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Podcast-Kritik: "Wagner-Lesarten" Ohrenfutter für Wagner-Freaks

Chinesisch kochen, Alltag im Mittelalter, Baywatch Berlin: Kleinigkeiten, Kuriositäten und kulturelle Errungenschaften gibt es mittlerweile als Podcast. Der neue Podcast "Wagner-Lesarten" nimmt sich nun einen richtig harten Brocken vor: Richard Wagners "Ring des Nibelungen". In den sechs Folgen der Gesprächsreihe laden die Hosts Thilo Braun und Niklas Rudolph eine*n Wissenschaftler*in ein. Und sie lassen sich vom jeweiligen Gast verschiedene Aspekte der "Wagner-Lesarten" erklären. Allerdings fehlt BR-KLASSIK Autorin Sylvia Schreiber ein entscheidendes Detail.

Richard Wagner | Bildquelle: Archiv des Bayerischen Rundfunks

Bildquelle: Archiv des Bayerischen Rundfunks

Wagner als Podcast - wow! Da stellen sich alle Antennen auf Empfang, da krieg ich Spitzöhrchen. Sollte mir also endlich jemand das Phänomen erklären können, warum mich Wagners Musik überwältigt, geradezu in einen Klangrausch versetzt? Warum mich dieser größenwahnsinnige Wagner trotzdem anekelt, als einer, der Judenhass verbreitet hat und sich klammheimlich Frauenkleider aus Seide anzog? So ähnlich fragen sich das auch die Hosts des Podcasts "Wagner-Lesarten" gleich zu Beginn.

Einblicke in die Wagner-Werkstatt

Dirigent Kent Nagano | Bildquelle: Felix Broede Kommt im neuen Podcast "Wagner-Lesarten" zu Wort: der Dirigent Kent Nagano. | Bildquelle: Felix Broede Ab Minute sieben im Podcast werde ich allerdings stutzig. "Wagner wird vom Ballast der Jahrhunderte befreit", heißt es da. Ich rechne mal kurz nach: Die Walküre wurde 1870 uraufgeführt. Von so vielen Jahrhunderten kann man Wagner rein rechnerisch gar nicht befreien. Das muss wohl eine standardisierte Formulierung sein, derer sich Vertreter der historisch informierte Aufführungspraxis gerne bedienen. Was mir die Macher des Podcasts damit vermutlich nur sagen wollen: "Wie hat Wagner gearbeitet, was hat Wagner gemeint." Und das klingt vielversprechend. Einblicke in die Wagner-Werkstatt gewähren! Gemeinsam mit Musikerinnen und Musikern vom Ensemble Concerto Köln, die auch zu Wort kommen – wenn auch nur kurz. Der Dirigent des "Ring"-Projekts, Kent Nagano erklärt, welch hohen Anspruch er an so einen historisch informierten "Ring" hat.

Eigentlich wären wir ja mit diesen Stimmen mittendrin in Wagners Klangwelt. Wir könnten Leute aus der Praxis fragen, wie sie den Notentext denn nun umsetzen. Hinhören, wie das dann klingt! Aber: Musik gibts nicht in diesem Podcast. Keine Note. Zumindest nicht in den ersten beiden Folgen. Stattdessen wird viel geredet. Zwar in einem entspannten Plauderton und mit viel Hintergrundkentnissen. Aber genau die braucht es auch, um überhaupt dran zu bleiben! So ganz folgen kann man den beiden Hosts nämlich nicht immer.

Nichts für Wagner-Neulinge

Die Frage lautet also: An wen richtet sich die Reihe? Wagnerfrischlinge fühlen sich damit verloren wie eine Nacktschnecke in der Wüste. Viel Theorie, zu viel Name-Dropping. Da führt die vielversprechende Einleitung einfach in die Irre. Denn es geht nicht um Widersprüche bei Wagner. Es geht, das ist vor allem mit der zweiten Folge klipp und klar, um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung. Heißt: Wagner für Freaks. Wem die korrekte Aussprache der Konsonanten G, K und R im 19. Jahrhundert schon immer schlaflose Nächte bereitet hat, für den ist der Podcast perfekt. Denn genau das findet in diesem Gespräch mit dem wirklich engagierten Sprechwissenschaftler Ulrich Hoffmann statt. Warum sagt man nicht Wasserrrr, sondern Wasser… wann wird aus G ein CH, aus G ein K. Alles spannend! Auch, ob es nun rrrrrrr oder r heißt.

Wie ein Kochrezept ohne Geschmacksprobe

Trotzdem reicht "Wagner zu Lesen" einfach nicht. Damit verknüpft ist immer: Wagner HÖREN. Es verhält sich doch beim Kochen genauso: Da genügt es nicht, die chemische Zusammensetzung eines Gerichts zu bestimmen. Man will doch auch was zwischen den Zähnen haben! Für die nächsten Folgen wünsche ich mir darum für alle Nerds und Neulinge unter den Wagnerianern: Nur ein kleines bisschen mehr Fleisch, sprich Klangbeispiele. Auch wenn Wagner Vegetarier war.

Infos zum Podcast

"Wagner-Lesarten"
Ein Podcast über Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen" in historisch informierter Aufführungspraxis
Hosts: Thilo Braun und Niklas Rudolph
Mitwirkende: Concerto Köln, Kent Nagano, Freunde des Concerto Köln, Kulturstiftung NRW
14-tägig über alle Podcast-Anbieter, 6 Folgen sind geplant

Sendung: "Allegro" am 11. Mai 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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