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Album-Klassiker des Jazz vorgestellt im Gespräch - Vol. 46 Hören wir Classics und reden darüber

Unser Sende-Format "Hören wir Gutes und reden darüber" wurde 2022 in der Kategorie "Beste Sendung" mit dem Deutschen Radiopreis ausgezeichnet. Zu ausgewählten Terminen überraschen wir uns mit Album-Klassikern des Jazz.

Bildquelle: BR/ Nadja Pfeiffer

Die Sendung anhören

"Hören wir Classics und reden darüber" hier zum Nachhören.

In dieser Sendung überraschen sich Beate Sampson, Roland Spiegel und Ulrich Habersetzer zum 46. Mal gegenseitig mit Alben: Niemand weiß vorher, was die jeweils anderen mitbringen würden. Über folgende drei Album-Klassiker des Jazz wird in der Sendung gesprochen.

Miles Davis "Kind of Blue" (Columbia Records)

Zu den beiden Aufnahmesessions für ein neues Album brachte der Trompeter Miles Davis im März und April 1959 seinen Mitmusikern nur Kompositions-Skizzen mit, die es noch mit den Mitteln der Improvisation auszugestalten galt. Harmonisch bauten sie auf den Skalen von Kirchentonarten auf, was zu dieser Zeit noch neu war im Jazz. Zu manchen Stücken erzählte er vorab eine Geschichte. Etwa die, wie er als Junge in Arkansas in den Ferien bei seinem Großvater im Dunkeln auf einer Landstraße lief und plötzlich aus einer nahegelegenen Kirche den Gesang einer Gospelgemeinde hörte.

CD-Cover Miles Davis „Kind of Blue“ | Bildquelle: Columbia Records Bildquelle: Columbia Records Den Gospel, aber auch das Dunkle und das Laufgeräusch wolle er in "All Blues" hören. Seine Band, eine Traumbesetzung herausragender Jazzgestalter, von denen jeder mit einer ganz eigenen Klang- und Formsprache arbeitete, erschuf unter diesen Voraussetzungen das wahrscheinlich bekannteste Album der Jazzgeschichte. Tenorsaxophonist John Coltrane steuerte sein unverkennbares Strudeln der Töne bei, Altsaxophonist Cannonball Adderley seine soulig unterfütterten Jubelklänge und Miles Davis die packende Ökonomie seines Spiels. Subtil gesetzte, harmonische Überraschungen platzierte Pianist Bill Evans in feinster rhythmischer Abstimmung mit Bassist Paul Chambers und dem feinziseliert swingenden Schlagzeuger Jimmy Cobb. Und es formt sich aus der Individualität jedes einzelnen Stück für Stück eine gemeinsam erzählte Geschichte in Tönen, die auch 66 Jahre nach ihrer nahezu unmittelbaren Entstehung nichts von ihrer bannenden Kraft eingebüßt hat.

Chick Corea: "Piano Improvisations Vol. 1.” (ECM)

CD-Cover Chick Corea: “Piano Improvisations Vol. 1.” | Bildquelle: ECM Bildquelle: ECM Der 29-jährige Pianist Armando Anthony "Chick" Corea war damals ein Pionier: Seine Aufnahmen mit Solo-Klavier-Improvisationen entstanden vor später berühmt gewordenen Alben mit Pianisten wie Paul Bley und Keith Jarrett. Im April 1971 ließ sich Chick Corea in einem Studio in Oslo darauf ein, Stücke spontan beim Spielen zu entwickeln: "Ich nahm die erste Idee, die mir in den Sinn kam, spielte sie runter und gab ihr später einen Namen. Für mich war das eine ganz neue Art, kreativ zu sein: Einfach etwas auszuprobieren, ohne dass man weiß, was genau dabei herauskommt - nur um zu sehen, was passiert. (…) Es war sehr erfrischend und jedes Mal eine ordentliche Herausforderung." So schilderte der Musiker selbst die Arbeit bei den Aufnahmen. Das Klang-Ergebnis: eine Musik voller Zauber und Klarheit zugleich.

Hohe Disziplin und eine eher klassische Klanglichkeit zeichnen die Stücke auf dem Album aus. Die Improvisationen zeigen ein ganz hohes Formbewusstsein, eine gelassene ästhetische Strenge. Diese Einspielungen entstanden im selben Jahr, in dem Chick Corea seine epochemachende Fusion-Band "Return to Forever" gründete. Ein Stück, das man von dieser Band kennt, ist auch in den "Piano Improvisations" enthalten: das äußerst stimmungsvolle "Sometime Ago". Großen Raum nimmt die fein-nuancenreiche, achtteilige Suite "Where are you now" ein. In der edlen Vinyl-Reihe "Luminessence" (ein Wortspiel aus den Vokabeln für "Nachleuchten" – luminescence – und "Essenz") sind die Improvisationen jetzt wieder aufgelegt worden: sehr lohnend bei einer Musik, die beim heutigen Hören völlig zeitlos wirkt.

Ella Fitzgerald & Joe Pass: "Comes Love" (Pablo)

CD-Cover Ella Fitzgerald & Joe Pass: „Comes Love“  | Bildquelle: Pablo Bildquelle: Pablo Bei stürmischem Regen kann man Gummistiefel anziehen, bei einem Schneesturm kann man die Heizung aufdrehen, aber kommt die Liebe daher, hilft nichts – "Comes love, nothing can be done". Wenn Ella Fitzgerald diesen Text in leicht angerauten, aber immer noch glitzernden Tönen singt, dann muss man einfach dahinschmelzen. Der Song "Comes Love" ist einer von zehn, die sich auf dem Album "Speak love" finden und die große Sängerin, vielleicht die größte des Jazz überhaupt, wird hier nur von Gitarrist Joe Pass begleitet. Am 21. und 22. März 1983 trafen sich die beiden in einem Studio in Hollywood und sie hatten hörbar Lust wieder auf reduzierte und leise Art Magisches entstehen zu lassen. "Speak love" war schon ihr drittes gemeinsames Duo-Album, ein viertes sollte drei Jahre später 1986 noch folgen.

Fitzgerald, zum Zeitpunkt der Aufnahme 65 Jahre alt, hat hier vielleicht nicht mehr ganz die jugendliche Elastizität in der Stimme, aber dafür eine samtige Patina, die einen ganz eigenen Charme ausstrahlt. Und das Ella-typische Funkeln ist immer noch ungebrochen zu hören. Joe Pass, der Meistergitarrist und Über-Virtuose, hält sich lässig zurück, liefert dabei aber einen unwiderstehlichen Drive und bei langsamen Songs zart-fließende Klangwogen, auf denen Ellas Stimme sich voll entfalten kann. "Speak love" ist ein hinreißendes Jazzalbum, das eigentlich zu jeder erdenklichen Gelegenheit perfekt passt.

Sendung: "Classic Sounds in Jazz" am 30. April 2025 um 19:03 Uhr auf BR-KLASSIK

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