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MITTAGSMUSIK - THEMA DER WOCHE The Essential Sound of all Jazz – Louis Armstrong zum 50. Todestag

Schon zu seinen Lebzeiten war er legendär – bewundert und gefeiert für seinen echten musikalischen Ausdruck, seinen unnachahmlichen Charme und seine technische Meisterschaft: Louis Armstrong alias "Satchmo", Trompeter, Sänger, Entertainer, Schauspieler. Nach wie vor ist er wohl der berühmteste und bekannteste Jazz-Musiker. Am 6. Juli jährte sich sein Todestag zum 50. Mal.

Louis Armstrong - 1965 | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Lange Zeit herrschte Unklarheit darüber, wann er eigentlich geboren wurde. 1898? 1900? Er selbst wusste es nicht. Erst seit 1983 – nachdem man den Taufschein gefunden hatte – kennt man das korrekte Geburtsdatum: Es ist der 4. August 1901. An diesem Tag kam Louis Armstrong in einem Slum von New Orleans zur Welt. Der Vater, der bald nach seiner Geburt die Familie verließ, war ein einfacher Arbeiter, die minderjährige Mutter eine Haushaltshilfe und gelegentliche Prostituierte. Nachdem der kleine Louis seine ersten Lebensjahre bei der Großmutter väterlicherseits verbracht hatte, kehrte er zur Mutter zurück. Die lebte nun in Storyville, dem legendären Rotlichtbezirk von New Orleans - allerdings nicht in dessen Zentrum, sondern im "schwarzen" Ghetto des Stadtteiles. In diesem elenden, ärmlichen Ambiente aus schäbigen Bordellen, zwielichtigen Clubs, Tanzlokalen und den Honky-Tonks genannten Kneipen wuchs Louis Armstrong auf. Und dort sammelte er auch seine ersten musikalischen Eindrücke und Erfahrungen. Er lernte Märsche und Ragtimes kennen, Popular Songs, den Blues und die neue "Hot Music", wie man damals noch den seit dem Anfang des Jahrhunderts aufkommenden Jazz nannte.

Vom Kornett zur Trompete

Louis Armstrong in den 1930er | Bildquelle: picture-alliance/dpa Louis Armstrong | Bildquelle: picture-alliance/dpa

1914 kam Louis Armstrong in ein Erziehungsheim für Straßenkinder und erhielt dort Kornett-Unterricht. Schnell machte er auf dem trompetenähnlichen Instrument Fortschritte: 1917 wurde er Mitglied in der Band von Joe "King" Oliver, der seinerzeit als der beste Kornett-Spieler von New Orleans galt. Nach Auftritten in Tanzlokalen, Clubs und auf Mississippi-Dampfern ging Louis Armstrong mit Oliver und seiner "Creole Jazz Band" 1922 nach Chicago, wechselte vom Kornett zur Trompete, machte erste Aufnahmen und heiratete die Jazz-Pianistin, Bandleaderin und Komponistin Lillian "Lil" Hardin. Auf deren Drängen blieb er zunächst nicht lange in Chicago. Ab Herbst 1924 spielte er exakt für ein Jahr in New York im Orchester von Fletcher Henderson - für viele Jazz-Historiker der eigentliche Erfinder des Big-Band-Konzepts, das dann in der Swing-Ära der 1930er und 1940er Jahre das Klangbild des Jazz dominieren sollte. In New York entstand Anfang 1925 auch eine Aufnahme, die für Leonard Bernstein exemplarisch und ein für allemal "the essential sound of all Jazz" zum Klingen brachte. Es war der von Bessie Smith komponierte "Reckless Blues", in dem Armstrong zwischen den Versen des Textes jeweils instrumentale Einschübe – "Breaks" genannt – auf der Trompete spielt. "Mit der Improvisation der Breaks in dem von Bessie Smith gesungenen Blues", so Bernstein "gelang Louis Armstrong Jazz in seiner reinsten Form (the essential sound of all Jazz). Alle instrumentale Improvisation geht auf diese Art der Nachahmung von Singstimmen zurück. Hieraus entwickelte sich recht eigentlich der Jazz."

Louis Armstrong – ein Ausnahmemusiker

Zurück in Chicago im November 1925 startete Louis Armstrong sogleich eine rege Aufnahmetätigkeit mit einer eigenen, neugegründeten Combo, die sich je nach der Besetzung "Hot Fives" oder "Hot Sevens" nannte. Die Aufnahmen wurden richtungsweisend und vorbildhaft für die weitere Entwicklung des Jazz und brachten Louis Armstrong als Trompeter und Sänger das Renommee eines in der Jazz-Szene allseits bewunderten Ausnahmemusikers.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Louis Armstrong jemals schlecht Trompete gespielt hätte. Er hatte großes Feeling, und er spielte immer im Beat. Auf der modernen Trompete gibt es nichts zu spielen, das nicht irgendwie von ihm beeinflusst ist. Nicht einmal der moderne Shit.
 Miles Davis

