BR-KLASSIK

Inhalt

Björk und Co - Island, das Volk der Sänger Volkslieder in den Charts

Die Isländer sind ein sangesfrohes Volk, über 300 Chöre gibt es in dem kleinen Land: für viele Musiker der Start ihrer Laufbahn. Voller Stolz pflegen die gerade einmal 340.000 Bewohner der Insel im Nordatlantik ihre Traditionen. Die Sendung "conrapunkt" präsentiert am 30. November einen Überblick über die isländische Musikszene.

Die isländische Sängerin Björk bei einem Konzert in Madrid 2007 | Bildquelle: © dpa

Bildquelle: © dpa

Noch heute wandern Epensänger im Winter von einem Hof zum anderen und erhalten in ihren Liedern die alte Sprache und die vielgestaltige Volksdichtung seit Generationen unverfälscht am Leben. Und Björk bringt Volkslieder mit neuem Klang in die Pop-Charts: So kamen traditionelle Lieder wie das Liebeslied "Augun mín og augun þín" ("Meine Augen und deine Augen") auf ihrer Single "Possibly Maybe" 1996 oder eine a-cappella-Version des Liedes "Vökuró" (Nachtwache) 2004 auf dem Album "Medúlla" zu unerwartetem Ruhm. Auf ihrer gerade erschienenen neuen CD "Utopia" wagt die Isländerin, die mit Inuit-Kehlkopfgesang ebenso experimentierte wie mit avantgardistischen Technoklängen, den Blick in die Zukunft eines Fantasy-Matriarchats inklusive feierlicher Gesänge und beseelter Flöten- und Harfenklänge.

Rap im 14. Jahrhundert

Dass Björk Guðmundsdóttir schon immer einen Sinn für beliebte Volkslieder hatte, erklärt sich aus der Geschichte des Landes. Denn Island blickt auf eine sehr lange Tradition der Gedichte und Verse zurück, die A-Cappella-Sprechgesänge Tvísöngur und Rímur gibt es seit dem 14. Jahrhundert, mit ihrem festen Reimschema sind sie eine Art früher Rap. Über Jahrhunderte existierte nur diese starke Gesangstradition, Musikinstrumente kamen erst viel später dazu, Mitte des 19. Jahrhunderts.

Stolz auf die Tradition

Isländische Fußballfans | Bildquelle: picture-alliance/dpa Isländische Fußballfans | Bildquelle: picture-alliance/dpa Daher kennt jedes Kind in Island die traditionellen Wiegen- und Reim-Lieder, weil sie von der Mutter vorgesungen oder im Kindergarten musiziert wurden. Auch Komponisten, Pop- und Heavy Metal-Bands verwenden die alten Volkslieder mit größter Selbstverständlichkeit, einfach weil sie im Alltag fest verankert sind. Und beim Kampf Islands um die Unabhängigkeit von der norwegischen und später im 19. Jahrhundert von der dänischen Vorherrschaft spielten Lieder und Gedichte eine wichtige Rolle: "Wir durften stolz auf unsere Tradition sein und mussten auch auf irgendetwas bauen, um nach der Unabhängigkeit unsere Identität zu finden", bringt es die in Berlin lebende isländische Harfenistin Gunnhildur Einarsdóttir auf den Punkt. "Die Lieder, Gedichte und Geschichten waren da ganz nah."

Kleine und experimentierfreudige Szene

"Wir singen immer noch sehr alte Lieder und nehmen es gar nicht wahr, dass sie besonders alt sind. Es sind einfach die Kinderlieder, die wir singen", erklärt Gunnhildur Einarsdóttir. Und in einer Musikszene, die zwar relativ klein ist, aber sehr experimentierfreudig, ist es auch keine Seltenheit, dass die Musiker stilistisch enorm vielseitig sind und ein Rapper in der Oper auftritt.

Wie in Bayern: Island liebt seine Blaskapellen

Blaskapelle in Island | Bildquelle: Össur Geirsson Blaskapelle in Island | Bildquelle: Össur Geirsson Neben dem Singen und der Liebe zu alten Volksliedern brennen die Isländer noch für eine weitere musikalische Leidenschaft: ihre Blaskapellen, in denen sie an besonderen Feiertagen im ganzen Land in Paraden aufspielen, Erwachsene und Jugendliche gemeinsam. Sie präsentieren isländische und internationale Lieder; Bewunderer und Zuhörer schließen sich dem Bläser-Zug an mit Fahnen und Ballons, bei Wind und Wetter. Da kann es schon einmal passieren, dass die Noten wegwehen! Schon in der Schule werden diese Blasorchester speziell gefördert, mit einer Stunde Einzelunterricht und zweimal Orchesterprobe pro Woche.

Sommerlieder auch im Schnee

Das erste isländische Blasorchester wurde 1876 gegründet, heute gibt es dort 49 Blaskapellen, die sich in Reykjavik ebenso zu Paraden formieren wie auf dem Land, auch wenn es nur eine kleine Gruppe von Musikern ist. Erleben kann man diese Paraden auch an einem ganz besonderen Feiertag, wenn nämlich schon früh der erste Sommertag begrüßt wird, nämlich Ende April. Wettertechnisch nicht ohne Risiko, wie die Sopranistin María Konráðsdóttir, die einst als Neunjährige mit der Klarinettistin in solch einer Bläserkapelle begonnen hat, zu Bedenken gibt: "Wer das Wetter in Island kennt, weiß, dass wir um diese Jahreszeit manchmal immer noch Schnee haben. Damals fand ich es immer ganz lustig, dass wir den Sommer willkommen geheißen haben, fröhliche Sommerlieder spielten und dabei durch den Schnee gelaufen sind!"

Sendung: "contrapunkt - Dialog der Kulturen" am 30. November 2017, ab 20:03 Uhr auf BR-KLASSIK.

    AV-Player