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Bayreuther Festspiele

24. Juli - 28. August 2023

Kritik - "Das Rheingold" bei den Bayreuther Festspielen Klangmasse statt Farbenvielfalt

Der "Ring" von Regisseur Frank Castorf ist in diesem Sommer zum letzten Mal auf dem Grünen Hügel zu sehen. Marek Janowski dirigiert nach 2016 bereits zum zweiten Mal. Doch richtig zusammengefunden haben Bühne und Orchestergraben nicht, findet BR-KLASSIK-Kritiker Dirk Kruse. Am 29. Juli 2017 gab es die Wiederaufnahme des "Rheingolds".

Szenenbild aus "Das Rheingold" 2017 - Bayreuther Festspiele | Bildquelle: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Bildquelle: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Szenisch funktioniert dieses Bayreuther "Rheingold" von Frank Castorf wirklich gut. Von allen vier Teilen des Ring-Zyklus ist es der abwechslungsreichste und visuell ansprechendste. Der frisch errichtete Göttersitz Walhall ist ein texanisches Motel mit Tankstelle an der Route 66 in den 70er Jahren, das auf einer Drehbühne steht und von allen möglichen Perspektiven aus gezeigt wird. Dazu kommt das Medium Film. Denn Livekameras projizieren fast ununterbrochen das Geschehen vor, hinter und im Gebäude auf die große Leinwand auf dem Dach des Motels, so dass die Aufmerksamkeit zwischen Bühnen- und Filmgeschehen hin und her schweift.

Während etwa Gott Wotan als windiger Mafiaboss mit den Bauunternehmern Fafner und Fasolt über deren Lohn verhandelt - wechselseitig wird da mit Schusswaffen und Baseballschlägern gedroht - und die beiden schließlich Göttin Freia als Geisel entführen, wird per Film Neues von den Rheintöchtern gezeigt, was so nicht bei Wagner steht. Die sind nämlich drei blondierte Flittchen, die Freias Schmuck rauben, ein Mercedes-Cabrio stehlen und mit dem Auto und der Beute schließlich verduften. Die vielen in hervorragender Personenregie erzählten Geschichten der Nebenfiguren und Statisten machen dieses Rheingold szenisch sehr kurzweilig.

Marek Janowski dirigiert mit breitem Pinselstrich

Musikalisch hat man allerdings den Eindruck, dass die Musik mit dem quirligen Bühnengeschehen nicht immer konform geht und dass es Stellen gibt, wo es hakt und die Synchronität nicht immer gegeben ist. Das liegt vor allem am Dirigenten Marek Janowski, der das Ring-Dirigat 2016 von Kirill Petrenko übernommen hat. Während Petrenko den Orchesterklang fein austarierte und eine immense Vielfalt an Klangfarben zeigte, ist Janowski eher der Mann mit dem breiten Pinselstrich. Das zeigte sich schon ganz am Anfang beim Fließen des Rheins. Wenn es gut geht, hört man in der unschlagbaren Akustik des Bayreuther Festspielhauses den Einsatz gar nicht, sondern die Musik fließt irgendwann aus einem fast unhörbaren Pianissimo los und schwillt dann an zu strömenden Wogen. Bei Janowski gibt es das nicht. Der Rhein wogt vom ersten Einsatz an ziemlich dominant los.

Spitzenleistungen bei Sängern

Sängerisch hat dieses Rheingold aber viel Gutes zu bieten bis hin zu den hervorragend besetzen Nebenrollen: etwa Nadine Weissmann, die Wotans Ex-Geliebte Erda als Edelprostituierte im weißen Filmstarpelz gibt und neben ihrer makellosen Stimme eine unglaubliche Bühnenpräsenz hat. Oder Markus Eiche, der aus Gott Donner einen finsteren Mafiosi mit Schlapphut macht und beim Einzug in Walhall auf dem Motel-Dach noch einmal stimmlich so richtig aufdreht. Auch Bassbariton Karl-Heinz Lehner als Fafner und Bass Günther Groisböck, den man derzeit am Hügel auch in den Meistersingern als Veit Pogner bewundern kann, singen bezwingend.

Gegen so viel Wumms in der Stimme muss Ian Paterson als Wotan erst einmal ankommen. Er ist stimmlich kein sehr dominanter Göttervater, dafür singt er aber sehr agil und differenziert, was gut zu seiner Rolle als verschlagener, notgeiler Gangsterchef passt. Die vereinzelten Buh-Rufe für ihn waren sicherlich nicht angebracht. Und auch Albert Dohmen als Rheingold raubender und der Liebe entsagender Nibelung Alberich beeindruckte durch stimmliche Varianz und Vielfalt von der durch Waterboarding geschundenen Kreatur bis hin zum packenden Ring-Fluch. Alles in allem ein durchaus festspielwürdiger Auftakt. So darf der "Ring des Nibelungen" gerne weitergehen.

"Der Ring des Nibelungen" bei den Bayreuther Festspielen 2017

"Das Rheingold"
Premiere: 29. Juli 2017, 18.00 Uhr
BR-KLASSIK übertrug live. Die ganze Oper zum Anhören gibt es hier.

"Die Walküre"
Premiere: 30. Juli 2017, 16.00 Uhr

"Siegfried"
Premiere: 1. August 2017, 16.00 Uhr

"Götterdämmerung"
Premiere: 3. August 2017, 16.00 Uhr

Inszenierung: Frank Castorf
Musikalische Leitung: Marek Janowski

Sendung: Allegro, 31. Juli 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Sonntag, 06.August, 10:55 Uhr

Silvio

Rheingold

Ich kann nur sagen, "Herr Castorf...es ist eine Frechheit"... und Hernn Thielemann möchte ich sagen...wenn sie schon einwenig "Macht" in Bayreuth haben, dann helfen sie mit, solche Herren wie z.B. Castorf auf dem Hügel zu entfernen. Danke !

Montag, 31.Juli, 12:40 Uhr

Detlef Berg

Kritik Rheingold

Die positive Besprechung von Castorfs szenischer Wagner-Schlachtung ist für mich völlig unverständlich. Dieses unerotische Sexgetümmel durch life -Videos verdoppelt! ist Mist

Sonntag, 30.Juli, 11:11 Uhr

Manfred

Siebenrock

Tröstlich bei allen Inszenierungen ist:
Kein Regisseur hat es bisher geschafft, Wagner von den Spielplänen zu vertreiben.
So lange dem Publikum die Möglichkeit bleibt, die Inszenierung auszublenden, durch Schließen der Augen, wird es sich Aufführungen eben nur anhören.
Es bedarf daneben aber auch schon einer gewissen Gerissenheit, einen dürftigen Klang als durchsichtig zu bezeichnen: Der Rhein ist halt nicht die Moldau.

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