Die Einspielung von Joe "King" Olivers "West End Blues", entstanden im Juni 1928, gilt vielen Kritikern als die beste Aufnahme Armstrongs. Sie präsentiert den Musiker als Staunen machenden Trompeten-Spieler und eloquenten Sänger im Scat-Style - jener lautmalerisch-spielerischen Aneinanderreihung von Nonsens-Silben, die Armstrong zwar nicht erfand, aber im Jazz und Pop fest etablierte. Was das Trompeten-Spiel betrifft so ist es in der technischen Meisterschaft und expressiven Kraft ohne Beispiel bei irgendeinem anderen Trompeter jener Zeit - es bewegt sich frei, stößt in höchste Höhen vor, gleitet mit Glissandi in die Tiefe, nutzt ein starkes Vibrato und trägt bei aller Spielfreude immer auch eine Andeutung von Schmerz mit sich.

Neue Wege in den Dreißigern

Um 1930 begann sich der Jazz zu wandeln: Der "alte" New-Orleans-Jazz im Two-Beat-Style wich einer neuen Gangart im Four-Beat. Die Swing-Ära brach mit dem Big-Band-Jazz im Zentrum an. Zugleich entwickelte sich ein Phänomen, dass es so niemals zuvor oder danach wieder gab: Jazz und Popular Music wurden identisch. Insofern war es ganz natürlich, dass sich auch Louis Armstrong mehr und mehr den populären Genres widmete. Er spielte im Orchester der Broadway-Show "Hot Choclates" und sang zudem den Popular Song "Ain't Misbehavin". Und auch mit einer eigenen Radio-Show profilierte sich der Musiker zunehmend als Entertainer.

Was Louis Armstrong tut, das ist echt und wahrhaftig, aufrecht, geradeheraus und nobel. Jedes Mal wenn dieser Mann seine Trompete an seine Lippen führt – auch wenn er nur ein paar Noten üben will – so tut er dies mit ganzer Seele.
 Leonard Bernstein

Louis Amrstrong und Leonard Bernstein | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Mit dem Ausklang der Swing- und Big-Band-Ära gegen Ende der 1940er Jahre wandte sich Louis Armstrong erneut den kleineren Besetzungsformaten des früheren New-Orleans-Style zu. Doch erfüllte er sich auch einen lang gehegten Wunsch - einmal an der Seite eines großen, klassischen Symphonieorchesters zu musizieren. Im Sommer 1956 war es soweit: Mit seiner Combo "All Stars" spielte er mit den New Yorker Philharmonikern unter der Leitung von Leonard Bernstein den "St. Louis Blues" von William Christopher Handy, bearbeitet nach dem Concerto-grosso-Prinzip für Jazz-Ensemble und Symphonieorchester. Im Umkreis dieses Events trat Louis Armstrong auch an der Seite prominenter Leinwandstars in einer Reihe von Kinofilmen auf, darunter "Die Glenn Miller Story" von 1954, "Die oberen Zehntausend" von 1956 und der deutsche Revuefilm "La Paloma" von 1959, in dem Louis Armstrong im Duett mit dem Kinderstar Gabriele das Wiegenlied "Onkel Satchmos Lullaby" sang.

Musiker gehen nicht in Rente. Sie hören auf, wenn sie keine Musik mehr in sich haben.
 Louis Armstrong

Im selben Jahr 1959 erlitt Louis Armstrong einen Herzinfarkt. In der Folge musste er das Trompete-Spielen und schließlich auch das Singen massiv einschränken. Mehr und mehr nahmen die gesundheitlichen Probleme gewissermaßen die Musik aus ihm. 1969 machte er noch zwei Mal im Kino ganz groß von sich reden: Er wirkte in der Verfilmung des Broadway-Musicals "Hello, Dolly" mit und sang den von John Barry komponierten Main-Title-Song "We have all the Time in the World" des James-Bond-Thrillers "Im Geheimdienst ihrer Majestät". Die Aufnahme des Liedes "What a wonderful World" von George David Weiss war bereits zuvor zum eigentlichen Schwanengesang des Louis Armstrong geworden. Die Nachricht von seinem Tod am 6. Juli 1971 in New York ging wie ein Schock durch die internationale Presse und durch die Nachrichtensendungen und Kulturmagazine von Radio und TV in der ganzen Welt.

DIE MUSIK IM THEMA DER WOCHE IM ÜBERBLICK

Montag
Bessie Smith: "Reckless Blues"
Joe "King" Oliver: "Westend Blues"

Dienstag
William Christopher Handy: "St. Louis Blues"

Mittwoch
Charles Davis/Don Redman: "Copenhagen"
Boyd Atkins: "Heebie Jeebies"

Donnerstag
Lillian "Lil" Hardin Armstrong: "Hotter than that"
Erwin Halletz: "Onkel Satchmos Lullaby"

Freitag
Jerry Herman: "Hello, Dolly!"
John Barry: "We have all the Time in the World"

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