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Michael Atzinger verlässt BR-KLASSIK Abschied nach über 30 Jahren am Mikrofon

Der Mann, der immer Gastgeber gewesen ist, ist nun selbst zu Gast: Michael Atzinger. Der Moderator und Autor verlässt BR-KLASSIK, weil die Rente ruft. Aus diesem Anlass sitzt er in "Meine Musik" auf der anderen Seite des Studiotisches und blickt mit Bernhard Neuhoff auf seine Zeit beim Bayerischen Rundfunk zurück.

Bildquelle: Michael Atzinger

Meine Musik zum Nachhören: Michael Atzinger präsentiert seine Lieblingstitel

BR-KLASSIK: Lieber Michael, keine Stimme steht so für unser Programm wie deine. 1989 bist du zum Bayerischen Rundfunk gekommen, seit 2003 gibt es die Frühsendung "Allegro", die du neben vielen anderen Sendungen moderierst. Ich kann es mir noch nicht wirklich vorstellen, dass unser Programm ohne dich weitersenden wird. Wir haben gerade die letzte "Allegro"-Woche mit dir erlebt. Du hast die Sendung weit über 1000-mal moderiert und das Programm insgesamt sehr geprägt. Viele Leute verbinden es vor allen Dingen mit deiner Stimme. Als du 1989 hier anfingst, hättest du dir das vorstellen können?

Michael Atzinger: Wie sich das entwickelt, habe ich mir überhaupt nicht vorstellen können. Aber ich wollte zum Radio, was durch Zufall auch geschehen ist, weil ich ein Plakat in der Uni gesehen habe: Sprecherseminar Bayerischer Rundfunk. So hat es angefangen. Dass ich mal bei BR-KLASSIK lande, habe ich mir zwar gewünscht, weil ich damals schon viel mit klassischer Musik anfangen konnte, aber dass es so kommen würde, konnte ich mir nicht ausdenken.

Opernbegeisterung von Anfang an

BR-KLASSIK: Ich habe mir sagen lassen, du warst so jemand, der, wenn die Karten für die Festspiele an der Bayerischen Staatsoper in den Vorverkauf gingen, nächtelang angestanden hat.

Michael Atzinger: Das stimmt. Vor allem, als der Lehnhoff-Ring anstand. Damals haben wir uns wirklich mit einem Bekannten, der einen VW-Bus besaß, die Nächte um die Ohren geschlagen, um alle zwei Stunden zum Appell anzustehen.

BR-KLASSIK: Da musste man immer sagen: Ich bin noch da, ich stehe noch in der Schlange und dazwischen durfte man schlafen.

Michael Atzinger: Genau, dann wurde man abgehakt und dann ging es wieder in den VW-Bus.

BR-KLASSIK: Diese unglaubliche Opernbegeisterung, die auch in deinen Sendungen und in deinen Beiträgen, in deinen Kritiken und in deinen Beiträgen für die Reihe "Was heute geschah" immer wieder aufblitzt: Woher kommt die?

Michael Atzinger: Ich kann es ja gar nicht so genau sagen. Ich komme aus keinem musikalischen Elternhaus, aber meine Eltern haben mich immer schon zu Opernvorstellungen mitgenommen. Sie hatten zwei Lieblingsstädte: Wien und Salzburg. Wir sind oft nach Salzburg gefahren, was von Wasserburg aus gut ging. Damals habe ich schon Opern gesehen und irgendwann muss es mich gepackt haben. Ich war auch immer schon ein Radiokind, wir haben viel klassische Musik gehört. Das war auch Teil unseres Sonntagsrituals beim Frühstück.

Ich habe mir vorgestellt, dass beim Radio zu arbeiten, schön sein müsste.
Moderator Michael Atzinger

BR-KLASSIK: Kannst du dich an deinen ersten Opernbesuch erinnern?

Michael Atzinger: Das war im Salzburger Landestheater: Mozarts Zauberflöte. Ich habe keine großen Erinnerungen mehr daran. Ich war zwölf oder dreizehn. Aber mein Vater hat später in der Erinnerung gesagt, die Königin der Nacht hätte eine Zahnlücke gehabt. Wir konnten es nie klären. Trotzdem war mir klassische Musik auf irgendeine geheimnisvolle Weise immer nah. Im Radio lief oft Ö1 bei uns. Da gab es am Sonntagvormittag, eine Sendung mit Live-Gästen und Heinz Conrads. Ich habe mir schon vorgestellt, dass beim Radio zu arbeiten schön sein müsste. Und das war es!

