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Der wilde Sound der 20er

Jimmy Wade, Teddy Weatherford und Eddie South Mobiler Jazz

Im Dezember 1923 ging Jimmy Wade's Moulin Rouge Orchestra in ein Studio in Chicago. Dabei hatten zwei Musiker ihr Aufnahmedebut, die den Jazz der 20er Jahre von seiner reisefreudigen Seite zeigen: Der Pianist Teddy Weatherford brachte Jazz nach Asien, und der Violinist Eddie South holte Anregungen aus Ungarn.

Eddie South | Bildquelle: picture alliance / Heritage Images | William Paul Gottlieb

Bildquelle: picture alliance / Heritage Images | William Paul Gottlieb

Nur sieben Stücke hat er unter seinem Namen aufgenommen, dieser Jimmy Wade. Der kaum bekannte schwarze Kornettist, der nach Anfängen in Chicago und Erfahrungen in Kalifornien, Seattle und New York 1922 nach Chicago zurückkehrte, leitete eine der ersten schwarzen Bands, die in weißen Lokalen im Zentrum des Chicagoer Nachtlebens auftraten. Das "Moulin Rouge" war ein bekanntes Cabaret im Loop-Viertel Chicagos.

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Handys vor 100 Jahren?

Im Dezember 1923 nahm Wade's Moulin Rouge Orchestra den "Mobile Blues" auf, was damals nichts mit einem Handy zu tun hatte. Ganz auszuschließen wäre dieser Gedanke aber nicht! Es gibt ein faszinierendes Video aus dem Jahr 1922 von der Filmgesellschaft British Pathé, in dem zwei Frauen auf der Straße mit einem "mobile phone" eine dritte Frau in einem Studio anrufen, die dann eine gewünschte Platte auflegt, die man sich unterwegs anhören kann. Allerdings ist der Vorgang recht umständlich. Das Gerät ist vergleichsweise groß, man muss zum Empfang noch einen Draht an einen Pfosten befestigen, einen Schirm aufspannen und die Hörmuschel selbst ans Ohr drücken. Das war wohl der Grund, warum man die Idee erst einmal fallen ließ.

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Wade’s Version des "Mobile Blues" von Albert E. Short und Fred Rose, blieb nicht die einzige. Es folgten bald andere, so im Juli 1924, der große Fletcher Henderson – eine Version, die nahelegt, die die Mobilität auf die Eisenbahn bezieht.

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Teddy Weatherford, Jazzpionier in Asien

Mit Jimmy Wades Version hatte der Pianist Teddy Weatherford sein Aufnahme-Debüt. Weatherford war in der Tat sehr mobil: ein extrem reisefreudiger Mensch. Teddy Weatherford, der mit Louis Armstrong zusammengearbeitet hatte und dessen Stil dem des jungen Earl Hines nicht unähnlich war, wäre sicher nicht so stark in Vergessenheit geraten, wenn er in Chicago geblieben wäre. Dafür hat er aber Bedeutung für die Verbreitung des Jazz in Asien erlangt. Schon 1926 wirkte er an Orten wie Singapur, Shanghai und Manila. Trotz kurzer Abstecher in die Heimat und nach Europa blieb er bis zu seinem Tod 1945 ganz in Asien, dort vor allem in Indien und Ceylon. Übrigens soll er den jungen Lionel Hampton im Klavierspiel unterwiesen haben. Doch die unorthodoxe Pianistik des Vibraphonisten Hampton lässt nicht darauf schließen, dass der Unterricht sehr erfolgreich war.

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Eddie South, der "Black Gipsy"

Zur gleichen Zeit wie Teddy Weatherford debütierte der Geiger Eddie South bei Jimmy Wade. Sein Solo in "Someday Sweetheart" verrät schon das große Können des damals 19-Jährigen. Die Aufnahme entstand sogar drei Monate vor der ersten von Joe Venuti, dem Vater der Jazzgeige. Witzigerweise hat Venuti den Song danach sieben Mal eingespielt.

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South gilt vielen als bedeutendster Jazzviolinst seiner Zeit. Zweifellos war er der technisch versierteste und vielseitigste. Andere mögen mehr geswingt haben, doch keiner erreichte seine klangliche Raffinesse oder seine Fingerfertigkeit. 1928 studierte Eddie South Violine am Budapester Konservatorium und konnte dort das Spiel der Roma-Kapellen studieren, das ihn stark prägte. Das verblüffende Ergebnis des Budapest-Erlebnisses: Ein Afroamerikaner öffnete den Jazz früher und nachhaltiger als andere Musiker für Einflüsse der Roma-Musik und generell ungarischer und osteuropäischer Klänge. Später musizierte Eddie South in Paris, das er wie Weatherford 1937 besuchte, mit Django Reinhardt, dem Vater des Gipsy Swing, dem South den Weg ebnete. Dabei entstanden unter anderem zwei Aufnahmen von Jazz-Versionen des ersten Satzes von Johann Sebastian Bachs "Doppelkonzert" in d-Moll für zwei Violinen und Orchester: Wobei hier das "Orchester" die Gitarre Django Reinhardts war und die zweite Violine Stéphane Grappelli spielte. Nicht alles, was South aufnahm, war Jazz. Aber er improvisierte auch dort, wo er nicht Jazz im engen Sinn spielte, sondern ungarische Csardas oder leichte Klassik. Sein Publikum war auch weniger das der Jazzclubs, sondern das der Konzertsäle, Hotels und feinen Salons: Orte, an denen man elegante Unterhaltung wollte. Das aber schloss Tiefgang und echten Ausdruck seitens der Künstler nicht aus. Für Puristen, und das sind ja viele, die sich mit frühem Jazz beschäftigen, ist das Repertoire des Musikers ohne stilistische Scheuklappen nicht das Wahre. Aber gerade heute, in der Zeit des Crossover und der Weltmusik, Genres, zu deren Vorläufer man ihn als Musiker getrost rechnen kann, wäre Eddie South sicherlich eine Wiederentdeckung wert.

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Sendung: 28. Dezember 2023 BR-Klassik am 28. Dezember ab 23:05 Uhr

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