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Plácido Domingo und die Missverständnisse Vom Entschuldigen, Absagen und Zurückrudern

Am Dienstag hatte er sich für sein Fehlverhalten gegenüber Frauen entschuldigt. Jetzt betont Domingo, er habe sich "nie aggressiv gegenüber irgendjemandem verhalten". Domingos Zurückrudern von der eigenen Entschuldigung sorgt für Wirbel: In Spanien wurden alle Engagements mit dem Opernstar abgesagt. Andere Häuser in Europa halten weiter an Domingo fest – wie die Bayerische Staatsoper. Das wiederum sorgt nun für Proteste von Politikern im Kommunalwahlkampf, wie BILD berichtet. Diese fordern eine Absage der für Juli in München geplanten Auftritte.

Plácido Domingo | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Plácido Domingo wird zum Wahlkampf-Thema: In München greifen Politiker, darunter Oberbürgmermeister Dieter Reiter, die Bayerische Staatsoper an. Wie BILD am Freitag berichtet, fordern OB-Kandidaten und prominente Opernfreunde: Die Auftritte von Plácido Domingo müssen abgesagt werden. "Die Bayerische Staatsoper darf niemandem eine Bühne bieten, der Frauen sexuell belästigt hat", schreibt OB-Kandidatin Katrin Habenschaden von den Grünen. Wie lange die Taten zurückliegen, spiele keine Rolle. Nach Domingos Schuldeingeständnis habe sich die Faktenlage geändert, sagt auch OB-Kandidatin Kristina Frank. Sie sei sich sicher, die Bayerische Staatsoper werde "nicht einfach weiter nach Plan verfahren". Dass er jede Art von Gewalt an Frauen ablehnte, betont auch OB Dieter Reiter: "Vor dem aktuellen Hintergrund würde ich Herrn Domingo nicht nach München, in ein städtisches Haus einladen wollen."

Bayerische Staatsoper hält an Verträgen mit Domingo fest

Die Bayerische Staatsoper in München hat am Donnerstag noch bekräftigt: Domingo werde bei den Opernfestspielen im Sommer auf der Bühne stehen. "Es gibt in unserem Haus keinerlei Vorfälle und es gibt auch von Seiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keinerlei Bedenken über dieses Engagement", sagt Pressesprecher Christoph Koch gegenüber BR-KLASSIK.

Wir sehen keinen Grund, vertragsbrüchig zu werden.
Christoph Koch, Bayerische Staatsoper

Damit bestätigt Koch, was Nikolaus Bachler bereits am Mittwoch gegenüber der dpa sagte: Keine Vorfälle am Haus, keine Bedenken. Koch ergänzt: Eine gute Atmosphäre am Haus sei für alle wichtig, unangemessenes Verhalten werde verurteilt. "Es gibt an der Staatsoper Instanzen, die im Falle eines Falles mit Rat und Tat zur Seite stehen würden", erklärt Koch. Es gebe also durchaus Möglichkeiten für Betroffene. Fazit: "Wir sehen im Großen und Ganzen keinen Grund, vertragsbrüchig zu werden."

Nach Absagen in den USA nun auch in Europa

In den USA hatten bereits im vergangenen Sommer mehrere Opernhäuser, unter anderem die MET und LA Opera, Auftritte mit Plácido Domingo gestrichen. Damals waren die ersten Vorwürfe der sexuellen Belästigung von Frauen gegen den Startenor der 1980er- und 1990er-Jahre laut geworden. Am Dienstag, also sechs Monate später, hat Plácido Domingo sich öffentlich für sein Fehlverhalten entschuldigt. Allerdings zeitgleich mit ersten belastenden Informationen aus einer Untersuchung der amerikanischen Operngewerkschaft AGMA. Ausgerechnet in Domingos Heimatland Spanien wurden sofort Konsequenzen gezogen.