Ein Frühaufsteher für das Publikum

BR-KLASSIK: Du beschäftigst dich rund um die Uhr mit klassischer Musik. Und zwar zu Nachtzeiten: Ganz früh morgens musstest du aufstehen, um "Allegro" zu moderieren. Und du hast so viel Musik gehört. Und die Begeisterung scheint nach wie vor da zu sein, wenn ich sehe, wie du mir gegenübersitzt.

Michael Atzinger: Die ist mit den Jahren sogar immer mehr geworden. Ich habe immer mehr entdecken dürfen und hatte immer wieder musikalische Erlebnisse, die mich einfach überwältigt haben. Und wenn es mich dann packt, dann hält mich nichts mehr und dann muss ich das auch weitergeben.

BR-KLASSIK: Wie kamst du auf diese verrückte Idee, Radiopräsentator, Sprecher und Moderator zu werden? Du warst gestartet mit einem Studium für Englisch und Französisch auf Lehramt. Du hättest eigentlich am Gymnasium landen wollen und sollen.

Michael Atzinger | Bildquelle: BR/Andreas Dirscherl Bildquelle: BR/Andreas Dirscherl Michael Atzinger: Genau. Ich war mir auch sicher, dass ich das mache und dass ich dieses Sprecherseminar vom BR einfach so nebenher noch ein bisschen mitnehme, um ein bisschen Radioluft zu schnuppern. Bis ich dann erfahren habe, dass die Ausbildung ein halbes Jahr geht. Da musste ich mich irgendwie entscheiden. Meine Eltern waren entsetzt, als ich ihnen das erzählt habe, weil ich eine vermeintlich sichere Karriere aus Spiel setzte. Ich stand kurz vorm Staatsexamen, habe es dann ein halbes Jahr verschoben. Ich habe es aber durchgezogen und hier beim Bayerischen Rundfunk in meinen Spätdiensten für das erste Examen gelernt - und es dann 1990 auch gemacht. Relativ schnell kamen zu den Stationsansagen hier noch andere Aufgaben. Deswegen wusste ich irgendwann: Ich werde wahrscheinlich kein Lehrer mehr, was ich aber andererseits sehr gern geworden wäre.

Ich habe sofort gesagt, dass ich die Morgensendung haben will.
Frühmoderator Michael Atzinger

Besondere Begegnungen beim BR

BR-KLASSIK: Du hast viele Jahre lang diese Sendung "Meine Musik" gemacht. Welcher der vielen Gäste war denn der, vor dem du am meisten Respekt oder Lampenfieber hattest?

Michael Atzinger: Der Gast hat gar nicht so viel mit Musik zu tun. Das war Janosch, der wunderbare Kinderbuchautor. Wir haben uns an einem Sonntagvormittag in Aying getroffen, da hat Janosch gewohnt. Und das war eine ganz besondere Sendung, die mich sehr berührt hat. Denn er hat Sachen erzählt, die einfach unglaublich waren und auch die Art, wie er sie erzählt hat, hat mich dermaßen gepackt, dass ich das nicht vergessen werde.

BR-KLASSIK: Das ist ja das Schöne am Radio: Man kriegt es nicht nur erzählt, sondern es geht auch um die Art, wie erzählt wird. Das ist ja eigentlich deine Kunst, dass man hört, wie Bilder im Kopf entstehen. Hast du dir überlegt, wie du das machst, dass du die Hörerinnen und Hörer packst? Macht man das intuitiv oder ist das ein Handwerk?

Michael Atzinger: Ich musste das lernen und musste auch den Mut entwickeln, da ein paar Sachen zuzulassen. Irgendwann dachte ich: Ich muss an mein eigenes Leben anknüpfen, aber nicht so, dass es privat wird, sondern dass es nur die Lebenssituation betrifft - und mich dadurch mit meiner Hörerschaft verbinden. Beim Casting habe ich damals sofort gesagt, dass ich die Morgensendung haben will. Weil ich da wusste, mit wem ich spreche. Das ist ja diese komische Situation, dass du persönlich wirst, aber ins Nichts hineinsprichst. Ich habe mir dann vorstellen können, wen ich da in den neuen Tag begleite. Die Leute sind vielleicht auch gerade im Bad, putzen die Zähne.

Musikalische Reisen mit den Hörerinnen und Hörern

BR-KLASSIK: Du bist jemand, der nicht nur selber gerne reist, sondern auch andere gerne auf Reisen begleitet. Du hast die Hörerreisen von BR-KLASSIK auch zu einer äußerst beliebten Veranstaltung gemacht, wo die Leute dir dann auch live bei einem Opernbesuch in der Mailänder Scala oder wo auch immer an den Lippen hängen. Diese Liebe zu deinen Hörerinnen und Hörern ist also mit den Jahren immer persönlicher geworden, weil du dein Gegenüber auf die Weise kennengelernt hast.

