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100 Jahre Frank Sinatra I did it my Way

Er war der erste Popstar der amerikanischen Musikgeschichte, ein Show-Gigant und Entertainment-Virtuose. Am 12. Dezember 1915 kam Frank Sinatra in Hoboken, New Jersey, zur Welt.

Der amerikanische Sänger und Schauspieler Frank Sinatra.  | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Mit Präsidenten - John F. Kennedy und Ronald Reagan - war er befreundet, mit ihren Gattinnen, aber auch mit Mafia-Bossen. Skandale, aber auch Heldentaten der Menschlichkeit, geschäftliche und private Niederlagen, Handgreiflichkeiten, Drohungen und  Selbstmordversuche waren Teil seines Lebens. Letztlich aber überwogen immer die Erfolge.

Franky Boy | Bildquelle: dpa/picture-alliance Frank Sinatra mit 29 Jahren | Bildquelle: dpa/picture-alliance Vom Vorstadt-Kid zum Millionär: Auf diesen Nenner ließe sich seine Geschichte bringen. Oder auch auf jenen: Vom Taschengeld-Schreiber für den Stadtanzeiger "Jersey Observer" - dem Sinatra als 14-Jähriger Berichte unterjubelte - zum Medien-Magnet und Show-Mogul. Sein Vater war Feuerwehrmann und Preisboxer. Auch Frankie versuchte sich eine Zeitlang im Ring, daneben schlug er sich als Hotelboy, Oberkellner und Taxifahrer durch. Seine Laufbahn als Journalist brach er nach einer einjährigen Ausbildung ab. Denn: Es mochte ihn zwar in den Fingern und den Fäusten sehr gejuckt haben - aber doch noch viel mehr in den Stimmbändern, was ihm klarwurde, nachdem  er 1935 ein Konzert von Bing Crosby besucht hatte.

"The voice" - so wurde Frank Sinatra schon bald nach seinen ersten Erfolgen genannt. Seine hohe Gesangskultur trainierte er sich in jungen Jahren an. Er studierte Billie Holidays zurückgelehnt  swingenden Stil, erlernte vom Posaunisten Tommy Dorsey, in dessen Big Band er zu erstem großen Ruhm kam, die Technik des langen Atems und vom australischen Opernsänger John Quinlan die großartige Stimmführung.

Der Jazzsänger

Frank Sinatra war ein großer Interpret des Jazzrepertoires. Miles Davis rühmte die Phrasierung Sinatras - und nicht nur er, sondern auch der Saxophonist Lester Young ließ sich bei seinen Evergreen-Interpretationen von den gesungenen Aufnahmen Sinatras leiten. Und Pianist Oscar Peterson, der Sinatra eine Platte mit dem Titel "A Jazz Portrait of Frank Sinatra“ widmete, ließ auf deren Hülle drucken: "Seit Jahren bin ich ein glühender Bewunderer Frank Sinatras. Sein Gesang fesselt mich und ich habe Respekt vor dem guten Geschmack, der mit diesem Gesang einhergeht."

Sinatra löste in den USA Massen-Hysterien aus, lange bevor Elvis Presley oder Michael Jackson auftauchten. Im Oktober 1944 umlagerten 30.000 hingerissene Teenager das New Yorker Paramount Theatre, um Sinatra zu hören. Am Times Square brach der Verkehr zusammen. Das hatte es, ausgelöst vom Show-Business, vorher nie gegeben. Und auch, dass findige Leute Sinatras weggeworfene Zigarettenkippen für zehn Dollar pro Stück verkauften und Fans die Fußabdrücke, die er im Schnee hinterlassen hatte, im Eisschrank konservierten, war neu. Ein Star, der die Phantasie anregte.

Ol' Blue Eyes

Strahlend blau waren seine Augen, doch eine Schönheit war er nicht. Ein Kritiker beschrieb ihn am Anfang seiner Karriere so: "Ein junger Mann mit eingefallenen Wangen und vorstehendem Adamsapfel, der eine kräftige Hühnersuppe dringend nötig hätte". Doch schon Regisseur Billy Wilder bemerkte, dass Frank Sinatra eine Art persönlichen Magnetismus besitze, der über bloßes Talent hinausgehe und Revolutionen auslösen könne. Er konnte seine  Verehrerinnen mit fingerschnippendem Macker-Gehabe dahinschmelzen lassen und zugleich Mutterinstinkte bei ihnen wecken. Die Times notierte, Sinatra wage allen Verfechtern eines traditionellen Männlichkeits-Ideals von Stämmigkeit und Selbstsicherheit zu bedeuten, "dass so ein Mann unter seiner erdrückenden Überheblichkeit noch immer ein furchtsames Kind" sei, "das im Dunkeln vor Angst weint".

