonders die Videoplattform "Youtube" häufiger Musik blockiert. Das könnte auch Folgen für Klassikhörer und -hörerinnen haben.

Bildquelle: dpa-Bildfunk/Christoph Soeder

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Den Anfang von Beethovens fünfter Sinfonie kennt nahezu jeder. Sie ist praktisch ein Kultur- und Allgemeingut. Ist es folglich kein Problem, wenn man eine Aufnahme der Fünften im Internet teilt? Ganz so einfach ist das nicht: Beethovens eigene Rechte an der Musik sind zwar längst erloschen, denn das passiert bereits 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Aber es gibt auch das Leistungsschutzrecht, etwa für das Orchester und auch das Plattenlabel. Dieses Recht wird im Internet oft gebrochen: Etwa auf der Videoplattform Youtube, wo viele Aufnahmen landen, ohne dass Künstler und Label dafür bezahlt wurden. Mit dem Artikel 17 der EU-Urheberrechtsreform haften die Plattformen künftig für solche Verstöße. Sie sollen deswegen Lizenzen bei den Rechteinhabern erwerben. Das Ziel: Eine angemessene Vergütung für Kreative im Internet.

GEMA befürwortet die Reform

"Wir glauben, dass insbesondere dieses Element die Position der Urheberinnen und Urheber in ganz Europa gegenüber den Plattformen deutlich verbessert", sagt Dr. Tobias Holzmüller, Justiziar der GEMA. Die Musik-Verwertungsgesellschaft unterstützt die Reform. Besonders der Artikel 17 ist aber umstritten: Wenn sich Rechteinhaber beschweren, sollen die Plattformen verhindern können, dass geschützte Werke überhaupt hochgeladen werden. Kritiker der Reform sagen, das wäre nur durch Uploadfilter machbar, die automatisch entscheiden, ob ein Inhalt erscheinen darf oder nicht. Und weil Technik eben nicht perfekt ist, könnten dann auch Werke, die eigentlich legal hochgeladen wurden, blockiert werden.

Uploadfilter sind fehleranfällig

23.03.2019, Berlin, München: Zehntausende Menschen nehmen an der Demonstration gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform und mögliche Upload-Filter auf dem Marienplatz teil. Kurz vor der entscheidenden Abstimmung über die Reform des Urheberrechts im EU-Parlament haben Tausende in Europa gegen das Vorhaben protestiert. Gegner der Reform und vor allem des umstrittenen Artikels 13 hatten Demonstrationen in rund 20 Ländern angekündigt. Foto: Thomas Körbel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Thomas Körbel In München protestierten nach Angaben der Polizei 40.000 Menschen gegen die Urheberrechtsreform. | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Thomas Körbel Wie schnell das schon beim bisherigen Youtube-System geht, musste Dr. Ulrich Kaiser, Professor für Musiktheorie an der Musikhochschule München, erfahren. Er hatte Chorstücke hochgeladen, die er selbst dirigierte und an denen er die Rechte hat. Das "Content ID" genannte System reklamierte aber, die Aufnahme sei von Wolf-Dieter Hauschild und sperrte das Video entsprechend. Kaiser konnte zwar mit einer Beschwerde die Sperrung aufheben lassen, merkte aber so, wie schlecht der Filter bei klassischer Musik und Chormusik funktioniert.

Inhalte könnten gesperrt werden

Während die Erkennungsmechanismen bei Pop- oder Schlager meistens recht zuverlässig arbeiten, ist es für eine Maschine vergleichsweise schwer, zwei ähnliche Aufnahmen einer Beethoven-Sinfonie zu unterscheiden. Dass deshalb künftig aber jegliche Klassik-Aufnahmen geblockt werden, hält Tobias Holzmüller von der GEMA für eher unwahrscheinlich: "Die Werke, die man blockieren könnte, die werden alle lizenziert werden. Das ist im Endeffekt auch die beste Lösung, weil dann der Uploader auch davon profitiert und sagt: Das ist eine Plattform, da kann ich meine Sachen rechtssicher hochladen und muss nicht immer Angst haben, dass mich irgendeiner abmahnt." Inhalte sperren müsste die Plattform nur, wenn ein Rechteinhaber das auch fordere. Und in der Regel sei diesen mehr an einer Vergütung durch Lizenzen als an einer Sperrung gelegen.

Ich glaube, dass das Thema Filter im Sinne von Verhinderung des Uploads vollkommen überbewertet wird.
Dr. Tobias Holzmüller

Ausnahmen sind möglich

Die großen Internetkonzerne können solche Lizenzen problemlos bezahlen. Kritiker befürchten aber, dass die Reform auch kleine Plattformen treffen könnte, die sich keine Lizenzen und Filtersysteme leisten können. Ausnahmeregeln für Bildungszwecke sind zwar vorhanden, die seien aber zu schwammig formuliert, findet Ulrich Kaiser. Er hat einen gemeinnützigen Verein gegründet, der Bildungsmaterialien für den Musikbereich kostenfrei zur Verfügung stellen will. Er befürchtet nun, dass auch dort Lizenzen nötig werden könnten: "Es ist wahnsinnig schwierig, wenn wir da in die Haftung genommen werden würden. Das könnte für so einen gemeinnützigen Verein ganz schnell das Aus bedeuten."

