Beate Sampson, Roland Spiegel und Ulrich Habersetzer überraschen sich und Sie mit aktuellen Jazzalben. Dieses Format wurde mit dem Deutschen Radiopreis 2022 als "Beste Sendung" ausgezeichnet. Hier ist die 48. Ausgabe von "Hören wir Gutes und reden darüber".
Bildquelle: ECM Records
02.06.2025
ARD Jazz. Spotlight: Hören wir Gutes und reden darüber!, Vol. 48
"Hören wir Gutes und reden darüber, Vol. 48".
In dieser Ausgabe von "ARD Jazz. Spotlight" haben sich Beate Sampson, Roland Spiegel und Ulrich Habersetzer zum achtundvierzigsten Mal gegenseitig mit Alben überrascht: Niemand wusste vorher, was die jeweils anderen mitbringen würden. Über folgende drei Alben wurde in der Sendung gesprochen.
Muss man das noch hören? Oder kennt man es im Prinzip schon? Das ist der vierte Konzertmitschnitt aus ein- und derselben Tournee des Pianisten Keith Jarrett. Im berühmten Goldenen Saal des Wiener Musikvereins entstand diese Aufnahme - am 9. Juli 2016. Und zwar während der letzten Solo-Tournee des begehrten Marathon-Improvisators. Aus derselben Tour erschienen bereits "Munich 2016" (16. Juli), "Budapest Concert" (3. Juli), "Bordeaux Concert" (6. Juli). Das waren jeweils die vollständigen Konzerte, und nun fragt man sich: Kann in der Reihe dieser Konzerte wirklich noch etwas Neues zu entdecken sein? Das Erstaunliche ist: Ja, es gibt etwas zu entdecken, sogar viel. Das bestätigt eine Behauptung Jarretts, die gern immer mal wieder angezweifelt wird: dass er in seinen Solo-Konzerten wirklich ganz frei und ohne Vorgaben improvisierte. Zwar ist in all den bisher vier vorliegenden Mitschnitten von 2016 ein ähnlicher Weg festzustellen: Jarrett begann die Konzerte meist mit wühlender Intensität voller atonaler Schroffheit - und arbeitete sich dann immer mehr in sehr harmonische Gefilde vor, mit griffigen Melodien und innigen langsamen Teilstücken. Das ist auch hier der Fall, und auch hier gibt es an einer Stelle ein groovendes Blues-Stück. Aber erneut verblüfft, was innerhalb des Spannungsbogens passiert. Einige Momente haben ganz eigene Magie. So etwa "New Vienna Part II", ein langsames, sehr leises Stück, dessen Klänge ganz eigene, zarte, ja bisweilen fahle Farben zaubern - oder "Part IX", der wie ein verschollener, rhythmisch ansprechender Folksong klingt und hier den Weg von der Nacht zum Licht beschließt. Ganz am Ende, als zehntes Stück der Aufnahme, steht der Evergreen "Over The Rainbow", den der Pianist schon häufiger in Zugaben spielte - und der hier ganz andere Gegenstimmen offenbart als in früheren Interpretationen. Ein weiterer bemerkenswerter, für die Ewigkeit bewahrter Jarrett-Abend. Das sollte man hören!
Bildquelle: Stunt Records
Mehr als hundert Jahre ist dieser Jazzstil alt und er klingt trotzdem kein bisschen angestaubt, zumindest wenn Giacomo Smith diese Musik spielt: "Jazz manouche". Gitarrist Django Reinhardt hat diesen Jazzstil Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden - und zwar in Europa. Rasend-virtuose Gitarren-Linien begleitet von einem treibenden Groove von Rhythmusgitarre und Kontrabass, immer mal ist eine Geige dabei, seltener eine Klarinette, so wie im Quartett von Giacomo Smith. Als Saxophonist und Klarinettist sorgt er gerade international für einiges an Aufsehen. 1987 in Italien geboren, aber in den USA aufgewachsen, lebt er jetzt in London und hat mit dem "Jazz manouche" auch seine europäischen Wurzeln wiederentdeckt.
Für das Album "Manouche" hat sich Smith einen ähnlich virtuosen, aber auch ähnlich stilsicheren Solisten ins Boot geholt, den Gitarristen Mozes Rosenberg. Er ist der jüngste Bruder von Gypsy-Jazz-Star Stochelo Rosenberg. Giacomo und Mozes sind hinreißende Solisten, die sich zu einem lustvollen und geschmackvollen "Schneller-Höher-Weiter" anstacheln, das nie Muskelspiel oder Sport ist, sondern immer pure Musik. Und nicht nur Klassiker, auch Eigenkompositionen gibt es auf "Manouche". Ein Album mit rundum positiver Stimmung, unbedingt anhören!
Bildquelle: Blue Note Records
Dass der amerikanische Trompeter Brandon Woody sein CD-Debüt als Bandleader "For the love ot it all" genannt hat, kommt nicht von Ungefähr. In seiner Musik feiere er immer das Leben und die Liebe, die ihm geschenkt wurde von seiner Mutter und seinen Lehrern, von Freunden und von all denen, in deren Tradition er sich musikalisch bewegt. Was er erhalten hat, möchte der 26-jährige durch die Musik zurückgeben an seine Community, und die liegt in der Stadt Baltimore, etwa 60 Kilometer nordöstlich von Washington DC an der Ostküste gelegen. Dort ist er aufgewachsen, hat früh zum Jazz und dessen Bedeutung als afro-amerikanischem Kulturerbe gefunden und ist, nach kurzen Phasen an Musikhochschulen in New York und Kalifornien, schnell wieder dorthin zurückgekehrt. Die sechs Stücke auf dem Album hat er zum Teil mit dem Pianisten Troy Long, seinem musikalischen Partner seit Teenagertagen, und dem, nicht in der Aufnahme spielenden Multi-Instrumentalisten Charles Wilson komponiert. Sie zeichnen sich durch ihre besonders schöne Dynamik aus. Aus zarten Liedanfängen und schlichten, innigen Melodien entwickelt Brandon Woodys Quartett mit Michael Saunders am Bass und Quincy Phillips am Schlagzeug in sagenhafter Gruppenenergie sehr kontinuierlich eine, sich stetig verdichtende Intensität. Aus ihr tönt in ruhigen Passagen der feierlich gesangliche Trompetenton des Bandleaders, der sich mit leicht abschattiertem Strahlen dann auch in den kraftvoll erzählerischen Improvisations-Höhenflügen als höchst beweglich und wandelbar erweist.