Spanien lässt Domingo fallen

Einen Tag nach Domingos Entschuldigung hat zunächst das Teatro de la Zarzuela in Madrid zwei Auftritte von Domingo gestrichen. Heute früh kam Domingo dann dem Teatro Real zuvor und sagte sein Engagement selbst ab. Auch beim Festival de Úbeda im Süden Spaniens wurde ein geplantes Konzert mit Domingo abgesagt. Es sieht so aus, als würde sich Spanien komplett von Domingo abwenden. Dabei war er dort im Dezember noch mit Standing Ovations gefeiert worden. "Bis jetzt war die Lage anders, bis jetzt galt die Unschuldsvermutung", so Kulturminister José Manuel Rodríguez.

Salzburger Festspiele wollen Untersuchungen abwarten

Umjubelt wurde Domingo im letzten Sommer auch bei den Salzburger Festspielen. Auch dort wollte man den Opernstar nicht vorverurteilen. Das gelte noch immer, so Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler, aber die Situation habe sich verändert, sagt sie gegenüber BR-KLASSIK: "Plácido Domingo hat eingeräumt, dass sein Verhalten die betroffenen Frauen verletzt haben könnte und sich dafür entschuldigt. Jetzt allerdings machen andere Aussagen die Runde: Er habe nicht gemeint, dass er sich etwas zu Schulden habe kommen lassen."

Es war und ist uns ein Anliegen, Domingo fair zu behandeln.
Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele

Für den Moment will Rabl-Stadler abwarten: "Wir wollen als Festspiele zunächst umfassende Informationen zum Fortgang der in den USA laufenden Untersuchungen einholen und danach unsere Entscheidung der Presse bekanntgeben."

Engagements in Europa auf dünnem Eis?

Was weitere Engagements Domingos in Europa betrifft: Auch die Wiener Staatsoper teilt BR-KLASSIK auf Anfrage mit, dass die Angelegenheit Domingo noch "geklärt" werden müsse. Das gleiche gilt für ein Konzert in Luzern. In Verona, Florenz, London und Moskau stehen Domingos Auftritte derzeit nicht in Frage. Es entsteht der Eindruck, dass viele erstmal abwarten, was passiert. Was aber durchaus denkbar ist: Sobald eines der großen Opernhäuser oder Festivals Plácido Domingo auslädt, könnte die Lawine ins Rollen kommen.

Domingo rudert zurück

Nach seiner Entschuldigung am Dienstag hat Domingo heute eine neue Erklärung abgegeben: Sein Statement habe einen "falschen Eindruck" hinterlassen. "Ich weiß, was ich nicht getan habe, und ich werde es wieder bestreiten", betont Domingo. Er habe sich "nie aggressiv gegenüber irgendjemandem verhalten" oder etwas getan, um "die Karriere von irgendjemandem zu behindern". Seine Entschuldigung sei "ernst gemeint" und an alle Kolleginnen gerichtet gewesen, "die ich in irgendeiner Art durch etwas, was ich gesagt oder getan habe, verletzt haben könnte", erklärte Domingo weiter.

Ich weiß, was ich nicht getan habe, und ich werde es wieder bestreiten.
Plácido Domingo

Untersuchungen zu Vorwürfen laufen weiter

Während die Ergebnisse einer Untersuchung an der Los Angeles Opera, wo Domingo bis Oktober Künstlerischer Direktor war, noch ausstehen, hat die Operngewerkschaft AGMA bereits am Dienstag erklärt: Nach ihren Untersuchungen habe sich Domingo in der Tat "unangemessen" verhalten. Welche Konsequenzen diese Untersuchungen letztlich haben werden, bleibt abzuwarten. Sechsstellige Strafzahlungen stehen nach Informationen der New York Times dabei im Raum. Das Ziel dieser Untersuchung hat die Operngewerkschaft aber bereits formuliert: "Wir sind dabei, das adäquate Vorgehen zu bestimmen, um zwei Botschaften zu senden: a) dieses Verhalten wird von uns nicht toleriert und b) wir sehen uns in der Führungsrolle einer landesweiten Anstrengung, um sexuelle Belästigung zu eliminieren."

