Die "West Side Story" ist Kult - doch nur wenigen ist es vergönnt, die Ur-Choreographie von Jerome Robbins auf die Bühne bringen zu dürfen. Joey McKneely ist als ehemaliger Schüler von Robbins einer der Glücklichen. Seit März ist seine Compagnie wieder mit dem Broadway-Klassiker auf Welttournee. Seit dem 26. April ist die Show in München zu sehen. Franziska Stürz hat die Premiere miterlebt.
Bildquelle: Deutsches Theater München/Johan Persson
Die Kritik zum Anhören
Wow, sehen die gut aus, diese American Boys - ob sie jetzt Bernardo oder Chino heißen und Puerto Ricaner darstellen, oder White Boys wie Riff und Tony sind. Und die Girls, die diese New Yorker West Side bevölkern, haben ebenfalls alle top-trainierte Körper und extrem schöne Beine. Dass diese sich die meiste Zeit in der Luft befinden, dafür sorgt Joey McKneelys Choreographie nach dem Vorbild von Jerome Robbins' Ur-Version.
Bildquelle: Deutsches Theater München/Johan Persson In atemberaubender Präzision wird auf der Bühne des Deutschen Theaters herumgewirbelt, pubertär herumgealbert, oder agressiv Luft abgelassen, um dann plötzlich im warmen rosaroten Licht zu großen, unsterblichen Gefühlen zu finden. Natalie Ballenger ist eine zierliche, anrührende Maria mit konsequent durchgehaltenem Hispano-Akzent, und Kevin Hack als ihr Tony überwältigt mit einem Tom-Cruise-ähnlichen Äußeren und feinsten Tenortönen, die so manchen Opernkollegen in den Schatten stellen.
Weniger Ausstattung als Action bietet diese West Side Story. Die mobilen Feuertreppen in Paul Gallis' Bühnenbild sind ein Muss für das originale New-York-Feeling. Schwarzweiß-Projektionen von Häuserschluchten geben gelegentlich optisch etwas mehr Tiefe, und dank der Kostüme von Renate Schmitzer kann man die knallig bunten Puerto Ricaner und die beige und hell gekleideten Jets immer gut unterscheiden. Riff und Bernardo lassen unter der Eisenkonstruktion der Brooklyn Bridge ihr Leben, für Marias Zimmer braucht es nur ein Eisenbett. Auch der Brautmodenladen ist nur durch zwei Figurinen angedeutet. Puristisch und auf die Darsteller fokussiert funktioniert diese emotionsgeladene Geschichte gut auf der Bühne. In die Kitsch-Falle tappt die Regie nur einmal, wenn zur Traumsequenz vom leider im Off gesungenen "Somewhere" die Compagnie ganz in weiß vor einem Abendhimmel die heile Welt ertanzt.
Bildquelle: Deutsches Theater München/Johan Persson Auch Keely Beirne als energische und kapriziöse Anita wird ihrer facettenreichen Rolle zwischen verspielter Sexbombe und tragischer Rächerin mehr als gerecht. Auch wenn sie in diesem Stück immer wieder sterben müssen: Tot zu kriegen sind Tony, Riff und Bernardo noch lange nicht. Und es braucht wirklich nicht viel Phantasie, um sich klar zu werden, dass diese Geschichte hier und jetzt in München oder Berlin, in Paris, London, Tel Aviv oder Istanbul geschehen kann, ja vielleicht sogar geschieht. Auch wenn es schön ist, das Werk in der Urfassung zu erleben, wäre es doch an der Zeit, die New Yorker Hinterhöfe der 50er-Jahre auch mal verlassen zu können. Vielleicht klappt es für die übernächste Generation - someday, somewhere…
25.04.2017 - 14.05.2017
Vorstellungsbeginn:
Dienstag - Freitag: 19.30 Uhr
Samstag: 15.00 Uhr und 19.30 Uhr
Sonntag: 14.30 Uhr und 19.00 Uhr
Choreographie und Inszenierung: Joey McKneely
Sendung "Allegro" am 27. April 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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