Reform muss nun umgesetzt werden

Viele dieser Fragen sind noch offen, weil die Reform bisher nur eine Richtlinie ist. Sie muss nun zu nationalen Gesetzen werden, nach der Zustimmung des europäischen Rates – eine reine Formsache – haben die Länder dafür zwei Jahre Zeit. Zeit, in der die Politik Vertrauen zurückgewinnen muss. Denn es geht nicht nur um eine möglicherweise blockierte Beethoven-Sinfonie, sondern die grundsätzlichen Befürchtungen sind viel größer: Wenn es erstmal Filter gibt, könnte womöglich künftig die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden.

Das Urheberrecht schützt schon lange nicht mehr die Kunst, sondern nur den Kommerz mit der Kunst.
Dr. Ulrich Kaiser

Kritiker sehen Meinungsfreiheit in Gefahr

23.03.2019, Hamburg: Ein Demonstrant hält auf dem Gänsemarkt ein Schild mit der Aufschrift "Filter? Nur für Kaffee!". Kurz vor der entscheidenden Abstimmung über die Reform des Urheberrechts im EU-Parlament haben Tausende in Europa gegen das Vorhaben protestiert. Gegner der Reform und vor allem des umstrittenen Artikels 13 hatten Demonstrationen in rund 20 Ländern angekündigt. Foto: Markus Scholz/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Markus Scholz Die Proteste gegen die Reform richteten sich in erster Linie gegen Uploadfilter. | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Markus Scholz "Es ist natürlich nur eine Frage der Zeit, dass sich mal irgendwo das politische Klima ändert. Dann ist die Gefahr gar nicht mehr abzuweisen, dass auch nach anderen Dingen gesucht wird, und dass darüber auch eine Meinungseinschränkung möglich wäre", sagt Ulrich Kaiser. Wegen dieser Befürchtungen demonstrierten allein in München 40.000 Menschen laut der Polizei gegen die Reform. Kritik, die man ernstnehmen muss, findet auch Tobias Holzmüller von der GEMA. "Ich wünsche mir für den Artikel 17, dass man ihn mit Augenmaß umsetzt, sodass man möglichst minimale Auswirkungen auf die Ausdrucksfreiheit im Internet hat. Ich glaube, die Menschen, die sich jetzt dazu geäußert haben, dürfen auch nicht ignoriert werden."

Kaiser wünscht sich, dass der gemeinnützige Bereich vom Urheberrecht nicht betroffen ist. Er fordert einen ethisch begründeten Umgang mit dem Internet. So ein Umgang müsste bestenfalls Künstler wie auch die Meinungsfreiheit schützen. Und das würde wahrscheinlich auch Beethoven gefallen.

Artikel 17, Absatz 4 – aus der EU-Richtlinie

"Wird die Erlaubnis [zur Nutzung des Werkes, Anm. d. Red.] nicht erteilt, so ist der Diensteanbieter [...] verantwortlich, es sei denn, der Anbieter dieser Dienste erbringt den Nachweis, dass er
a) alle Anstrengungen unternommen hat, um die Erlaubnis einzuholen; und
b) nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle Anstrengungen unternommen hat, um sicherzustellen, dass bestimmte Werke [...] nicht verfügbar sind; und in jedem Fall
c) nach Erhalt eines hinreichend begründeten Hinweises von den Rechteinhabern unverzüglich gehandelt hat, um den Zugang zu den entsprechenden Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zu sperren bzw. die entsprechenden Werke oder sonstigen Schutzgegenstände von seinen Internetseiten zu entfernen , und alle Anstrengungen unternommen hat, um gemäß Buchstabe b das künftige Hochladen dieser Werke oder sonstigen Schutzgegenstände zu verhindern."

Den gesamten Text der Richtlinie finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 3. April ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Freitag, 05.April, 07:18 Uhr

Kindmann

Urheberrecht mit gewissen Fernsehsendungen, ARD..

Ich wohne im Elsasss in Frankreich und ich habe das gleiche Problem mit manchen Fernsehsendungen. Am Bildschirm kann ich sie sehen. Aber mit Internet habe ich öfters den Vermerk "aus rechtlichen Gründen kann die Sendung im Ausland nicht gezigt werden" oder "die Sendung kann nur in Deutschland und Österreich gezeigt werden". Und das verstehe ich nicht. Warum kanndiese Sendungen am Fernsehen anschauen aber nicht mit dem Computer ?

Antwort der Redaktion: Aus rechtlichen Gründen kann es vorkommen, dass Internetangebote mit einem sog. Geoblocking versehen werden, um bloß in denjenigen Ländern abrufbar zu sein, für die Rechte bestehen. Fernsehen hingegen kennt kein Geoblocking, ist dafür aber nicht überall empfangbar.

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