Michael Atzinger liest | Bildquelle: BR/Andreas Dirscherl Bildquelle: BR/Andreas Dirscherl Michael Atzinger: Das stimmt. Ich habe gelernt, wie unser Publikum so tickt. Also wie sie reagieren, was das für Menschen sind. Dass es durchaus nicht den einen Hörer oder die eine Hörerin gibt, sondern dass es eine ganz bunte Truppe ist. Und ich habe da wunderbare Erlebnisse gehabt. Wir hören als Moderatoren von unseren Hörern und Hörerinnen meist dann etwas, wenn wir einen Fehler gemacht haben. Dann wird eine Mail geschrieben oder es kommt ein böser Brief. Bei den Reisen hingegen ist das ganz anders: Diese Zugewandtheit, diese Freundlichkeit, diese Aufgeschlossenheit hat mich total überrascht und sehr gefreut. Leute, die eh schon musikbegeistert sind, noch zusätzlich für bestimmte Opern zu begeistern, hat mir unglaublich Spaß gemacht und macht mir immer noch Spaß.

Ich habe gelernt, wie unser Publikum so tickt.
Moderator Michael Atzinger

Die eigene Stimme als Kapital

BR-KLASSIK: Opernsänger sprechen in Bezug auf die Stimme vom Material. Du hast auch ein Material, diese Bassstimme, die so unglaublich radiophon ist. Damit wird man geboren. Da kann man nicht unterdrücken, sondern kann man nur entdecken. Hattest du vorher schon mal Feedback bekommen, dass Leute gesagt haben: Wow, du müsstest vielleicht eine Sängerausbildung machen oder so?

Michael Atzinger: Mir war das lange nicht bewusst, muss ich ehrlich sagen. Das ist auch das, was ich bereue: Dass ich nie daran gedacht habe, mich sängerisch ausbilden zu lassen. Ich glaube, ich hatte nie den Mut, mich hat auch niemand angetrieben oder gesagt, dass ich das machen sollte.

BR-KLASSIK: Die Stimme verändert sich im Laufe eines Lebens. Im Jahr 1990 klangst du ganz anders als jetzt. Arbeitest du mit bestimmten Stimmtechniken? Was machst du, wenn das Mikrofon aus ist?

Michael Atzinger: Ich summe zum Beispiel und versuche, mich nicht zu räuspern. Das ist schlecht für die Stimme. Ich singe zur Musik mit, für mich allein daheim und mache Stimmübungen. Ich singe gerne mal zu einer Symphonie mit. Es ist auch ein Glücksfall, dass die Stimme hält. Aber ich habe sie auch gut gepflegt. Schokolade ist beispielsweise schlecht, auch Milch. Die mag ich allerdings auch nicht, somit war ich da nie gefährdet.

Time to say Goodbye

BR-KLASSIK: Wir haben schon über Hörerreisen gesprochen. Ich möchte gerne wissen, welche Reisepläne dich nun umtreiben, jetzt wo die Rente kommt.

Michael Atzinger: Ich habe jetzt keine großartigen Reisen vor, aber Paris muss schon mindestens einmal im Jahr sein. Das werde ich, so bald wie möglich machen. Ich will Neues entdecken, aber ich will auch an die Orte, an die ich immer gern gefahren bin.

BR-KLASSIK: Lieber Michael, nach vielen, vielen Jahren, verlässt du uns. Es war für alle Hörerinnen und Hörer von BR-KLASSIK eine große Freude und eine Konstante im Leben. Natürlich auch für uns als Kollegen, aber vor allen Dingen für die vielen Menschen, die dir da draußen zugehört haben. Und wenn man sie gefragt hat, kennst du einen BR-KLASSIK-Moderator, haben sie gesagt, ja klar: Michael Atzinger, der mit dieser dunklen Stimme und mit dem rollenden R. Das hat einfach dieses Programm geprägt. Und dafür darf ich dir sehr, sehr herzlich danken. Das sage ich sicher im Namen ganz vieler Hörerinnen und Hörer in Bayern und auf der ganzen Welt.

Michael Atzinger: Ich danke dir, lieber Bernhard.

Michael Atzingers Abschiedssendung

Am 23. Juni 2025 wird Michael Atzinger die letzte Sendung auf BR-KLASSIK vor seiner Rente moderieren, "Der Nachmittag" ab 12:03 Uhr.

Das Gespräch führte Bernhard Neuhoff. Das Interview wurde für die Text-Version bearbeitet.

Sendung: "Meine Musik" am 14. Juni 2025 ab 11:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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