Als achtzehnkarätiger Manisch-Depressiver und nach einem Leben voller Gefühlsgegensätze habe ich es mit der Traurigkeit wie der Begeisterung auf die Spitze getrieben.

All or nothing at all. Seine komplexe, widersprüchliche Persönlichkeit beschreibt Frank Sinatra selbst mit Anfang vierzig so: "Als achtzehnkarätiger Manisch-Depressiver und nach einem Leben voller Gefühlsgegensätze habe ich es mit der Traurigkeit wie der Begeisterung auf die Spitze getrieben. Was über mich als Person gesagt oder geschrieben wird, ist ohne Bedeutung. Ich kann nur sagen, dass ich  - wenn ich singe - ehrlich bin."

Sinatras Frauen

Seine vier Ehen und die vielen Affären, die ihm nachgesagt werden, deuten darauf hin, dass er es mit der Wahrheit nicht immer so genau nahm. Seine erste Ehe mit Nancy Barbato schloss er 1939. Sie hatten drei Kinder: Tina, Frank jr. und Nancy. 1951 verließ er Nancy für die Schauspielerin Ava Gardner. Eine stürmische Ehe und eine Liebe, die ihn immer wieder in Verzweiflung stürzte. 1957 wurde sie geschieden.
Erst 1966 heiratete er das nächste Mal: die dreißig Jahre jüngere Schauspielerin Mia Farrow. Diese Ehe hielt zwei Jahre. Seine letzte wurde dann die beständigste: von 1976 bis zu seinem Tod 1998 war er mit seiner Frau Barbara verheiratet.

Eine Horde Millionäre genannt "Rat Pack"

Frank Sinatra hasste es, alleine zu sein. Einen Tross von Freunden - es durften auch Frauen sein – um sich zu haben, entsprach seiner Vorstellung von Spaß. In den 50er Jahren gehörte er zu einem Zirkel von Showbiz-Freunden und Schauspielern rund um den von ihm bewunderten Humphrey Bogart. Nach dessen Tod 1957 formte sich aus diesem "Clan der Millionäre", zu dem auch Shirley McLaine und Judy Garland gehörten, das "Rat Pack". Dessen von der Bühne bekannte Speerspitze bestand aus Sammy Davis jr., Dean Martin und natürlich Frank Sinatra. Cooler, witziger, legerer und perfekter ging's nicht.

A swingin' affair

Die fünfziger Jahre waren die besten des Interpreten Frank Sinatra. In diesem Jahrzehnt machte er die geschmackssichersten und prägnantesten Aufnahmen. Die meisten davon für Capitol Records mit dem Orchester von Nelson Riddle. Vor Aufnahmesessions ging Sinatra stets die Stücke noch einmal stundenlang mit dem Pianisten durch. Er verpflichtete nur die besten Arrangeure und redete immer ein Wörtchen mit. Seine Textgestaltung und seine Phrasierung der Melodie waren in höchstem Maße effektsicher. Viele  Songs hat Sinatra so zu Klassikern gemacht. Der Mann mit dem absoluten Gehör - also der Fähigkeit, Tonhöhen ohne Hilfsmittel genau benennen zu können - war auch ein Sänger mit absolut sicherem Gespür. Noten lesen konnte er angeblich nicht.

Schmachtfetzen

Manche Jazzfans haben - oder vielleicht kann man sagen: hatten Jahrzehnte lang - ihre liebe Not mit diesem großen Popstar unter den swingenden Stimmen Amerikas. Einer, der für die Wechselfälle des Lebens schmachtende Zeilen bereithielt und sie, zugegeben, perfekt servierte, war eben auch eine Art Schnulzenkönig. Gerade in seinen späten Jahren bewegte sich Sinatras Swing immer mehr in diese Richtung: er wurde schwerfälliger und der Anteil an lametta-behängten Balladen immer größer.

I did it my way

Als Frank Sinatra am 14. Mai 1998 im Alter von 82 Jahren starb, hatte er in 58 Filmen mitgewirkt, drei Oscars gewonnen und 72 Platten aufgenommen , die sich damals schon über 600 Millionen Mal verkauft und dreizehn Mal einen Grammy gewonnen hatten. All das und noch viel mehr hatte er geschafft - auf seine Art. 

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