Sendung: "Leporello" am 27. Februar 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (6)

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Dienstag, 03.März, 09:11 Uhr

Frank Fleck

Domingos Liebestod

Ob oder ob nicht, das ist doch gar nicht die Frage für die Öffentlichkeit, denn Keiner hier war dabei.
Erstaunlich ist, der Umgang damit. Frauen - wie auch hier im Kommentar- unterstellen anderen Frauen aus Habgier einen ehemaligen Kollegen/ Chef zu beschuldigen.
Dabei zeigen auch andere Fälle, Opfer reden, wenn sie dazu in der Lage sind, sich seelisch stark und in einer Gesellschaft sicher fühlen. Meist liegen dazwischen viele Jahre.
Interessant ist auch die Reaktion des Opernpublikums, das für sich die Kunst des „Schönen-Wahren-Guten“ reklamiert und offensichtlich mit zweierlei Moral verfährt. Bedenkt: „Masslose Macht“ verlangt „dem, der sie besitzt“, die gebotene Zurückhaltung, Demut und Taktgefühl (welch Wortspiel!) ab, dafür ist er/ sie in exponierter Position. Dieser Anstand und dieser Respekt gilt für Alle gleich, ob im Sport, Theater, Vereinen, Kirche, Büroalltag. Ein Urteil steht uns nicht an, aber die Zeit der Hexenverbrennungen ist zum Glück auch vorbei.

Montag, 02.März, 14:16 Uhr

Peter Pietschmann

Placido Domingo

Diejenigen, die heute auf der Basis von Hörensagen forsche Urteile absondern und, was schlimmer ist, substantiell diskriminieren, waren nicht dabei. Das gilt freilich auch für die Advocati Dei. Wie auch immer: es spricht eine Welt von Wahrscheinlichkei dafür, daß der Beschuldigte zu keiner Zeit Mangel an weiblicher Zuwendung hatte, und rein gar nichts für eine diesbezügliche, Fehlverhalten auslösende Notlage. Im gegebenen Kontext läßt am ehesten wohl Potiphars Weib grüßen.

Montag, 02.März, 01:50 Uhr

Rose-Marie D. Wessel

Placido Domingo - Vorwürfe - Absagen

Ich finde das alles so lächerlich! - Was vor 30 oder 35 Jahren angeblich war, heute behauptet wird ...., damals fanden die "Damen" Herrn Domingo sicher sehr charmant ...., heute wollen sie mit Vorwürfen die Karriere eines Grandseigneurs zum Schluss noch kaputt machen und ihre "Rente ein wenig erhöhen" ...., und sind nicht einmal so mutig, ihre Namen zu nennen!

Sonntag, 01.März, 14:10 Uhr

Annonym

Placido Domingo und sein Verhalten Frauengegenüber

Als Musikerin in einem namhaften Opernhaus Deutschlands habe ich Placido Domingo regelmäßig als Gast erlebt. Zu seinem Verhalten Frauengegenüber kann ich berichten, daß Frauen in Schlangen auf seinem Wiederkehr gewartet haben. Es ging nicht um Belästigung sondern um sein Bett zu teilen.

Samstag, 29.Februar, 18:09 Uhr

Peter

Placido Domingo

Was ich nicht korrekt finde ist, dass die Damen nach 30 Jahren einen Weltstar, der uns 50 Jahre lang mit seiner wunderbaren Stimme begeistert hat, jetzt an den Pranger stellen wollen. Herr Domingo ist ein Mensch ! Wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein. Ich bin nicht entsetzt über die Vorwürfe gegen H.Domingo, sondern über das Verhalten der Frauen.!!! Lasst diesen hervorragenden Künstler in Ruhe, so dass er uns weiter mit seinem Gesang beglücken kann. Danke Herr Domingo, dass es Sie gibt .

Samstag, 29.Februar, 11:09 Uhr

Placido-Fan

Nabucco

Das ist ja toll, da werden jetzt die Karten zurück gegeben von den metoo-Anhängern und Linken, die sowieso von Kultur keine Ahnung haben! Und die Münchner Wahlkämpfer schon mal gar nicht. Da bekomme ich sicher noch Karten, ich gehe dann sogar in die beiden Nabucco- Aufführungen. Danke, ihr Kulturbanausen.

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