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Kostprobe | 03.03.2024 Andreas Staier - "Méditation"

"Méditation“ hat Andreas Staier sein neues Album genannt. Wer dabei an ein Lifestyle-Produkt im Weichspülgang denkt, liegt bei Andreas Staier völlig falsch. Es ist ein Programm der Bezüge und Querverweise.

Andreas Staier - "Méditation“ | Bildquelle: Alpha Classics

Bildquelle: Alpha Classics

Johann Sebastian Bach hat in seinem Werkpaar Präludium und Fuge E-Dur aus dem Wohltemperierten Clavier zwei bekannte Themenköpfe verarbeitet. Das sind der schon seit Jahrhunderten traditionsreiche Pange lingua-Hymnus und noch eine weitere, zu Barockzeiten sehr populäre Tonfolge. Andreas Staier hat diese Motive in der vorwiegend kontrapunktischen Barockliteratur aufgespürt, bei Werken und Komponisten, die Bach größtenteils gekannt haben dürfte und die ihn beeinflussten. Da finden sich einige der Präludien und Fugen von Johann Caspar Ferdinand Fischer, die Bach wohl sehr genau studierte und die eine Art Blaupause für das Wohltemperierte Clavier waren. Da findet sich ein Beispiel von Johann Joseph Fux aus seiner legendären Kontrapunktschule Gradus ad Parnassum. Da finden sich mehrere Werke von Johann Jakob Froberger, darunter die namengebende "Méditation sur ma mort future", ein warm leuchtendes Tombeau, das Froberger für sich selber schrieb.

Ereignisraum Bach

Die vielfältigen musikalischen "Anklänge" finden sich auch in einem sechssätzigen Werk gleichen Namens. Dabei handelt es sich aber um keine Barockkomposition, die "Anklänge" sind von Andreas Staier selbst. Seit über zehn Jahren hat er immer wieder Skizzen geschrieben, um seiner Vorstellung einer zeitgemäßen musikalischen Sprache Gestalt zu geben. Diese Skizzen arbeitete er in der Corona-Zwangspause dann zu vollgültigen Kompositionen aus, mit klarem Bezug, eben Anklängen, an Bachs Präludium und Fuge in E-Dur. Andreas Staier verwandelt sein umfassendes Wissen über die Musik und Kompositionsmethoden quer durch alle Epochen in ein veritables Stück Neuer Musik. Er spielt mit den Abstufungen des Dissonanzgehalts der Intervalle, setzt eine ausdifferenzierte Rhythmik auch strukturell ein – und lotet nicht zuletzt die Grenzbereiche seines so wunderbar klangvollen Cembalos aus.

Ausgereiftes Erstlingswerk

Das alles kommt, ein Markenzeichen von Andreas Staier, keine Spur verkopft oder gar belehrend daher. Es ist tatsächlich verblüffend, wie ausgereift sein kompositorisches Erstlingswerk klingt. Eine organische, lebendige und intelligente Form des Musik-Machens, eine "Méditation" eben über die inneren und äußeren Erscheinungsformen der Musik.

Andreas Staier: Méditation

Bach, Couperin, Fux, Froberger
Andreas Staier, Cembalo
Label: Alpha Classics

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 3. März 2024, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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